Pharmazeutische Zeitung online
Erste Hilfe

Notfälle in der Apotheke

Ein Zusammenbruch vor oder in der Apotheke, ein Asthmaanfall, blutende Wunden oder ein verblitztes Auge: Akute Notfallsituationen sind Herausforderungen für das Apothekenpersonal, auf die es sich vorzubereiten lohnt.
Barbara Staufenbiel
20.07.2023  11:00 Uhr

Akute Notfälle hat wohl jedes Apothekenteam schon erlebt. Es kommen auch Patienten mit der Bitte um Unterstützung, die sich nicht bewusst sind, dass sie notfallmedizinisch versorgt werden müssen. Muss der Notarzt gerufen werden, sind wichtige Informationen anzugeben:

  • Was ist geschehen?
  • Wie viele Betroffene sind zu versorgen?
  • Welche Art von Verletzungen haben die Betroffenen?

Unerlässlich ist es, auf mögliche Rückfragen der Rettungsstelle zu warten und diese möglichst exakt zu beantworten.

Anhand von Fallbeispielen werden in diesem Titelbeitrag verschiedene Notfallsituationen, mögliche Hintergründe und Erste-Hilfe-Maßnahmen vorgestellt.

Akute Bewusstseinsstörung

Aufgeregt berichtet ein junger Mann von einer Frau, die wenige Schritte vor der Apotheke auf dem Bürgersteig zusammengebrochen liegt. Es ist schwer einzuschätzen, was mit ihr los ist. Der Notarzt wird gerufen. Da die Atmung gewährleistet ist, wird die Frau in die stabile Seitenlage gebracht.

Bei Bewusstlosigkeit muss zunächst geprüft werden, ob Atemgeräusche zu hören und Brustkorbbewegungen zu sehen sind. Anderenfalls besteht die Gefahr eines Herz-Kreislauf-Stillstands, der Reanimationsmaßnahmen erforderlich macht (Kasten).

Die Ursachen einer Bewusstseinsstörung können vielfältig sein. Steigen die Außentemperaturen, können Dehydrierung, Sonnenstich oder Hitzschlag einen Zusammenbruch (Kollaps) bedingen. Bei 1 bis 2 Prozent zu wenig Körperflüssigkeit können sich Kopfschmerzen, Müdigkeit, Konzentrationsstörungen und Schwindel zeigen; dies muss zeitnah durch ausreichendes Trinken ausgeglichen werden. Kritische Symptome sind Verwirrtheit, Herzrasen oder Muskelkrämpfe: Der Notarzt ist zu rufen.

Ein Sonnenstich äußert sich durch lokale Überhitzung des Kopfes mit Kopfschmerzen und einem eher kühlen Körper sowie Schwindel, Übelkeit oder Erbrechen. Symptome eines Hitzschlags sind hohe Körpertemperatur über 40 °C, schneller Herzschlag, niedriger Blutdruck, rote trockene Haut ohne Schweiß, Übelkeit, Erbrechen und Krämpfe bis hin zum Koma. Hohe Außentemperaturen erhöhen das Mortalitätsrisiko vor allem bei Älteren, Pflegebedürftigen, Menschen mit Übergewicht und/oder chronischen Erkrankungen sowie Säuglingen und Kleinkindern.

Ist der Patient ansprechbar, sollte er in aufrechter Position Flüssigkeit bekommen. Bei einem Verdacht auf einen Hitzeschaden sind schnellstmöglich Kühlungsmaßnahmen erforderlich (Schatten, Kühlpacks, mit temperiertem Wasser übergießen, Luft zufächeln). Der Notarzt versorgt den Patienten mit parenteraler Rehydrierung, verabreicht bei zerebralen Krämpfen Benzodiazepine und veranlasst die stationäre Einweisung.

Hat die Person in unserem Fallbeispiel lange Zeit gestanden, starke Schmerzen, Stress oder seelische Probleme, kann das vegetative Nervensystem mit einem plötzlichen Abfall von Blutdruck und Puls reagieren. Man spricht von einer Synkope: Das Risiko, kurzzeitig bewusstlos zu sein und umzufallen, ist erhöht. Im Liegen verbessert sich die Durchblutung des Kopfes, sodass die Betroffenen meist schnell wieder zu sich kommen. Unterstützend wirkt das Hochlagern der Beine. Bleibt der Patient nicht ansprechbar oder besteht Verdacht auf Herzinfarkt oder Schlaganfall, ist der Notarzt zu rufen und eventuell sind Reanimationsmaßnahmen einzuleiten (Kasten). Kommt die Person wieder zu sich, soll sie viel Flüssigkeit trinken. Eine Synkope sollte man immer differenzialdiagnostisch abklären (lassen).

