Olivenbäume am Tropf |
Das grüne Herz Süditaliens ist massiv bedroht: Das Bakterium Xylella fastidiosa hat schätzungsweise bereits 10 bis 15 Millionen Olivenbäume dahingerafft. / Foto: Adobe Stock/CosimoGiovanni
Der Stiefelabsatz Italiens, die Region des Salento, war bekannt für sein smaragdgrünes Meer, für prachtvolle Barockbauten aus dem in der Gegend abgebauten hellen Tuffstein – und für weite Olivenhaine mit seinen erhaben wirkenden, oft jahrhundertealten Bäumen. Fährt man heute von Brindisi über Gallipoli, Otranto und Lecce bis zum südlichsten Zipfel Apuliens, zeigt sich ein trauriges Bild. Die einst grünen Hügel sind grau geworden, tot. Skelette der meterbreiten kunstvoll gewachsenen Stämme zeugen noch von der einstigen Pracht dieser Kulturlandschaft. Hier und da strecken sich kahle Äste dem Himmel entgegen.
Genau zehn Jahre ist es nun her, dass der Urheber dieses Pflanzensterbens nachgewiesen wurde. Das gramnegative Bakterium mit dem bezeichnenden Namen Xylella fastidiosa (ital. dare fastidio = nerven/ärgern) begann damals, die Olivenbäume in der Ortschaft Gallipoli zu geißeln. Xylella nervt nicht nur ein wenig: Der Infektionsherd wurde sukzessive größer, auch wenn in den vergangenen Jahren die Geschwindigkeit, mit der sich die Olivenbaum-Infektion Richtung Norden ausbreitet, langsamer geworden ist. Waren vor zehn Jahren 8000 Hektar von dem Pflanzenschädling befallen, sind es mit 8000 Quadratkilometern derzeit hundertmal so viel. Schätzungsweise 10 bis 15 Millionen Bäume sind bislang tödlich erkrankt. Die wirtschaftlichen Schäden übersteigen zwei Milliarden Euro – kein Olivenöl hat so viele Auszeichnungen wie das aus Apulien. Und dann das.
Xylella fastidiosa, auch Feuerbakterium genannt, nistet sich im Xylem, also dem Leitgewebe des Stamms, der Blattstiele und Blätter seiner Wirtspflanze ein. Eine Art Biofilm, der entsteht, behindert den Fluss von Wasser und Nährstoffen durch die Leitungsbahnen. Ein infizierter Baum verdurstet, weil über die Wurzeln kein Wassertransport mehr möglich ist. Infizierte Olivenbäume lassen sich durch deutliches Welken der Krone erkennen. Dabei verfärben sich die Blätter gelegentlich gelb, manchmal braun, rollen sich ein und vertrocknen schließlich. Oft bleiben die Blätter an den Zweigen hängen. Der Baum vertrocknet.
Xylella gilt als eines der gefährlichsten, Pflanzen befallenden Bakterien weltweit. Gefährlich vor allem wegen der großen wirtschaftlichen Schäden, die es anrichten kann. Xylella-Herde in anderen Varianten und mit wesentlich geringeren Auswirkungen auf den Olivenbestand sind seither auch in anderen italienischen Regionen, Frankreich, Spanien und Portugal aufgetreten. Und das Bakerium kann auch Zitrusfrüchten, Weinreben, Pfirsich-, Kirsch- und Mandelbäumen sowie Kaffeepflanzen gefährlich werden. Wissenschaftler der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) haben 563 Pflanzenarten ausgemacht, die dem Feuerbakterium als Wirt dienen können.
Die Unterart, Xylella fastidiosa pauca, die im Salento grassiert, war bis vor zehn Jahren nur auf dem amerikanischen Kontinent bekannt. Vermutlich ist sie über eine Kaffeepflanze aus Costa Rica über den Rotterdamer Hafen nach Apulien eingeführt worden. Um sich verbreiten zu können, nutzt das Bakterium pflanzensaftsaugende Insekten als Vektoren. In Apulien ist es die Wiesenschaumzikade Philaenus spumarius, die beim Saugen am Olivenbaum das Bakterium hinterlässt. Die italienische Bezeichnung »Sputacchina« – in Anlehnung an das Wort sputo für Spucke – kommt nicht von ungefähr: Die Eier der Zikade werden mit ordentlich Schaum umhüllt.
Seither kämpfen die Olivenbauern um das Überleben ihrer Heimat und ihres wichtigen Wirtschaftszweiges. Die einschneidendste Maßnahme: Das Fällen nicht mehr zu rettender Bäume. Nicht alle waren von Anfang an von diesem drastischen Vorgehen überzeugt, so wie es eine von der EU vorgesehene Rodungsvorschrift vorsieht, um die Ausbreitung des Bakteriums einzudämmen. Mittlerweile werden Spürhunde eingesetzt, um beim Zoll und in Gewächshäusern den Schädling aufzuspüren. Zum Schutz gesunder Bäume wurden Eindämmungs- und Pufferzonen – wo die Krankheit zwar ausgebrochen ist, die Bäume aber zum Teil noch vital sind – errichtet.
Mittlerweile hat man verschiedene Ideen und Strategien entwickelt, um dem Bäumesterben Einhalt zu gebieten. Ein Therapieansatz ist etwa die rechtzeitige Verabreichung einer »immunstärkenden« bioaktiven kommerziellen Infusionslösung bei Bäumen, die zwar infiziert, aber noch nicht vertrocknet sind. Die Lösung, bestehend aus Kupfer, Zink und unter anderem Zitronensäure, wird über eine 3D-gedruckte Nadel aufwändigst in die Hauptadern der Bäume gelegt. Dadurch werde das Xylem peu à peu freier, heißt es auf der Website des Herstellerunternehmens, ein amerikanisches Start-up namens Invaio, das sich weltweit auf ökologische Schädlingsbekämpfung und nachhaltige Landwirtschaft spezialisiert hat. Man könnte die Infusionen auch als weiterentwickelte Pfropfung bezeichnen.
Rund 20.000 Bäume wurden damit bereits behandelt. Die Ergebnisse können mehr als nur ein Hoffnungsschimmer gewertet werden: Auch wenn der Pflanzenschädling durch mit Infusionen nicht eliminiert wird, werden die »Krankheitssymptome« gelindert. Zweige wachsen wieder, tragen symptomfreie Blätter und bringen eine reiche Olivenernte.
Zudem versuchen die Bauern nun, mit einer angepassten Bodenbewirtschaftung den Vektor einzudämmen. Will heißen: Wenn zwischen März und April die Larven aus den Zikadeneiern schlüpfen, wird der Boden gepflügt. Damit sterben die Larven ab.
Ein weiterer Ansatz ist die Neubepflanzung mit widerstandsfähigeren Olivenbaumsorten. Neuzüchtungen können sich zwar immer noch mit Xylella infizieren, aber nicht daran zugrundegehen. Auch die Abkehr von Monokulturen und stattdessen im Sinne der Biodiversität wieder mehr alte heimische Fruchtsorten wie Quittenäpfel oder Mandeln anzubauen, wäre mehr als eine Überlegung wert.