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Neue Leitlinie warnt

NSAR und Corticoide erhöhen Divertikulitis-Risiko

Divertikel sind Ausstülpungen der Darmwand, die sich entzünden können. Erstmals gibt es nun eine S3-Leitlinie mit weitreichenden Empfehlungen zu Diagnose und Behandlung der entzündlichen Darmerkrankung. Wichtig ist, auf einen gesunden Lebensstil und den Medikamentengebrauch zu achten.
Christiane Berg
17.12.2021  11:00 Uhr

Jeder dritte bis zweite Deutsche, so Schätzungen, ist im Laufe seines Lebens von Divertikeln, also erworbenen Ausstülpungen der Mukosa und Submukosa insbesondere im Dickdarm betroffen. Diese bedeuten per se keine Gefahr. Erst, wenn sie sich entzünden, müssen sie therapiert werden, wobei eine unkomplizierte Divertikulitis im Regelfall nicht als Indikation für eine Operation betrachtet wird.

Anders kann sich dies bei komplizierten und wiederkehrenden Verläufen darstellen. Pathologisch liegen hier oftmals inflammatorische Prozesse zugrunde, die, ausgehend von den Divertikeln im Kolon, auf die Darmwand übergreifen und mit Blutungen sowie Abszessen und/oder Fisteln, Perforationen, Stenosierungen und auch divertikulitischen Tumoren einhergehen können. »Betroffene profitieren in diesen Fällen von einer Entfernung des erkrankten Darmabschnitts und erhalten einen großen Teil Lebensqualität zurück«, unterstreicht Professor Dr. Christoph-Thomas Germer, Würzburg, in einem Statement der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) anlässlich der Veröffentlichung der ersten S3-Leitlinie Divertikelkrankheit/Divertikulitis. Die Mehrheit der Divertikulitiden verlaufe jedoch unkompliziert und mild und könne, bei entsprechender Betreuungsintensität, ambulant versorgt werden.

Kolondivertikel sind besonders anfällig für entzündliche Veränderungen unter anderem durch Druckgeschwüre und mechanische Irritationen infolge der prolabierten Schleimhäute sowie Infektionen durch keimbelastete Stühle. Ziel der Pharmakotherapie ist die Verbesserung von Symptomen und hier insbesondere der Schmerzen. Gemäß der neuen S3-Leitlinie kann zur Behandlung akuter Episoden der unkomplizierten Divertikelkrankheit Mesazalin erwogen werden, wobei das in der Therapie von Morbus Crohn und Colitis ulcerosa eingesetzte Amin-Derivat der Salicylsäure in Deutschland für diese Indikation nicht zugelassen ist.

Bei der komplizierten Divertikulitis sollte eine Antibiotikatherapie durchgeführt werden, wobei die Auswahl und der Administrationsmodus dieser Therapie der individuellen ärztlichen Entscheidung bedürfe, die den Allgemeinzustand und das Risikoprofil des Patienten sowie die lokale Resistenzlage berücksichtigt.

Richtiger Lebensstil reduziert Häufigkeit um 50 Prozent

Als typische Symptome der Divertikulitis gelten akut einsetzende, lokalisierte, zunehmende Schmerzen im linken Unterbauch in Verbindung mit Temperaturerhöhung (>37,6 bis 38°C) und pathologisch erhöhten Entzündungsparametern (CRP > 5mg/100ml, Leukozytose > 10-12000/µl). Neben Bauchschmerzen kann es zu Blähungen, Stuhlgangveränderungen, Durchfall und Verstopfung kommen. Die Symptome können gemeinsam und einzeln auftreten.

Die exakte Diagnose und Klassifikation der Divertikelkrankheit ist die Grundlage einer angemessenen Therapie und gleichzeitig Voraussetzung, um unzureichende oder überschießende therapeutische Optionen zu vermeiden, unterstreichen die Leitlinienautoren. Dies erscheine trivial, sei aber praktisch bedeutsam auch mit Blick auf die Prävention.

So sei zur Prophylaxe einer Divertikelkrankheit der Erhalt des Normgewichts sowie zudem körperliche Aktivität in Form regelmäßigen Walkings, Fahrradfahrens oder Joggens (mindestens 30 bis 60 Minuten pro Tag) angezeigt. Ein entsprechender Lebensstil könne das Risiko einer Divertikulitis um bis zu 50 Prozent reduzieren.

Vorsicht bei Schmerzmitteln, Corticoiden und Hormonen

Besonders wichtig für das Apotheker-Arzt- beziehungsweise Apotheker-Patienten-Gespräch ist folgende als »neu« markierte Empfehlung (Empfehlungsgrad A, starker Konsens) der Leitlinienautoren: Die Einnahme von nicht steroidalen Antirheumatika (NSAR, NSAID), Corticosteroiden, Opioiden und einer postmenopausalen Hormonsubstitution sei demnach mit einem erhöhten Risiko für das Auftreten einer Divertikelkrankheit, einer Divertikulitis oder einer komplizierten Divertikulitis assoziiert. Dies gelte jedoch nicht für Acetylsalicylsäure (ASS) und Coxibe. »Die Risiko-Assoziation für Paracetamol bezieht sich vor allen Dingen auf Divertikelblutungen«, heißt es in der Leitlinie. »Vor dem Hintergrund dieses Risikos sollen die entsprechenden Medikamente nur nach sorgfältiger Nutzen-Risiko-Abwägung verabreicht werden.«

Litten bisher vor allem ältere Menschen unter einer Divertikulitis, nimmt die Prävalenz laut Leitlinie auch in jüngeren Bevölkerungsgruppen, also unter 50 Jahren, zu. Die Gründe hierfür lägen vor allem im westlichen Lebensstil mit mangelnder Bewegung, Adipositas/Übergewicht sowie einem übermäßigen Konsum von Alkohol, Nikotin und rotem Fleisch bei gleichzeitig ballaststoffarmer Ernährung. Auch Komorbiditäten wie Schilddrüsenunterfunktion, Diabetes mellitus oder arterieller Bluthochdruck sollten als Risikofaktoren für die Entstehung einer Divertikelkrankheit/Divertikulitis diagnostisch und therapeutisch mit berücksichtigt werden.

Die Abgrenzung zu funktionellen Magendarmerkrankungen sowie anderen definierten Entitäten wie mikrobielle Enteritis, kolorektales Karzinom, CED oder Reizdarmsyndrom gilt als unabdingbar. Bei der Divertikulitis jüngerer Patienten überwiegen Männer, während bei Patienten ab 50 Jahren das weibliche Geschlecht dominiert. Leitliniengemäß sollten bei Frauen differentialdiagnostisch zudem unter anderem Endometriosen, Ovarialzysten oder Eileiterschwangerschaften ausgeschlossen werden. Ultraschall und CT könnten unumgänglich werden.

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