Nicht zuletzt ist auch an Personen zu denken, die unregelmäßig essen und trinken (Fasten, Essstörungen, Ramadan). Das Risiko für eine Dehydrierung ist hoch und der Stoffwechsel kann entgleisen, besonders bei älteren Menschen mit Grunderkrankungen wie Herz-Kreislauf-Leiden oder Diabetes. Ist die Person bei Bewusstsein, helfen Traubenzucker und ein Glas Wasser schnell wieder auf die Beine. Blutdruck und Blutzucker sollten kontrolliert werden.

Was tun bei Unterzuckerung?

Eine Bewusstseinsstörung kann auch durch Unterzuckerung ausgelöst werden – nicht nur für Menschen mit Diabetes ein Problem (Tabelle 1). Typische Symptome einer Hypoglykämie sind vor allem Herzklopfen, Zittern, Unruhe und kalter Schweiß durch die Sympathikus-Aktivierung. Bei sehr niedrigen Werten kommen Sprachstörungen, Verwirrtheit und Bewusstseinstrübung hinzu.

Laut Leitlinie der Deutschen Diabetes Gesellschaft sind Nüchternblutzuckerwerte von 60 bis 100 mg/dl (3,3 bis 5,6 mmol/l) normal. Unterzucker entsteht, wenn zu wenig Glucose (Nahrung) aufgenommen oder zu viel verbraucht (körperliche Betätigung) wird; die Beschwerden sind individuell unterschiedlich. Gefährdet sind insbesondere Patienten, die Insulin spritzen. Die regelmäßige Blutzuckermessung wirkt vorbeugend. Medikamente (Sulfonylharnstoffe, Glinide) provozieren bei Einnahmefehlern eine Unterzuckerung. Höheres Alter und eingeschränkte Nierenfunktion sind weitere Risikofaktoren. Eine Polyneuropathie oder Arzneimittel wie Betablocker können die Symptome einer Hypoglykämie verschleiern.

Notfallsituation Ursachen und Symptome Erste-Hilfe-Maßnahmen
akute Störung des Bewusstseins ansprechbar / gestörtes Bewusstsein und nicht ansprechbar, Atmung funktioniert / gestörtes Bewusstsein, fehlende Atmung aufrechter Sitz oder Schocklage mit erhöhten Beinen / stabile Seitenlage / Reanimation
Dehydrierung Schwindel, Verwirrtheit, Herzrasen oder Muskelkrämpfe Rehydrierung
Sonnenstich Überhitzung des Kopfes, Kopfschmerzen, roter, heißer Kopf, kühler Körper, Schwindel, Übelkeit, Erbrechen Kühlungsmaßnahmen, Flüssigkeit
Hitzschlag hohe Körpertemperatur >40 °C, schneller Herzschlag, niedriger Blutdruck, rote trockene Haut ohne Schweiß, Übelkeit, Erbrechen, Krämpfe Kühlungsmaßnahmen, Flüssigkeit
Hypoglykämie Sympathikus-Aktivierung: Herzklopfen, Zittern, Unruhe, kalter Schweiß, Sprachstörungen, Verwirrtheit, Bewusstseinstrübung Blutzuckermessung, Traubenzucker, Glucagen® Hypokit, Baqsimi®
Synkope vegetatives Nervensystem: plötzlicher Abfall von Blutdruck und Puls Schocklage zur verbesserten Durchblutung des Kopfs, Flüssigkeit
Fasten Stoffwechselentgleisung Traubenzucker, Flüssigkeit, Kontrolle von Blutdruck und Blutzucker
Tabelle 1: Akute Bewusstseinsstörungen als Notfallsituation in der Apotheke; grundsätzlich gilt: Den Notarzt eher einmal zu viel als zu wenig rufen!

