Orale Konkurrenz für Lanadelumab |
Sven Siebenand |
24.06.2021 07:00 Uhr |
Für Patienten mit einem Körpergewicht unter 40 kg wird Berotralstat nicht empfohlen. Ebenso ist es wegen einer Verlängerung der QT-Zeit am Herzen bei schwerer Nierenfunktionsstörung sowie mittelschwerer oder schwerer Leberfunktionsstörung. Auch bei Patienten mit anderen Risikofaktoren für eine Verlängerung der QT-Zeit, etwa hohes Alter oder Einnahme weiterer Medikamente mit Einfluss auf die QT-Zeit, sollte Berotralstat vermieden werden.
Hinsichtlich möglicher Wechselwirkungen ist ferner zu beachten, dass Induktoren von P-Glykoprotein zu einem verminderten Wirkspiegel und damit verminderter Wirksamkeit von Berotralstat führen können. Sie sollten deshalb nicht gleichzeitig auf der Medikationsliste stehen.
Berotralstat selbst ist ein moderater Inhibitor von CYP3A4 und CYP2D6. Das kann in der Begleitmedikation mit CYP3A4- beziehungsweise CYP2D6-Substraten notwendige Dosisanpassungen zur Folge haben. Nur schwach inhibiert der neue Wirkstoff das Enzym CYP2C9. Dennoch wird in der Fachinformation von Orladeyo darauf hingewiesen, dass Berotralstat die Wirksamkeit oraler hormoneller Kontrazeptiva wie Desogestrel, die CYP2C9 für die Umwandlung des Prodrug in den aktiven Metaboliten benötigen, verringern kann. Daher sollten Frauen, die zur Verhütung ausschließlich Desogestrel anwenden, zu einer alternativen zuverlässigen Verhütungsmethode wechseln.
Frauen im gebärfähigen Alter müssen während der Behandlung mit Berotralstat und mindestens einen Monat nach der letzten Dosis eine zuverlässige Verhütungsmethode anwenden. Berotralstat wird bei Frauen im gebärfähigen Alter, die keine Verhütung anwenden, nicht empfohlen. Die Anwendung des neuen Arzneistoffs während der Schwangerschaft wird ebenso nicht empfohlen. In der Stillzeit ist zu entscheiden, ob das Stillen zu unterbrechen ist oder ob auf die Behandlung mit Orladeyo verzichtet werden soll beziehungsweise die Behandlung mit dem Medikament zu unterbrechen ist.
Berotralstat besitzt mit Plasma-Kallikrein das identische Target wie der Antikörper Lanadelumab. Auch das Einsatzgebiet, die Prävention wiederkehrender Attacken des hereditären Angioödems, ist identisch. Dennoch darf man Berotralstat die Bezeichnung »Schrittinnovation« zuschreiben. Denn im Gegensatz zu Lanadelumab muss es nicht injiziert werden. Die orale Einnahme dürfte zumindest für einen Teil der Patienten von Vorteil sein. Im Vergleich zu Placebo konnte Berotralstat Ödemattacken reduzieren. Sehr interessant wäre aber eine Studie, die die beiden Plasma-Kallikrein-Hemmstoffe direkt miteinander vergleicht.
Sven Siebenand, Chefredakteur