Parkinson früher auf die Spur kommen |
Zitternde Hände gelten als typisch für Parkinson, treten jedoch erst auf, wenn der Neuronen-Verfall schon deutlich fortgeschritten ist. / Foto: Getty Images/Astrid860
Die Vorstellung, dass für die Parkinson-Krankheit eine Neurodegeneration der Substantia nigra mit anschließendem Dopaminmangel im Striatum ursächlich ist, ist mittlerweile überholt. »Parkinson wird heute vielmehr als α-Synucleinopathie verstanden«, informierte Professor Dr. Wolfgang Oertel von der Universitätsklinik Marburg über das aktuelle Pathologieverständnis bei einer Fortbildungsveranstaltung der Apothekerkammer Hessen vergangenes Wochenende in Gießen.
Das Protein α-Synuclein häuft sich bei der Erkrankung in fehlgefalteter Form an und aggregiert. Die Ablagerungen befinden sich im gesamten Nervensystem und sind entweder ursächlich oder spielen zumindest in der Progression der Parkinson-Krankheit eine wesentliche Rolle, so der Neurologe.
Die Aggregation von α-Synuclein beginnt nach den Ausführungen Oertels bereits etwa zwanzig Jahre vor Krankheitsausbruch mit den klassischen motorischen Beschwerden in der Darmwand, verbunden mit einem Austreten in das Nervengeflecht des Darms (Plexus myentericus).
Betroffene leiden dann unter Magenentleerungsstörungen, Motilitätsstörungen des Darms und vor allem Verstopfung. »Wir wissen heute, dass Parkinson aus dem Darm kommt und dann über das Herz ins Gehirn aufsteigt. Auf dem Weg und der Verbreitung der α-Synuclein-Aggregate vom Darm ins Gehirn liegt derzeit das Hauptaugenmerk der Forschung«, sagte der Experte.
Magen-Darm-Beschwerden sind längst nicht alle Vorlaufsymptome. »Bei rund 85 Prozent der Parkinson-Patienten treten bis zu 15 Jahre vor den ersten motorischen Symptomen REM-Schlafverhaltensstörungen sowie Hyposmien auf«, so Oertel.
Erstere äußere sich durch intensive Träume mit lebhaften Bewegungen und Sprechen im Schlaf. Meist bekämen die Betroffenen davon selbst nichts mit. In welcher Kombination und Ausprägung die verschiedenen Parkinson-Frühwarnzeichen auftreten, sei sehr individuell. Sowohl im Gehirngewebe als auch in Gewebeproben der Nasenschleimhaut lassen sich dann Verklumpungen von α-Synuclein nachweisen.
Daraus folge ein Umdenken in der Diagnostik. Statt sich auf rein klinische Symptome zu stützen, gelte es frühzeitig die Proteinverklumpungen ausfindig zu machen. »In der Diagnostik arbeiten wir heute deshalb vermehrt mit Schlaflabor-Untersuchungen, differenzierten Geruchsempfindungstests (Sniffing Test) sowie nuklearmedizinischen Untersuchungen des Herzens und des Gehirns, um die Proteinaggregate nachzuweisen«, so der Neurologe.
»Die Herausforderung in der Forschung und Behandlung von Parkinson ist die Suche nach einer neuroprotektiven Therapie, die das Auftreten der motorischen Parkinson-Symptome verzögert bis verhindert, indem die Behandlung bereits in einem Prodromalstadium begonnen wird«, schilderte Oertel. Dazu müsse der zukünftige Arzneistoff in der Lage sein, die α-Synuclein-Aggregate aufzulösen beziehungsweise ihr Entstehen zu verhindern.