Bei Verdacht auf eine mögliche Unterzuckerung hilft bei leichteren Symptomen Traubenzucker; bei stärkeren Problemen kommt das Peptidhormon Glucagon in Notfallmedikamenten (Glucagen® Hypokit oder Baqsimi®) zum Einsatz. Diese dürfen nur von einem Arzt oder einer ärztlich geschulten Person (Angehörige) verabreicht werden. Das Apothekenpersonal sollte den Blutzucker messen, bei Bewusstseinsstörungen die Atmung prüfen, den Patienten in die stabile Seitenlage legen und den Notarzt rufen.

Glucagen-Hypokit enthält komprimiertes Glucagon-Pulver und Lösungsmittel zur Herstellung einer Injektionslösung. Ist das Glucagon vollständig aufgelöst, wird es subkutan oder intramuskulär in Oberarm oder -schenkel gespritzt. Deutlich einfacher zu handhaben ist das Glucagon-haltige Nasenspray Baqsimi: Nach der Applikation in ein Nasenloch wird der Wirkstoff über die gut durchblutete Nasenschleimhaut schnell aufgenommen. Tiefes Einatmen durch den Patienten ist nicht notwendig.

Glucagon ist der Gegenspieler von Insulin und fördert die Freisetzung von Glucose aus dem Glykogen der Leber: Der Blutzuckerspiegel steigt. Traubenzucker lässt den Blutzuckerspiegel schnell ansteigen, was die Ausschüttung von Insulin und damit wieder eine Blutzuckersenkung bewirkt. Zur Stabilisierung sollten die Patienten daher nach dem Traubenzucker noch eine kohlenhydrathaltige Mahlzeit essen. Darauf sollte das Apothekenteam hinweisen.

Verletzungen am Auge

Eine Mutter mit einem Kleinkind an der Hand bittet um Hilfe. Ihrem Kind ist gerade ein Insekt ins Auge geflogen. Das Auge tränt und ist bereits gerötet, das Kind hat Schmerzen.

Das Auge ist ein wichtiges, hoch empfindliches Sinnesorgan. Verletzungen im oder am Auge sind daher sehr ernst zu nehmen. Harmlose kleine Fremdkörper wie ein Insekt, ein Sandkorn oder eine Wimper, die auf die Bindehaut geraten, können meist problemlos entfernt werden. In der Regel tränt das Auge, um auf diese Weise den Fremdkörper wieder loszuwerden. Wichtig ist, auf keinen Fall zu reiben, sonst werden Horn- und Bindehaut gereizt und Entzündungen provoziert (Tabelle 2).

Befindet sich der Fremdkörper unter dem Unterlid, wird dieses leicht heruntergezogen, während der Patient nach oben schaut. Dann kann mit einem frischen Papiertaschentuch oder einem Wattestäbchen das Unterlid in Richtung Nasenwurzel gereinigt werden. Ist das Oberlid betroffen, schaut der Patient nach unten, das Oberlid wird hoch­geklappt und in Richtung Nasenwurzel vorsichtig gereinigt. Anschließend kann das Auge mit Euphrasia- oder Dexpanthenol-haltigen Augentropfen oder Tränenersatzmitteln befeuchtet und Reizungen beruhigt werden.

Halten die Beschwerden länger an, kommen Schmerzen und Sehstörungen hinzu oder kann der Fremdkörper nicht entfernt werden, sollte das Apothekenteam den Patienten umgehend zum Augenarzt schicken.

Bei einem Heimwerkerunfall können eine Glasscherbe oder Metall- oder Holzsplitter auf die Augenoberfläche oder in die nahe Umgebung des Auges geraten. Der Patient ist mit einem Augenverband zu versorgen und in die Augenklinik oder zum Augenarzt zu schicken. In schwierigen Fällen wird der Notdienst gerufen.

Reinigungsmittel oder Pfefferspray können schwere Reizungen oder Verätzungen des Auges zur Folge haben. Eine Erste-Hilfe-Maßnahme ist gutes Spülen des Auges mit Leitungswasser, bevor es in die augenärztliche Ambulanz geht.

