| Theo Dingermann |
| 30.12.2025 18:00 Uhr |
Die Nebenwirkungsprofile der THC-haltigen Präparate geben allerdings Anlass zur Besorgnis und müssen bei jeder therapeutischen Entscheidung sorgfältig gegen die moderate Schmerzreduktion abgewogen werden.
Bei hochdosierten THC-Produkten trat Schwindel bei 33,4 Prozent der Patienten auf, verglichen mit 14,6 Prozent unter Placebo, was einem relativen Risiko (RR) von 2,30 entspricht. Sedierung wurde bei 24,2 Prozent der mit THC behandelten Patienten beobachtet gegenüber 15,6 Prozent in der Placebogruppe (RR: 1,57). Übelkeit trat mehr als doppelt so häufig in der Verumgruppe auf (12,2 Prozent versus 6,1Prozent; RR: 2,12). Besonders bedeutsam ist die nahezu verdoppelte Rate an Studienabbrüchen aufgrund von Nebenwirkungen bei THC-haltigen Produkten (14,0 Prozent versus 6,5 Prozent; RR 1,92).
Nabiximols zeigte ein noch ungünstigeres Nebenwirkungsprofil mit einem 3,57-fach erhöhten Risiko für Schwindel (31,0 Prozent versus 8,0 Prozent unter Placebo) und einem 5,04-fach erhöhten Risiko für Sedierung (8,0 Prozent versus 1,2 Prozent). Diese Zahlen verdeutlichen, dass nahezu jeder dritte Patient unter einer THC-haltigen Therapie mit Schwindel und etwa jeder vierte mit Sedierung zu rechnen hat, Nebenwirkungen, die insbesondere bei älteren Patienten, Personen mit Sturzrisiko oder Patienten, die Maschinen bedienen oder am Straßenverkehr teilnehmen, Sicherheitsbedenken aufwerfen.
Ein begleitender Editorial-Kommentar von Dr. Ziva Cooper vom Center for Cannabis and Cannabinoids der University of California in Los Angeles, USA, ordnet diese Befunde vor dem Hintergrund einer regulatorischen und klinischen Diskrepanz ein: Obwohl 39 US-Bundesstaaten und Washington D.C. medizinisches Cannabis legalisiert haben und chronische Schmerzen den häufigsten Grund für dessen medizinische Anwendung darstellen, hat bislang kein einziges Cannabis-Produkt die Zulassungsstandards der US-amerikanischen Arzneimittelbehörde FDA für die Indikation chronischer Schmerz erfüllt. Die Cannabisnutzung erfolgt somit weitgehend außerhalb etablierter evidenzbasierter medizinischer Rahmenbedingungen, was erhebliche Herausforderungen für die Patientensicherheit und die klinische Versorgungsqualität mit sich bringt.
Die Editorial-Autorin würdigt die systematische Übersichtsarbeit als die bisher methodisch rigoroseste Aufarbeitung der Evidenzlage und hebt vier essenzielle Variablen hervor, die für eine angemessene Beurteilung cannabisbasierter Schmerztherapien berücksichtigt werden müssen:
Die Expertin bestätigt, dass THC-haltige Präparate zwar eine statistisch signifikante Schmerzreduktion bewirken können, diese Effekte jedoch durch die begleitenden Nebenwirkungen erheblich relativiert werden.
Zusammenfassend belegt die Übersichtsarbeit, dass bestimmte pharmazeutische Cannabinoid-Präparate, insbesondere Nabilon und Nabiximols, kurzfristige Schmerzlinderungen bei neuropathischen Schmerzen bewirken können. Diese Effekte fallen jedoch gering bis moderat aus und gehen mit erheblichen Nebenwirkungen einher. Die Evidenz stützt die weit verbreitete Anwendung von CBD zur Schmerzbehandlung nicht.
Kritische Evidenzlücken bestehen hinsichtlich Langzeitsicherheit, der Übertragbarkeit auf pflanzliche Präparationen und der Anwendbarkeit auf nicht-neuropathische Schmerzerkrankungen.