Notdienst darf kein Zuschussgeschäft sein |
Brigitte M. Gensthaler |
26.06.2025 23:50 Uhr |
Nacht- und Notdienste gehören zum festen Angebot jeder Apotheke. Allerdings zahlen die Betriebe pro Dienst kräftig drauf. Untragbar – findet die LAK Baden-Württemberg. / © Adobe Stock/ MB.Photostock
Braun verwies bei der Vertreterversammlung am 26. Juni in Stuttgart auf eine Berechnung der Treuhand. Demnach koste jeder 24-Stunden-Notdienst bei Vollkostenbetrachtung im Schnitt 1943,48 Euro, davon 1479,10 Euro für Personal. Der Rohertrag liege im Durchschnitt bei 480,63 Euro und die Notdienstpauschale bei 556, 22 Euro (im 1. Quartal). Dieses Defizit hält Braun für untragbar. Die Vollkostenrechnung könne man zwar kritisieren, aber ohne komplette Vergütung könne kein Betrieb langfristig überleben.
»Wir müssen den Aufwand ersetzt bekommen und an Dienstleistungen auch verdienen können.« Nur dann könnten Apotheken überleben und ihre Leistungen langfristig erbringen. »Die Notdienstparameter müssen neu gedacht werden, um Apotheken zu entlasten und die Notfallversorgung zu sichern.«
Die LAK hat daher im März 2025 ein umfangreiches Positionspapier »Notdienst in Not« zur Reform der Notdienste veröffentlicht (das Papier im Wortlaut). Der Vorstand fordere als Erstes eine auskömmliche Vergütung von Voll- und Teilnotdiensten, die mindestens kostendeckend sein müsse, erklärte Braun. Dafür müssten die Mittel im Nacht- und Notdienstfond (NNF) aufgestockt und auf Voll- und Teilnotdienste verteilt werden. Nur dann könnten Apotheken flächendeckend und auch im ländlichen Bereich diesen Service aufrechterhalten und bei Bedarf auch Nachfolger finden. »Dies hat strukturpolitisch eine enorme Bedeutung.«
Zur Neuorganisation der Notdienstverteilung schlägt die LAK eine Kombination von vergüteten Teildiensten, zum Beispiel abends bis 23 Uhr, und weniger Vollnotdiensten, zum Beispiel ab 23 Uhr bis zum nächsten Morgen, vor. Die Notfallversorgung der Bürger werde gesichert. Außerdem solle die Notdienstgebühr auf 10 Euro angehoben werden.
Für zukunftsweisend halte der Vorstand die Etablierung von telepharmazeutischen und -medizinischen Konzepten im Notdienst, zum Beispiel Videokonsile mit dem ärztlichen Bereitschaftsdienst zur direkten Klärung von Situationen, erklärte der Präsident. Eine Zeitersparnis soll durch Nutzung von E-Rezepten realisiert werden.
Braun zeigte sich zuversichtlich. »Mit diesen Kernpunkten waren wir bereits bei Politikern und das Echo war ausgesprochen positiv.«
Justitiar Uwe Kriessler gab in der Vertreterversammlung einen Rückblick auf die neue elektronische Notdienstplanung. Die algorithmenbasierte arrhythmische Verteilung der Notdienste laufe nun seit Monaten »stabil und erfolgreich«, erklärte Kriessler. Die Planung werde abgestimmt mit den Kammern in Bayern, Hessen und Rheinland-Pfalz. Apotheken in angrenzenden Bundesländern könnten unter bestimmten Voraussetzungen eingebunden werden.
Es waren laut Kriessler ursprünglich Dienste für 2155 Apotheken in Baden-Württemberg zu planen; derzeit seien es nur noch 2127 Betriebe. »Wir konnten im Vergleich zum Vorjahr etwa 9000 Dienste einsparen.« Einzelne Apotheken mussten jedoch mehr Dienste leisten und es habe auch Kritik aus dem Berufsstand gegeben. Im deutschlandweiten Vergleich schneide Baden-Württemberg mit maximal 29 Diensten/Jahr gut ab, zeigte Kriessler auf. »Im Vergleich zum Durchschnitt 2023 sank die Zahl der Dienste um 24 Prozent.«
Aus der Bevölkerung sei keine nennenswerte Kritik gekommen, allenfalls einzelne Beschwerden über Apotheken, »aber nicht viel mehr als früher«. In 95 Prozent der Fälle finde ein Patient innerhalb von 20 km eine Notdienstapotheke; durchschnittlich seien es 8 km.
Derzeit würden die Planungssoftware für das Jahr 2026 weiterentwickelt und der Algorithmus überarbeitet. Als Ziele nannte Kriessler unter anderem eine gleichmäßigere Verteilung der Dienste auf verschiedene Wochentage sowie innerhalb eines Monats und eine gleichmäßigere Verteilung der Notdienste zu den Nachbarapotheken. Die Abstände der Dienste sollten auf sieben Tage erweitert werden.
Der Plan 2026 soll nach den Sommerferien versandt werden; nach der Tauschphase werde Mitte bis Ende Oktober die Anordnung der Dienste versandt, sagte Kriessler.