Ursachen und Symptome Erste-Hilfe-Maßnahmen
Fremdkörper im Auge
Insekt, Staub, Wimper, tränende Augen Unterlid: leicht herunterziehen, die betroffene Person schaut nach oben, Unterlid in Richtung Nasenwurzel mit sauberem Tuch reinigen / Oberlid: Oberlid hochklappen, Patient schaut nach unten, vorsichtig in Richtung Nasenwurzel reinigen / Befeuchtung mit Euphrasia- oder Dexpanthenol-haltigen Augentropfen oder Tränenersatzmitteln
Glas-, Holz-, Metallsplitter, Schmerzen Auge abdecken, Augenarzt oder augenärztliche Ambulanz
Reinigungsmittel, Pfefferspray, tränende Augen, Schmerzen Augen spülen, Augenarzt
Keratokonjunktivitis photoelectrica
starke UV-Strahlung ohne Schutz beim Schweißen, Skifahren, am Meer, Schmerzen, tränende Augen Euphrasia- oder Dexpanthenol-haltige Augentropfen, Schmerzmittel, Tränenersatzmittel, Augen vor Licht schützen, Augenarzt
Tabelle 2: Verletzungen am Auge als Notfallsituation in der Apotheke¸ grundsätzlich gilt: Den Notarzt eher einmal zu viel als zu wenig rufen!

Von einer Keratokonjunktivitis photoelectrica (»verblitztes Auge«; Tabelle 2) spricht man, wenn das ungeschützte Auge starker UV-Strahlung beim Schweißen, Skifahren, am Meer oder in Solarien ausgesetzt war. Nach sechs bis acht Stunden sind Schmerzen und Ödeme spürbar und die Augen tränen. Bei starken Schmerzen oder Sehstörungen muss der Patient zum Augenarzt. Analgetika wie Ibuprofen und Diclofenac helfen gegen Schmerzen und Entzündung. Kühlung mittels Kompressen verringert Ödeme; Tränenersatzmittel und Dexpanthenol-haltige Augentropfen oder -salben lindern die Symptome.

Berichtet ein Patient von Sehstörungen und starken Kopfschmerzen, ist immer an den medizinischen Notfall Glaukomanfall zu denken.

Insektenstiche können zum Notfall werden

Ein Mann eilt in die Apotheke, er ist gerade von einer Wespe gestochen worden. Er hat eine Wespengiftallergie und sein Notfallset daheim vergessen.

Durch einen Insektenstich gelangen Fremdeiweiße in den Körper, der darauf mit einer Abwehrreaktion reagiert. Das sind meist lokale Quaddeln, entzündliche Rötungen und Juckreiz. Ein Teil der Menschen reagiert mit sehr starken Schwellungen und einer nicht infektiösen Lymphangitis oder es kommt bei zunächst harmlosen Stichen nach ein paar Tagen zu einer bakteriellen Superinfektion mit Überwärmung und Rötung: Die Gefahr einer Sepsis ist erhöht. Diese Patienten müssen notfallmedizinisch versorgt werden; gegebenenfalls ist oral ein Corticoid oder ein Antibiotikum indiziert.

Symptome Erste-Hilfe-Maßnahmen
lokale Quaddeln, Schwellung, entzündliche Rötungen begleitet von Juckreiz topische Antihistaminika (Dimetinden, Bamipin), Corticoid-haltige Topika, Kühlung
starke Schwellung, nicht infektiöse Lymphangitis oder bakterielle Superinfektion mit Überwärmung und Rötung Antibiotikum, Corticoid, Arzt
Bienen- oder Wespengiftallergie: anaphylaktischer Schock, Alarmsymptome: Juckreiz, Erythem, Flush, Atemnot, gastrointestinale Probleme, Blutdruckabfall, erhöhter Puls, Schwindel bis zur Bewusstlosigkeit Notfallset mit H1-Antihistaminikum, Corticoid, Adrenalin
Stich in den Mund-Rachen-Raum mit Schwellung Kühlung mit Eiswürfeln, kalte Halswickel, Notfallset mit H1-Antihistaminikum, Corticoid, Adrenalin
Tabelle 3: Insektenstiche als Notfallsituation in der Apotheke; grundsätzlich gilt: Den Notarzt eher einmal zu viel als zu wenig rufen!

Unauffällige Insektenstiche werden gekühlt oder mit einem Hitzestick behandelt (Tabelle 3). Topische Antihistaminika, zum Beispiel Dimetinden und Bamipin, wirken antiallergisch und juckreizstillend durch Blockade der Histamin-Wirkung. Corticoid-haltige Topika wirken antientzündlich.

