Patienten mit Adipositas gut beraten |
Barbara Döring |
28.02.2024 18:00 Uhr |
Adipositas ist kein kosmetisches Problem, sondern einer der größten Krankheitstreiber. / Foto: Getty Images/AnnaStills
Wenn er in den letzten Jahren über das Thema Adipositas berichtet habe, sei er stets kurz davor gewesen, des Bodyshamings bezichtigt zu werden, sagte der Referent. Doch Fettleibigkeit sei alles andere als nur ein kosmetisches Problem: »Adipositas ist weltweit ein Krankheitstreiber, mit dem wir nicht mehr klarkommen«, betonte der Diabetologe, dem drei Tage vor dem Zukunftskongress der Verdienstorden des Landes Nordrhein-Westfalen für besondere Verdienste am Gemeinwohl verliehen worden war.
Auch in Deutschland sei Adipositas ein riesiges Thema, mit dem Apotheken täglich konfrontiert seien. Hierzulande seien inzwischen mehr Frauen im Alter ab 50 Jahren übergewichtig als normalgewichtig. Bei Männern zeige sich dieses Verhältnis bereits zehn Jahre früher. Die gesundheitlichen Folgen seien weitreichend. Martin zeigte dazu eine Liste von Erkrankungen, die nicht unbedingt jeder mit Übergewicht in Verbindung bringen würde, wie das polyzystische Ovarsyndrom (PCOS) oder Lungenerkrankungen. Auch eine Leberzirrhose sei inzwischen häufiger auf Übergewicht zurückzuführen als auf Alkoholkonsum.
Auch auf die enge Verknüpfung von Adipositas und Typ-2-Diabetes (T2D) ging der Diabetologe ein. Das Risiko, T2D zu entwickeln, sei bei einem Body-Mass-Index (BMI) von mehr als 35 um das 40-Fache erhöht. Diabetes sei aber keine Einbahnstraße, sondern es gebe einen Weg zurück zur Gesundheit, sagte Martin. So habe eine britische Studie gezeigt, dass bei Patienten, die seit rund sechs Jahren T2D hatten, durch einen Gewichtsverlust von 15 kg eine 90-prozentige Chance bestand, den Stoffwechsel zu normalisieren.
Professor Dr. Stephan Martin / Foto: AVNR/Alois Müller
Was die sogenannten Abnehmspritzen dabei leisten könnten, sei beachtlich, führte der Referent aus. So erreichte die Behandlung mit dem GLP-1-Rezeptoragonisten Semaglutid, der als Ozempic® zur Therapie von T2D und als Wegovy® zur Gewichtsregulierung bei Adipositas zugelassen ist, in einer Studie eine 15-prozentige Gewichtsabnahme gegenüber 2,6 Prozent in der Placebogruppe. Neuere Substanzen wie der duale GIP/GLP-1-Rezeptoragonist Tirzepatid und der in der Entwicklung befindliche Tripleagonist Retatrutid kämen mit 20 bis 24 Prozent Gewichtsverlust an den Erfolg der metabolischen Chirurgie heran. »Der Weg zur medizinischen Gewichtsabnahme geht systematisch weiter«, sagte Martin. Dabei seien die Nebenwirkungen wie Übelkeit oder Erbrechen überschaubar. Gallenblasen- oder Gallengang-Erkrankungen seien eher bei höheren Dosierungen, wie sie zur Gewichtsabnahme vorgesehen sind, zu erwarten. Eine Zunahme von Schilddrüsenkarzinomen oder Suizidgedanken sei nicht nachgewiesen.