»Ohne die Apotheken wäre vieles nicht gegangen« |
»Wir sind nicht die Melkkuh für Sparmaßnahmen«, kommentierte Ursula Funke die durchgesickerten Sparpläne aus dem Bundesgesundheitsministerium. (Hier bei einer früheren in Präsenz abgehaltenen Delegiertenversammlung) / Foto: PZ
Ein nicht abgestimmter Entwurf für ein mögliches GKV-Finanzstabilisierungsgesetz hat vergangene Woche die Apothekerschaft in Aufruhr versetzt. »Mit der Idee der Erhöhung des Kassenabschlags und gleichzeitiger Absenkung der Mehrwertsteuer auf Arzneimittel wären wir doppelt gekniffen. Wenn man genau rechnet, gingen den Apotheken so 38 Cent pro RX-Packung verlustig. Wir sind nicht die Melkkuh für Sparmaßnahmen«, sagte Hessens Kammerpräsident Funke in der digital abgehaltenen Veranstaltung. Die flächendeckende Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln könne nur gewahrt werden, wenn die Apotheken mit angemessen vergüteten pharmazeutischen Aufgaben quasi ihr Fundament erwirtschaften können. »Das muss der Politik auch etwas wert sein.«
Genauso sieht das ABDA-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening, die der Kammerversammlung zugeschaltet war. Bundesgesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach (SPD) müsse sich fragen lassen, »wie viel ihm an einer guten Gesundheitsversorgung der Menschen liegt. Noch gehen wir davon aus, dass er ehrlich daran interessiert ist und dass er nicht als männliche Reinkarnation von Ulla Schmidt den Gesundheitsmarkt in einen Schnäppchenmarkt verwandeln will«. Der durchgesickerte Entwurf sei zwar wieder zurückgezogen worden, das bedeute aber keinesfalls Entwarnung. »Es bedeutet, dass der Referentenentwurf für GKV-Sparmaßnahmen noch nicht da ist. Wir werden unsere Forderungen laut und geschlossen vertreten – aber auch sensibel und klug, angesichts der derzeitigen desolaten Finanzlage der gesetzlichen Krankenversicherung.« Die chronische Unterversorgung der Apotheken in ihrem Kerngeschäft sei das Ergebnis »von jahrelangem Abkoppeln der Apotheke von der Lohnentwicklung in diesem Land«.
Nur mit ordnungspolitischer Stabilität und auch wirtschaftlich akzeptablen Rahmenbedingungen sind Maßnahmen wie die Pandemiebewältigung überhaupt möglich. Funke: »Ja, wir haben zusätzlich Geld verdient. Aber wir haben auch zusätzlich viel geleistet. Wir haben zu Anfang im Zwei-Schicht-Betrieb gearbeitet, um die Versorgung zu gewährleisten. Wir haben es geschafft, dass fast alle Apotheken durchgängig am Netz waren. Wir haben keine Hygienezulagen bekommen. Wir haben den Botendienst gestemmt, er erweist sich bei den gestiegenen Spritpreisen als sehr kostenintensiv, die einmalige Pauschale war eher wie ein Tropfen auf dem heißen Stein. Wir haben nicht lamentiert, wir haben es einfach gemacht. Unsere Mitarbeiter sind mit vielen Überstunden bis an die Grenzen ihrer Belastungsfähigkeit gegangen. Die Herstellung von Desinfektionsmitteln, FFP2-Masken-Verteilung, Impf- und Genesenenzertifikate, Impfungen: Vieles wäre nicht gegangen, wenn die Apotheken nicht so zuverlässig mitgezogen hätten. Wir haben gezeigt, dass man sich auf die Apotheken verlassen kann. Jetzt darf uns die Politik nicht das Wasser abgraben. Die Pandemie ist nicht vorüber. Die nächste Krise kommt bestimmt. Jetzt erwarten wir von der Politik Wertschätzung und Verlässlichkeit.«
Das Verhältnis zu der Ärzteschaft sehen sowohl Funke als auch Overwiening als belastet an. Grund für die deutlichen Misstöne: die Covid-Impfungen in Apotheken. Dabei hat die Apothekerschaft dies nicht aktiv gefordert, wie beide betonten. »Die Impfungen in Apotheken finden statt, nicht weil man den Ärzten etwas abspenstig machen wollte, sondern weil der Auftrag zu einem niederschwelligen Angebot aktiv von der Politik kam.« Funke betonte die Rückendeckung von Staatsminister Kai Klose (Grüne) in Hessen bezüglich der Impfallianz. Im Übrigen seien die Apotheker die einzige der drei im Gesetz genannten Berufsgruppen, die »die Covid-Impfungen in der Kürze der Zeit auf die Beine gestellt haben«. Forderungen, den Impfauftrag auch an PTA delegieren zu dürfen, seien kontraproduktiv.
Das im Gegensatz von den Ärzten geforderte Dispensierrecht im Notdienst dürfe man laut Funke nicht verharmlosen. Schließlich stehe die Notfallversorgung im Koalitionsvertrag. Nach wie vor hoffe sie darauf, zusammen mit den Ärzten ein gemeinsames Konzept zur Notfallversorgung erarbeiten zu können. »Und zwar unter der Prämisse, was für den Patienten das Optimum ist: Zum einen für den Patienten, der in die Notarztpraxis kommt, zum anderen für den Patienten, der die Notdienst-Apotheke aufsucht.«
Auch in Sachen Plattformen für Lieferdienste, Umgehung der Verschreibungsverordnung und Plattformen für Arztbesuche, in deren Verlauf das E-Rezept in den Shop entsprechender Versandapotheken wandere, bedürfe es Funke zufolge der engeren Zusammenarbeit mit der Ärzteschaft. »Wir müssen zusammen als Heilberufler im Sinne des Verbraucherschutzes, der Patientensicherheit und für einen persönliche Versorgung vor Ort einstehen.« Sie habe die Hoffnung, dass dadurch der Druck von unten in Richtung Kassenärztliche Vereinigung und Bundesärztekammer größer wird.