Ein Insektengift-Allergiker sollte immer ein Notfallset (Kasten) mit sich führen, um einen anaphylaktischen Schock zu vermeiden. Dies ist eine lebensgefährliche IgE-vermittelte Allergie vom Soforttyp. Alarmsymptome sind Juckreiz, Erythem oder Flush. Es kann zu Atemnot, gastrointestinalen Problemen (Übelkeit, Durchfall), Blutdruckabfall, erhöhtem Puls und Schwindel bis zur Bewusstlosigkeit kommen. Steckt der Stachel noch in der Haut, rät das Deutsche Rote Kreuz, diesen mit dem Fingernagel wegzukratzen oder die Pinzette zu verwenden und die Stichstelle anschließend zu desinfizieren. Ein Herausziehen mit den Fingern birgt die Gefahr, dass restliches Gift in die Haut gedrückt wird.

Ist der Patient bei Bewusstsein, sollten seine Beine hochgelagert werden (Schocklage). Bei Atemnot und stabilem Kreislauf ist Hinsetzen ideal, bei Bewusstlosigkeit und funktionierender Atmung die stabile Seitenlage. Fehlt die Atmung, sind Reanimationsmaßnahmen einzuleiten. Der Notarzt muss gerufen werden.

Aus dem Notfallset sollte der Patient sofort das H1-Antihistaminikum und das Corticoid einnehmen. Bei Atemnot, Herz-Kreislauf-Beschwerden oder Schwellungen im Mund-Nasen-Bereich ist der Adrenalin-Injektor anzuwenden. Adrenalin aktiviert α- und β-Adrenorezeptoren; dies bewirkt eine Vasokonstriktion und Bronchodilatation, verringert die Gefäßpermeabilität und stabilisiert damit die Kreislauffunktion.

Bei einem Stich in Mund oder Rachen oder wenn die Schwellung die Atemwege zu verlegen droht, ist der Notarzt zu verständigen. Bis zu seinem Eintreffen gibt man dem Betroffenen Kühles zum Lutschen und legt kalte Halswickel an. Die vierfache Tagesdosis eines oralen H1-Antihistaminikums ist indiziert. Sollten Atem- und Herz-Kreislauf-Probleme akut werden, sind Corticoid und Adrenalin-Pen aus dem Notfallset anzuwenden. In der Apotheke sollte man sehr genau abwägen, ob man selbst ein Arzneimittel verabreicht oder bis zum Eintreffen des Notarztes warten kann (Kasten).

Kleinere Verletzungen mit möglichen Folgeschäden

Eine ältere Frau humpelt mit Rollator in die Apotheke und bittet darum, ihren Fuß neu zu verbinden. Ihr ist eine Tasse mit heißem Kaffee darauf gefallen. In der Beratungsecke wird der notdürftige Verband abgenommen. Der Fuß ist heiß und geschwollen, die Wundränder rötlich entzündet. Das ist ein Fall für den Arzt. Das Apothekenpersonal desinfiziert den Fuß und legt einen lockeren Verband an. Der Hausarzt wird informiert und die Frau mit dem Taxi dorthin gebracht.

Während eine Verbrennung durch trockene Hitze (Feuer, Sonne) verursacht wird, ist die Haut bei einer Verbrühung durch heiße Flüssigkeiten oder Dämpfe geschädigt. In beiden Fällen kommt es zur Denaturierung von Strukturproteinen und zur Aktivierung von Entzündungsmediatoren. Kleinere Schäden können ohne ärztliche Hilfe versorgt werden.

Die betroffene Stelle wird mit temperiertem (20 °C) Leitungswasser gekühlt, um weitere Hautschäden zu verhindern und Schmerzen zu lindern. Coolpads aus dem Kühlschrank schädigen aufgrund der niedrigen Temperatur das Gewebe. Anschließend wird desinfiziert und die Wunde zum Schutz vor Infektionen mit einem sterilen Verband oder Pflaster, bevorzugt mit Silberbeschichtung, locker abgedeckt. Bei stärkeren Schmerzen helfen Schmerzmittel wie Ibuprofen oder Paracetamol, altersgerecht dosiert und unter Beachtung der Kontraindikationen. Brandblasen sollten nicht in Eigenregie geöffnet oder mit Salben und Hausmitteln behandelt werden.

