Orale Krebstherapie kann noch besser werden |
Daniela Hüttemann |
03.05.2023 11:00 Uhr |
Nebenwirkungen vorbeugen und lindern, die korrekte Einnahme besprechen, Medikationsfehler vermeiden und die Adhärenz steigern – das gehört zu den Aufgaben der Apothekerinnen und Apotheker in der SafetyFirst-Studie. / Foto: Getty Images/Sanja Radin
Ein flächendeckendes Sicherheitsnetz für Krebspatienten unter oraler Antitumortherapie spannen – das ist das große Ziel des Modellprojekts, das im April gestartet ist. Es wird vom Bundesgesundheitsministerium im Rahmen des Aktionsplans Arzneimitteltherapiesicherheit (AMTS) 2021 bis 2024 finanziell gefördert. Gute Ergebnisse vorausgesetzt, könnte aus dem Modellprojekt die Regelversorgung werden.
Etwas anders als bei der pharmazeutischen Dienstleistung »Pharmazeutische Betreuung bei oraler Antitumortherapie«, die die Apotheke unabhängig vom Onkologen durchführen kann, setzt das SafetyFirst-Projekt bei einer intensivierten AMTS-Betreuung auf die interprofessionelle Zusammenarbeit. Es sind auch mehr Gespräche pro Patient vorgesehen. Teilnehmen können jeweils Tandems aus ambulanter Onkologie-Praxis und Apotheke vor Ort beziehungsweise Klinikambulanz/MVZ und Krankenhausapotheke.
»Es gibt eine Reihe von Studien, die das Potenzial eines Medikationsmanagements bei oraler Antitumortherapie zeigen, und es gibt auch schon verschiedene Hilfsmittel, die ein Medikationsmanagement in dieser Patientengruppe unterstützen können«, fasste Professor Dr. Ulrich Jaehde, einer der Projektkoordinatoren, zum Start der SafetyFirst-Studie zusammen.
Dabei soll an 24 Standorten bundesweit etabliert werden, was am Uniklinikum Erlangen mit dem AMBORA-Projekt bereits seit einiger Zeit gelebte Praxis ist: Jeder Krebspatient, der eine orale Antitumortherapie startet, bekommt hier nach seinem Arztgespräch, in dem Diagnose und Therapie grundlegend erklärt werden, noch zusätzlich das Angebot, mit einem Apotheker über seine Krebsmedikamente in Tabletten- oder Kapselform ausführlich und in Ruhe zu sprechen. Die gleichnamige AMBORA-Studie hatte den Nutzen dieser Intervention eindeutig belegt. AMBORA steht für AMTS bei oraler Tumortherapie und ist zugleich der Name des entsprechenden Kompetenz- und Beratungszentrums.
Was noch fehlt, ist eine multizentrische Studie, also die Übertragbarkeit des AMBORA-Modells auf andere Standorte, inklusive der Apotheken vor Ort. Diese Lücke soll nun SafetyFirst schließen. Dafür sollen an den 24 Standorten mit jeweils einem Tandem insgesamt etwa 600 Patientinnen und Patienten eingeschlossen werden. Unter welcher Krebsart die Patienten leiden, ist dabei unerheblich, solange sie mindestens eins von den mittlerweile zahlreichen seit 2001 zugelassenen oralen Krebsmedikamenten einnehmen müssen. Koordiniert wird das Ganze von den AMTS-Zentren der Universitäten Erlangen (Professor Dr. Frank Dörje und Professor Dr. Martin Fromm) und Bonn (Professor Dr. Ulrich Jaehde).
»Die Ziele sind die Erhöhung der Sicherheit bei der Anwendung der oralen Antitumortherapeutika, eine Verbesserung der interprofessionellen Zusammenarbeit sowie ein Beitrag zu verbesserter Patientenkompetenz«, erklärte Dörje. Dazu gehören weniger Nebenwirkungen und Medikationsfehler sowie eine bessere Lebensqualität und Adhärenz.
Der primäre Studienendpunkt ist ein kombinierter: schwerwiegende Nebenwirkungen, Behandlungsabbrüche, ungeplante Hospitalisierungen und Todesfälle sollen durch die intensive pharmazeutische Betreuung insgesamt um mindestens 25 Prozent reduziert werden.
Jeder Standort startet mit der Kontrollphase, in der die Betreuung wie üblich läuft. Die Behandlungsteams werden vorher entsprechend geschult und erhalten Materialien und Werkzeuge zur Aufklärung der Patienten, unter anderem mit Zugang zur Oralia-Datenbank der Deutschen Gesellschaft für Onkologische Pharmazie (DGOP).
In der Interventionsphase sind nach dem ausführlichen Initialgespräch ein Kurzgespräch nach einer Woche, ein Folgegespräch in Woche 4 und dann noch einmal ein Kurzgespräch in Woche 8 sowie ein Folgegespräch nach insgesamt zwölf Wochen vorgesehen. Damit hat jeder Patient fünf Gespräche mit einem Apotheker innerhalb von drei Monaten. Auch ausführliche Medikationsanalysen sollen die Apotheken für jeden Patienten durchführen. Ob für die Gespräche ein Apotheker in die onkologische Ambulanz kommt oder der Patient in die Apotheke, bleibt den einzelnen Standorten überlassen. Die Patienten bleiben ansonsten frei in ihrer Apothekenwahl.
Das Studienteam plant einen Abschluss inklusive Datenanalyse im ersten Quartal 2026. Derzeit werden noch die letzten Standorte rekrutiert. Ende dieses Jahres sollen die Teamschulungen stattfinden und ab 2024 die ersten Patienten rekrutiert werden. Sollten die anvisierten Endpunkte erreicht werden, erwartet Koordinator Dörje eine Verstetigung und Ausweitung des Modells.