Nur wenige Alzheimer-Patienten für Lecanemab geeignet |
Annette Rößler |
15.11.2024 12:54 Uhr |
ARIA können sich in Form von Schwellungen (ARIA-E) oder kleinen Blutungen (ARIA-H) des Gehirns manifestieren. Vor und während der Therapie mit Lecanemab müssen die Patienten per Hirnscan untersucht werden, um das individuelle Risiko für diese Nebenwirkung abzuschätzen. Die Einnahme von blutverdünnenden Medikamenten erhöht das Risiko für ARIA-H zusätzlich. Eine medikamentöse Antikoagulation stelle daher laut EMA-Empfehlung eine Kontraindikation für eine Therapie mit Lecanemab dar, wie die Hirnstiftung betont.
»Rund eine Million Menschen in Deutschland nehmen regelmäßig Blutverdünner ein, die meisten von ihnen sind älter«, erklärt die Präsidentin der Hirnstiftung und Alzheimer-Expertin Professor Dr. Kathrin Reetz. »Es liegt also auf der Hand, dass viele Alzheimer-Betroffene die neue Therapie aus Sicherheitsgründen nicht erhalten dürfen.«
Die Alzheimer Forschung Initiative weist ebenfalls in einer Pressemitteilung auf eine weitere mögliche Einschränkung hin: Es sei bisher unklar, ob und wie sehr Frauen von einer Leqembi-Behandlung profitieren. Die entsprechende Information versteckt sich im Appendix der Publikation der zulassungsrelevanten Phase-III-Studie im »New England Journal of Medicine« aus dem Jahr 2022 (DOI: 10.1056/NEJMoa2212948). Demnach verlangsamte sich der Krankheitsverlauf unter Lecanemab-Therapie bei Männern durchschnittlich um 43 Prozent, bei Frauen aber nur um 12 Prozent. »In weiteren Studien muss deshalb dringend erforscht werden, ob dieser Unterschied Bestand hat und was die Gründe dafür sind«, so die Alzheimer Forschung Initiative. Rund zwei Drittel aller Menschen mit Alzheimer seien Frauen.
Insgesamt kämen für eine Therapie mit Lecanemab wohl nur 5 bis 10 Prozent der Alzheimer-Patienten infrage. Diese Zahl nannte Professor Dr. Stefan Teipel, Leiter der Forschungsgruppe Klinische Demenzforschung am Deutschen Zentrum für neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) in Rostock/Greifswald, in einem Pressebriefing des Science Media Center Deutschland. Bei 250.000 inzidenten Fällen in Deutschland pro Jahr wären das 12.500 bis 25.000 Patienten. Allerdings sei Lecanemab in den USA im ersten Jahr nach der Zulassung nur sehr zurückhaltend eingesetzt worden, nämlich nur bei 3500 Patienten. »Heruntergerechnet auf Deutschland würde das etwa 800 Patienten pro Jahr entsprechen«, sagte Teipel.