Der Arzt ist aufzusuchen, wenn eine Verbrennung oder Verbrühung einen größeren Umfang als Handtellergröße hat, wenn Kopf oder Gesicht betroffen sind, sich die Haut schmerzhaft entzündet oder die sehr dünne und empfindliche Haut von Kleinkindern und älteren Menschen verletzt ist. Der Arzt entscheidet nach antiseptischer Behandlung, ob gegebenenfalls ein orales Antibiotikum notwendig ist. Lokalantibiotika sind obsolet.

Stark verschmutzte kleinere Schürfwunden sollten mit lauwarmem Leitungswasser gereinigt, anschließend desinfiziert und mit einem Wundschnellverband abgedeckt werden. Großflächigere Schürfwunden versorgt der Arzt. Platzwunden klaffen auseinander und sind infektionsgefährdet; kleinere gehören gründlich desinfiziert und anschließend mit einem Klammerpflaster versorgt, größere müssen unter Umständen vom Arzt genäht werden. Stark blutende Wunden müssen notfallmedizinisch versorgt werden; für die Erstversorgung reicht ein Druckverband.

Wunden mit Fremdkörpern wie Nägeln oder Glasscherben werden locker abgedeckt und ärztlich versorgt. Kleinere Splitter können in Eigenregie mit einer desinfizierten Pipette entfernt und gründlich antiseptisch behandelt werden.

Bisswunden bergen eine hohe Infektionsgefahr und müssen vom Arzt untersucht werden. Zum Glück ist die Tollwutgefahr gemäß der Welttiergesundheitsorganisation (OIE) in Deutschland seit 2008 für Hunde und Füchse gebannt.

In all diesen Fällen sollte das Apothekenteam nach dem Tetanusschutz der verletzten Person fragen. Sicherheitshalber empfiehlt sich für den Ersthelfer das Tragen von Einmalhandschuhen.

Stumpfe Verletzungen wie Prellungen oder Verstauchungen werden nach dem PECH-Schema erstversorgt:

  • P: Pause der Aktivität
  • E: Eis oder Kühlung (direkter Kältereiz ist gewebsschädigend)
  • C: Compression und Stabilisierung
  • H: Hochlagern des verletzten Körperteils über Herzhöhe

Bei stark anhaltenden Schmerzen oder Sensibilitätsstörungen ist sofort ein Arzt hinzuzuziehen.

Von einem Anfall überrascht

Ein älterer Herr steht geduldig in der vollen Apotheke. Plötzlich fasst er sich an die linke Brust, wird blass und ringt nach Atem. Eine neben ihm stehende Person geleitet ihn zu einer Sitzgelegenheit und das Apothekenpersonal reicht ein Glas Wasser. Der ältere Herr deutet auf seine Tasche. Darin findet das Apothekenpersonal ein Nitrolin­gual-akut-Spray, das noch original verpackt ist.

Verschiedene Grunderkrankungen bergen das Risiko eines plötzlichen ­Anfalls (Tabelle 4). Im Fallbeispiel liegt die Vermutung nahe, dass es sich um einen Angina-pectoris-Anfall handeln könnte. Der deutsche Begriff »Brustenge« charakterisiert die Symptomatik mit brennenden Schmerzen und einem Engegefühl im Brustkorb, oft begleitet von Atemproblemen. Man unterscheidet die stabile von der instabilen Angina pectoris; beide entstehen auf dem Boden einer koronaren Herzerkrankung. Der Verdacht eines Herzinfarkts steht im Raum; der Notarzt ist zu rufen.

Da der Patient ein ärztlich verordnetes Nitro-Spray bei sich hat, unterstützt ihn das Apothekenteam bei der Anwendung. Um die Dosierkammer zu befüllen, wird möglichst entfernt von anderen Personen einige Male in die Luft gesprüht. Mit Unterstützung appliziert der Mann dreimal sein Spray, zwischen jeder Anwendung sind 30 Sekunden Pause einzuhalten. Das Sublingualspray wird unter die Zunge gesprüht; dabei ist darauf zu achten, dass der feine Sprühnebel nicht inhaliert wird.

Glyceroltrinitrat ist zur Vorbeugung und Behandlung von Angina-pectoris-Anfällen indiziert. Die Freisetzung von Stickstoffmonoxid führt zur Erschlaffung von Zellen der glatten Muskulatur und die Herzbelastung nimmt ab.

