Opioide nicht wirksamer als Placebo bei Rückenschmerzen |
Daniela Hüttemann |
29.06.2023 18:00 Uhr |
Tatsächlich gab es nach den sechs Wochen Therapie keinen signifikanten Unterschied im Schmerzscore zwischen der Opioid- und Placebogruppe (2,78 versus 2,25 auf der Zehn-Punkte-Skala). Vor Therapiebeginn lag die Schmerzintensität im Schnitt bei etwa 5,8. Nach einem Jahr hatten die Patienten kaum noch Schmerzen (2,37 versus 1,81 Punkte), auch hier kein statistisch signifikanter Unterschied.
35 Prozent der Opioid-Gruppe und 30 Prozent der Placebogruppe berichteten nach den zwölf Wochen Therapie über mindestens eine Nebenwirkung. Typische Opioid-Wirkungen wie Verstopfung traten jedoch tatsächlich häufiger unter Opioiden auf (7,5 versus 3,5 Prozent).
Die Opioid-Gruppe hatte auch ein statistisch signifikant höheres Risiko für Opioid-Missbrauch nach einem Jahr (20 Prozent versus 10 Prozent). Jeder vierte von den 106 Patienten, die nach einem Jahr immer noch Schmerzen hatten, nahmen immer noch ein Opioid.
»Wir wissen nicht nur, dass die Patienten nicht die empfohlene Schmerzlinderung erhalten, sondern auch, dass die Verschreibung von Opioid-Schmerzmitteln, selbst für einen kurzen Zeitraum, das Risiko eines langfristigen Opioid-Missbrauchs erhöht«, kommentiert Seniorautorin Professor Dr. Christine Lin von der Uni Sydney und gibt eine klare Empfehlung: »In Anbetracht aller Beweise und bekannten Risiken sind wir der festen Überzeugung, dass Ärzte keine opioiden Schmerzmittel für neue Episoden von Schmerzen im unteren Rücken und Nacken verschreiben sollten.«
Stattdessen sollten Ärzte auf patientenorientierte Ansätze zurückgreifen und ihnen raten, in Bewegung zu bleiben und einfache Schmerzmittel zu verwenden. »Die gute Nachricht ist, dass die meisten Menschen mit akuten Rücken- und Nackenschmerzen von allein innerhalb von sechs Wochen genesen«, betont Lin eine weitere wichtige Information für die Patienten.
In der letzten Fassung der Nationalen Versorgungsleitlinie Kreuzschmerz von 2017, die im März 2022 abgelaufen ist und derzeit überarbeitet wird, heißt es noch: »Opioide können zur Behandlung akuter nicht-spezifischer Kreuzschmerzen bei fehlendem Ansprechen oder Vorliegen von Kontraindikationen gegen nicht-opioide Analgetika angewendet werden« mit offenem Empfehlungsgrad (Kann-Empfehlung), also ungewisser Evidenz.
Weiterhin heißt es: »Opioide können zur Behandlung chronischer nicht-spezifischer Kreuzschmerzen als eine Therapieoption für vier bis zwölf Wochen angewendet werden« sowie als langfristige Therapie im Rahmen eines therapeutischen Gesamtkonzepts, wenn unter der zeitlich befristeten Anwendung eine klinisch relevante Reduktion der Schmerzen und/oder des körperlichen Beeinträchtigungserlebens bei fehlenden oder geringen Nebenwirkungen eingetreten ist. Ob Opioide als Therapieempfehlung gänzlich aus der Leitlinie verschwinden, bleibt abzuwarten.