Nutzen und Risiko des Fastens |
Theo Dingermann |
27.08.2024 12:30 Uhr |
Die Darmschleimhaut erneuert sich dank vieler aktiver Stammzellen alle fünf bis zehn Tage vollständig. / Foto: Getty Images/ Science Photo Library/ Choksawatdikorn
Kalorienarme Diäten oder intermittierendes Fasten haben nachweislich zahlreiche gesundheitliche Vorteile. Weniger Aufmerksamkeit in der öffentlichen Wahrnehmung erhielt bisher das Fastenbrechen. Zu Unrecht, wie eine Arbeit um ein Autorenteam um Dr. Shinya Imada und Dr. Saleh Khawaled vom Department of Biology am David H. Koch Institute for Integrative Cancer Research MIT in Cambridge, USA, jetzt zeigt, die im Wissenschaftsjournal »Nature« erschien.
In früheren Arbeiten hatten die Forschenden ihren Fokus auf die Stammzellen im Darm gelegt, die eine wichtige Rolle in diesem stark beanspruchten Organ spielen. Darmstammzellen gehören zu den sich am aktivsten teilenden Zellen im Körper, die dazu beitragen, dass sich die Darmschleimhaut alle fünf bis zehn Tage vollständig erneuert.
So hatten die Forschenden gezeigt, dass Fasten seine positive Wirkung unter anderem dadurch entfaltet, dass es die Regenerationsfähigkeit von Darmstammzellen steigert. Aber ist es wirklich das Fasten, das die Regeneration antreibt? Oder wird der Effekt durch die Wiederaufnahme von Nahrung nach dem Fasten induziert?
Die Antwort auf diese Frage wird in der jetzt publizierten Studie gegeben. In Mausmodellen konnten die Forschenden zeigen, dass die Stammzellregeneration während des Fastens tatsächlich unterdrückt wird. Erst nach Wiederaufnahme von Nahrung wird die Stammzell-Regeneration induziert.
Zu diesem Ergebnis kamen die Forschenden nach der Analyse von drei Gruppen unterschiedlich behandelter Mäuse. Die erste Gruppe fastete 24 Stunden lang. Die zweite Gruppe durfte dann nach 24 Stunden Fasten über einen Zeitraum von ebenfalls 24 Stunden ohne Einschränkungen wieder essen, während die dritte Gruppe als Kontrollgruppe diente und über den gesamten Zeitraum des Experiments essen konnte.
Die höchste Proliferationsrate der Darmstammzellen wurde 24 Stunden nach Beginn des Fastenbrechens beobachtet. Diese Zellen waren auch teilungsaktiver als Darmstammzellen von Mäusen, die überhaupt nicht gefastet hatten.
Die Regeneration wird vor allem durch die Aktivierung des mTOR-Signalweg vorangetrieben, von dem gut bekannt ist, dass er maßgeblich an Zellwachstum und Stoffwechsel beteiligt ist. Dies geschieht in erster Linie durch die Aktivierung der Translation von Messenger-RNA im Rahmen der Proteinbiosynthese.
Die Proteinsynthese ist für die Vermehrung von Stammzellen unerlässlich. Dabei spielen unter anderem Polyamine eine wichtige Rolle. Stehen nicht ausreichend Polyamine zur Verfügung, hindert dies die Regeneration der Darmstammzellen.
Die Forschenden konnten allerdings auch zeigen, dass Stammzellen in dem hochgradig regenerativen Zustand des Fastenbrechens anfälliger für Krebs sind. So ergibt sich aus der verstärkten Proliferations- und Differenzierungsaktivität auch die Gefahr, dass Tumorzellen im Dünndarm und Dickdarm entstehen.
Denn Mäuse entwickelten nach einer Fastenperiode viel eher präkanzeröse Polypen. Vor allem der sporadische Verlust des Tumorsuppressorgens Apc während der verstärkten Proliferation der Darmstammzellen führt zu einer höheren Inzidenz von Tumoren.
Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass ein Fastenbrechen zwar eine regenerative Reaktion stimuliert, aber auch das Krebsrisiko erhöht, wenn es während der gesteigerten Proliferation der Zellen zu Mutationen kommt. Krebsinduzierende Mutationen, die während der Wiederaufnahme von Nahrung auftraten, führten auch viel eher zur Bildung von Polypen als Mutationen, die bei Mäusen auftraten, nicht gefastet hatten.
Somit unterstreicht die Studie die Ambivalenz diätetischer Interventionen und betont die Notwendigkeit einer sorgfältigen Planung diätbasierter Strategien zur Geweberegeneration, um ein erhöhtes Krebsrisiko zu vermeiden. Vor allem sollte die Phase der Wiederaufnahme von Nahrung nach einer Fastenperiode nicht zu abrupt erfolgen.
»Ich möchte betonen, dass dies alles an Mäusen mit sehr gut definierten Krebsmutationen durchgeführt wurde. Beim Menschen wird die Situation viel komplexer sein«, sagt Associate Professor und Seniorautor Dr. Omer Yilmaz. Sein vorläufiges Fazit aus der Studie: »Fasten ist sehr gesund, aber wenn man Pech hat und nach dem Fasten wieder Nahrung zu sich nimmt und dabei einem Mutagen ausgesetzt ist, wie etwa einem verkohlten Steak oder ähnlichem, erhöht sich möglicherweise das Risiko, eine Läsion zu entwickeln, aus der sich Krebs entwickeln kann.«
Yilmaz wies auch darauf hin, dass die regenerativen Vorteile des Fastens für Menschen von Bedeutung sein könnten, die sich einer Strahlenbehandlung unterziehen, die die Darmschleimhaut schädigen kann, oder bei anderen Arten von Darmverletzungen. Seine Arbeitsgruppe untersucht nun auch, ob Polyamine als Nahrungsergänzungsmittel beitragen könnten, die Regeneration der Darmschleimhaut zu stimulieren, ohne das gefastet werden muss.