Ein Kunde kann in der Apotheke auch von einem Asthmaanfall ereilt werden. Die Symptome sind Atemnot durch Verkrampfung oder Verschleimung feiner Bronchialgefäße mit Giemen, Reizhusten und Brustenge. Die gefürchtete Komplikation ist der Status asthmaticus, ein lange anhaltender Asthmaanfall mit Schäden der Lunge und möglicher Todesfolge.

Bei einem Asthmaanfall ist Ruhe zu bewahren und der Patient im Beratungsraum bei der richtigen Anwendung der Notfallmedikation, zum Beispiel einem Beta-2-Sympathomimetikum, zu unterstützen. Hilfreich sind eine Atemtechnik (Lippenbremse) und eine entlastende Körperhaltung (Kutschersitz). Die Notfallsituation tritt ein bei blauer Gesichtsfarbe, Schwierigkeiten beim Sprechen, einem Puls von mehr als 110 Schlägen/Minute (Erwachsene) und unwirksamer Notfallmedikation (nach 15 Minuten).

Epileptischer Anfall: Ruhe bewahren

Selten, aber nicht unmöglich ist ein epileptischer Anfall (Tabelle 4). Epilepsie ist eine der häufigsten chronischen Erkrankun­gen des Nervensystems; verschiedene Formen erfordern eine individuelle Therapie. Ein Epilepsiepatient sollte einen Notfallpass und gegebenenfalls seine Notfallmedikation bei sich führen.

Notfallsituation Ursachen und Symptome Erste-Hilfe-Maßnahmen
Angina-pectoris-Anfall verengte Koronararterien mit brennenden Schmerzen, Engegefühl im Brustkorb, Atemproblemen Nitrolingual akut Spray
Asthmaanfall chronisch-entzündliche Erkrankung der Atemwege mit Atemnot, Giemen, Husten Inhalation von Bronchodilatatoren, Atemtechnik (Lippenbremse), entlastende Körperhaltung (Kutschersitz)
epileptischer Anfall plötzliche Entladung von Nervenzellen im Gehirn, Krämpfe, Zuckungen, Bewusstseinsverlust Ruhe bewahren, stabile Seitenlage, Notfallmedikation (Midazolam buccal, Diazepam rektal) ab einer Anfalldauer von 2 bis 3 Minuten
Tabelle 4: Anfälle als Notfallsituation in der Apotheke; grundsätzlich gilt: Den Notarzt eher einmal zu viel als zu wenig rufen!

Bei einem epileptischen Anfall kommt es zu einer zerebralen Störung durch eine kurz andauernde vermehrte Entladung von Nervenzellen. Man unterscheidet fokale von generalisierten Anfällen. Die Symptome reichen von kurzen Zuckungen bis zu schweren Verkrampfungen des Körpers mit Bewusstseinsstörungen. Der Anfall ist an sich kein Notfall, denn das Gehirn wird nicht geschädigt. Ein Ersthelfer hat die Aufgabe, Ruhe zu bewahren und die Person vor weiteren Verletzungen, zum Beispiel durch Gegenstände im Umfeld, zu schützen, bis diese wieder voll orientiert und der Anfall beendet ist.

Bei Bewusstseinstrübung sollte die Person in die stabile Seitenlage gebracht werden; dies erleichtert die Atmung und den Abfluss von Speichel oder Erbrochenem. Dauert der Anfall länger als zwei bis drei Minuten, ist der Notarzt zu verständigen und die Notfallmedikation zu verabreichen. Es besteht der Verdacht auf einen Status epilepticus, der medikamentös unterbrochen werden muss, da bleibende Schäden oder Tod möglich sind.

Betreuungspersonen (Lehrkräfte, Erzieher, nahe Begleitpersonen) sind nach entsprechender Aufklärung verpflichtet, in einem solchen Fall das Notfallmedikament zu applizieren (§ 323c StGB), in der Regel Benzodiazepine wie Diazepam und Midazolam. Diazepam zur rektalen Anwendung ist für das häusliche Umfeld geeignet. Midazolam wird in der Mundhöhle (buccal) zwischen Wange und Unterkiefer mittels einer Applikationsspritze eingeführt. Dazu werden die rote Kappe und die Verschlusskappe abgezogen und der Spritzkolben im Mund langsam bis zum Anschlag heruntergedrückt. Die nasale Anwendung von Midazolam erfolgt off Label. Durch die Bindung an GABA-Rezeptoren im Gehirn kommt es zu einer sedierenden, anxiolytischen, antikonvulsiven und muskelrelaxierenden Wirkung.

