Ozempic-Lieferengpass bis mindestens Mitte Januar |
Daniela Hüttemann |
30.12.2022 15:00 Uhr |
Zum 23. Dezember hatte Hersteller Novo Nordisk angekündigt, Ozempic 1 mg, 3 Stück, Injektionslösung in einem Fertigpen soll voraussichtlich erst ab dem 16. Januar wieder verfügbar sein. / Foto: Adobe Stock/OmarHalawi
Semaglutid ist ein GLP-1-Rezeptoragonist, der nicht nur den Blutzuckerspiegel senkt, sondern auch den Appetit reguliert und dadurch beim Abnehmen hilft. Unter dem Namen Ozempic® ist der Arzneistoff von Novo Nordisk bereits seit 2018 in der EU und 2017 in den USA als Antidiabetikum zugelassen.
2021 in den USA beziehungsweise Anfang 2022 in der EU folgte die Zulassung unter den Namen Wegovy® als Mittel zum Abnehmen bei Adipositas in deutlich höherer Dosierung. In Deutschland wurde Wegovy noch nicht auf den Markt gebracht – auch weil der dänische Hersteller mit der Produktion noch nicht der weltweiten Nachfrage hinterher kommt.
Es besteht der dringende Verdacht, dass auch das für Diabetiker gedachte Ozempic off Label für Personen zum Abnehmen verordnet wird. In Deutschland besteht seit Oktober 2022 ein offizieller Lieferengpass.
Ozempic wird zur Behandlung des unzureichend kontrollierten Diabetes mellitus Typ 2 bei Erwachsenen als Zusatz zu Diät und körperlicher Aktivität angewendet, entweder als Monotherapie, wenn die Anwendung von Metformin aufgrund einer Unverträglichkeit oder Kontraindikationen ungeeignet ist oder zusätzlich zu anderen Arzneimitteln zur Behandlung des Diabetes mellitus. Es gibt keine Einschränkungen bezüglich des Ausgangs-Körpergewichts.
Wegovy wird als Ergänzung zu einer kalorienreduzierten Ernährung und verstärkter körperlicher Aktivität zur Gewichtsregulierung, einschließlich Gewichtsabnahme und Gewichtserhaltung, bei erwachsenen Patienten angewendet mit einem Ausgangs-Body-Mass-Index (BMI) von ≥ 30 kg/m2 (Adipositas) oder ≥ 27 kg/m2 bis < 30 kg/m2 (Übergewicht), bei denen mindestens eine gewichtsbedingte Begleiterkrankung wie Fehlregulation der glykämischen Kontrolle (Prädiabetes oder Diabetes mellitus Typ 2), Hypertonie, Dyslipidämie, obstruktive Schlafapnoe oder HerzKreislauf-Erkrankung vorliegt.
Zum 23. Dezember hatte Hersteller Novo Nordisk angekündigt, nicht mehr wie geplant ausliefern zu können. Ozempic 1 mg, 3 Stück, Injektionslösung in einem Fertigpen soll voraussichtlich erst ab dem 16. Januar wieder verfügbar sein. Den anhaltenden Lieferengpass begründet Novo Nordisk mit unterbrochenen Lieferketten. Ozempic in den Stärken 0,5 mg oder 0,25 mg sei dagegen lieferbar, hieß es in der entsprechenden AMK-Meldung zu Weihnachten.
Das US-Nachrichtenportal »Bloomberg« meldete etwa zur gleichen Zeit, dass ein Trend auf TikTok und anderen Social Media-Kanälen mit Schuld sei an den Lieferengpässen. So wird vermutet, dass auch das für Menschen mit Typ-2-Diabetes gedachte Ozempic off Label für gesunde Personen verordnet wird, die abnehmen wollen – mit oder sogar ohne Übergewicht, wie die »New York Times« bereits Ende November berichtete.
Diabetiker unter Semaglutid-Therapie liefen nun Gefahr, ihr Medikament nicht zu bekommen, zumal es auch Engpässe bei ähnlich wirkenden Präparaten wie Dulaglutid (Trulicity® von Eli Lilly) und Tirzepatid (Mounjaro®, ebenfalls Eli Lilly) gebe, heißt es bei Bloomberg.
In der New York Times warnte eine Experte, dass die potenziellen Nebenwirkungen von Semaglutid wie Übelkeit, Fatigue, Dehydrierung, Durchfall und Verstopfung bei Normalgewichtigen stärker ausfallen könnten als bei den Patienten, für die es gedacht ist. Auch Erkrankungen der Bauchspeicheldrüse und Gallenblase können die Folge sein. So wurden Wirksamkeit und Sicherheit bei normalgewichtigen Gesunden nicht ausreichend untersucht.
Auch die Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie (DGE) hatte bereits Anfang November vor einer unkontrollierten, nicht zugelassenen Anwendung als Lifestyle-Medikament gewarnt und sieht die Versorgung der Diabetes-Patienten hierzulande gefährdet. Die DGE geht von tausenden regulären Anwendern in Deutschland aus.
»In den USA wird Ozempic sehr stark im Off-Label-Use, also ohne Zulassung, zur Gewichtsreduktion verwendet; auch weil viele Prominente wie Elon Musk das stark bewerben«, kritisierte Professor Dr. Harald J. Schneider, Sprecher der Sektion Angewandte Endokrinologie der DGE. Der Hashtag #Ozempic sei allein bis Anfang November 350 Millionen Mal in Sozialen Medien geteilt worden.
Die DGE mahnt: »Diese Medikamente sollten nur spezialisierte Ärztinnen und Ärzte verschreiben – und auch nur, wenn die medizinische Notwendigkeit besteht und die Anwendung in der Folge sorgfältig überwacht wird.«
Selbst der Hersteller meldete sich bereits Mitte Dezember zu Wort. »In der Boulevardpresse und den sozialen Medien sind in letzter Zeit Berichte über Prominente erschienen, die Wegovy nutzen, um schlank zu werden. Diese Berichte enthalten zum Teil irreführende Informationen, die Patientinnen und Patienten verunsichern könnten«, teilte Novo Nordisk Deutschland am 12. Dezember mit, obwohl Wegovy hier noch nicht einmal auf dem Markt ist.
Das Unternehmen wehrt sich gegen den Begriff Lifestyle-Medikament, wohl auch im Hinblick auf die anstehenden Preisverhandlungen. Novo Nordisk betont, dass Wegovy ein Baustein einer ganzheitlichen Therapie bei Adipositas sei.
Rückenwind gibt es von den Endokrinologen: »Adipositas ist nicht nur ein Lifestyle-Problem, sondern als Erkrankung zu werten«, so DGE-Pressesprecher Professor Dr. Stephan Petersenn. »Mit den GLP1-Agonisten besteht eine interessante Therapieoption, die jedoch immer in Zusammenhang mit diätischen Maßnahmen erfolgen sollte.«