Patienten im Klimawandel schützen |
Brigitte M. Gensthaler |
25.04.2025 13:30 Uhr |
Hitzewellen, mehr Luftschadstoffe und veränderte Aeroallergene: Der Klimawandel belastet Ältere, Kinder und Menschen mit Lungenerkrankungen besonders. / © Getty Images/Victoriano Izquierdo
Asthma und chronisch-obstruktive Lungenerkrankung (COPD), Lungenkrebs und Infektionskrankheiten: Hitzewellen, veränderte Aeroallergene, Luftschadstoffe und Extremwetterereignisse beeinflussen diese Erkrankungen massiv. Die Taskforce Klimawandel und Gesundheit der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP) fordert in einem Positionspapier, die Resilienz von Patienten und Gesundheitssystemen gegenüber den Folgen des Klimawandels zu stärken und eine nachhaltige Gesundheitsversorgung sicherzustellen. Dazu geben die Pneumologen kompakte Hinweise.
So verschlechtern Hitzeperioden sowie erhöhte Feinstaub- und Ozonkonzentrationen die Lungenfunktion und erhöhen das Exazerbationsrisiko und die Mortalität von COPD-Patienten. Die langfristige Exposition gegenüber Luftschadstoffen sei eine relevante Ursache für die Entwicklung von Asthma, schreiben die Autoren. Bei Patienten mit allergischem Asthma könnten Hitze, zunehmende Luftfeuchtigkeit und höhere Pollenkonzentrationen Exazerbationen fördern und die Schwere und Dauer von Atemwegsbeschwerden erhöhen. Ebenso steigern Hitze- und Kältewellen das Risiko für bakterielle und virale Lungenentzündungen in allen Altersgruppen. Atemwegsinfektionen nehmen zu.
Die Folgen sind jeweils ähnlich: Die Patienten brauchen mehr Medikamente und intensivere Therapien, fehlen häufiger am Arbeitsplatz oder in der Schule und müssen häufiger zum Arzt oder ins Krankenhaus.
»Auch die Auswirkungen auf Krebsneuerkrankungen sind enorm: Pro Jahr registrieren wir aktuell rund sieben Millionen Krebstote weltweit durch den Klimawandel«, erklärt Dr. Christian Grah vom Gemeinschaftskrankenhaus Havelhöhe in Berlin und Sprecher der DGP-Taskforce in einer Pressemeldung der Gesellschaft. Tabakexposition, Feinstaub und Luftschadstoffe seien zunehmende Risikofaktoren für Lungenkarzinome, auch durch Einfluss auf Treibermutationen. Das postoperative Outcome nach onkologischen Lungenteilresektionen könne durch Luftschadstoffe verschlechtert werden.
Die Taskforce sieht die Angehörigen der Gesundheitsberufe in einer besonderen Rolle. »Mitarbeitende im Gesundheitswesen sind eine größere Treibermacht, um gesellschaftliche Veränderung herbeizurufen, als sie glauben«, sagt Grah.
Das Positionspapier nennt konkrete Maßnahmen, wie die Symptomlast für Betroffene verringert werden kann. Dabei geht es um klimasensible Gesundheitsberatung, um App-basierte Frühwarnsysteme, zum Beispiel die Warn-App NINA des Bundesamts für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) und die Warn-Wetter-App des Deutschen Wetterdienstes, sowie das Monitoring der Luftqualität, zum Beispiel mit der App Luftqualität des Umweltbundesamts.
Dem Hitzeschutz dienen unter anderem klimatisierte Räume, Wasserspender oder angepasste Öffnungs- und Sprechstundenzeiten. Diagnostische und therapeutische Eingriffe sollten während Hitzewellen möglichst zurückgefahren werden, schlagen die Ärzte vor.
Patienten könnten beispielsweise eine Atemschutzmaske bei hoher Staubbelastung tragen, die Atemfunktion regelmäßig zu Hause mit dem Peak-Flow-Meter messen und ihre Asthma-Basismedikation anpassen, gezielt lüften und offene Feuer vermeiden.
Wichtige Punkte sind das Medikamentenmanagement und die Tabak- und Nikotinentwöhnung. »Bisher kaum im Bewusstsein ist zum Beispiel, welchen Störfaktor Antibiotika und viele andere Medikamentengruppen für die Biodiversität darstellen. Wir benötigen mehr umweltfreundliche Arzneimittel und Medizinprodukte«, fordert Grah. Zudem müssten Über-, Fehl- und Unterversorgung, zum Beispiel durch leitliniengerechtes Antibiotika-Management, korrigiert und Medikamenteneinträge in die Umwelt reduziert werden.
Wenn möglich, sollten Ärzte bevorzugt Pulverinhalatoren statt Dosieraerosole verordnen. / © Adobe Stock/Goffkein
Ein wichtiger Hebel sei die Umstellung von Treibhausgas-haltigen Dosieraerosolen auf Pulverinhalationssysteme. Die Pneumologen verweisen erneut auf die S2k-Leitlinie »Klimabewusste Verordnung von Inhalativa« (AWMF-Reg.Nr. 053-059, Stand Januar 2024). Ferner würden viele mobile Sauerstoffkonzentratoren über einer Temperatur von 36 °C nicht mehr zuverlässig funktionieren.
Mit Blick auf häufiger werdende Extremwetterereignisse sprechen die Pneumologen auch die medikamentöse Versorgungssicherheit im Katastrophenfall an. Die Taskforce appelliert an alle Personen im Gesundheitswesen, sich »als klare Fürsprecher ihrer Patienten« zu positionieren und aktiv gegen klimabedingte Gesundheitsrisiken vorzugehen. »Ein widerstandsfähiges, nachhaltiges und klimafreundlicheres Gesundheitssystem muss zur Priorität werden«, heißt es abschließend.