Fazit

Glücklicherweise sind schwerwiegende Notfälle in der Apotheke selten. Trotzdem sollte sich das Team Gedanken machen, welche Maßnahmen bei welchen Notfällen sinnvoll sein können, um im Ernstfall vorbereitet zu sein. Dies kann auch im QMS hinterlegt werden. Dazu gehört, die eigenen Kunden zu sensibilisieren, ihre Notfallmedikation oder entsprechende Informationen stets bei sich zu führen und auf angepassten Impfschutz zu achten. 

Die experimentelle KI
von PZ und PTA-Forum
Die experimentelle KI
von PZ und PTA-Forum
Die experimentelle KI
von PZ und PTA-Forum
 
FAQ
SENDEN
Wie kann man die CAR-T-Zelltherapie einfach erklären?
Warum gibt es keinen Impfstoff gegen HIV?
Was hat der BGH im Fall von AvP entschieden?
GESAMTER ZEITRAUM
3 JAHRE
1 JAHR
SENDEN
IHRE FRAGE WIRD BEARBEITET ...
UNSERE ANTWORT
QUELLEN
22.01.2023 – Fehlende Evidenz?
LAV Niedersachsen sieht Verbesserungsbedarf
» ... Frag die KI ist ein experimentelles Angebot der Pharmazeutischen Zeitung. Es nutzt Künstliche Intelligenz, um Fragen zu Themen der Branche zu beantworten. Die Antworten basieren auf dem Artikelarchiv der Pharmazeutischen Zeitung und des PTA-Forums. Die durch die KI generierten Antworten sind mit Links zu den Originalartikeln. ... «
Ihr Feedback
War diese Antwort für Sie hilfreich?
 
 
FEEDBACK SENDEN
FAQ
Was ist »Frag die KI«?
»Frag die KI« ist ein experimentelles Angebot der Pharmazeutischen Zeitung. Es nutzt Künstliche Intelligenz, um Fragen zu Themen der Branche zu beantworten. Die Antworten basieren auf dem Artikelarchiv der Pharmazeutischen Zeitung und des PTA-Forums. Die durch die KI generierten Antworten sind mit Links zu den Originalartikeln der Pharmazeutischen Zeitung und des PTA-Forums versehen, in denen mehr Informationen zu finden sind. Die Redaktion der Pharmazeutischen Zeitung verfolgt in ihren Artikeln das Ziel, kompetent, seriös, umfassend und zeitnah über berufspolitische und gesundheitspolitische Entwicklungen, relevante Entwicklungen in der pharmazeutischen Forschung sowie den aktuellen Stand der pharmazeutischen Praxis zu informieren.
Was sollte ich bei den Fragen beachten?
Damit die KI die besten und hilfreichsten Antworten geben kann, sollten verschiedene Tipps beachtet werden. Die Frage sollte möglichst präzise gestellt werden. Denn je genauer die Frage formuliert ist, desto zielgerichteter kann die KI antworten. Vollständige Sätze erhöhen die Wahrscheinlichkeit einer guten Antwort.
Wie nutze ich den Zeitfilter?
Damit die KI sich bei ihrer Antwort auf aktuelle Beiträge beschränkt, kann die Suche zeitlich eingegrenzt werden. Artikel, die älter als sieben Jahre sind, werden derzeit nicht berücksichtigt.
Sind die Ergebnisse der KI-Fragen durchweg korrekt?
Die KI kann nicht auf jede Frage eine Antwort liefern. Wenn die Frage ein Thema betrifft, zu dem wir keine Artikel veröffentlicht haben, wird die KI dies in ihrer Antwort entsprechend mitteilen. Es besteht zudem eine Wahrscheinlichkeit, dass die Antwort unvollständig, veraltet oder falsch sein kann. Die Redaktion der Pharmazeutischen Zeitung übernimmt keine Verantwortung für die Richtigkeit der KI-Antworten.
Werden meine Daten gespeichert oder verarbeitet?
Wir nutzen gestellte Fragen und Feedback ausschließlich zur Generierung einer Antwort innerhalb unserer Anwendung und zur Verbesserung der Qualität zukünftiger Ergebnisse. Dabei werden keine zusätzlichen personenbezogenen Daten erfasst oder gespeichert.

Mehr von Avoxa