| Daniela Hüttemann |
| 08.09.2021 14:30 Uhr |
Grund kann ein angeborener Leptin-Mangel oder ein angeborener Fettgewebsmangel (Lipodystrophie) sein, doch dies sei eher selten der Fall. »Die meisten Kinder mit Adipositas weisen keine erniedrigten Leptin-Spiegel auf, sondern eine Leptin-Resistenz. Das im Fettgewebe gebildete Leptin wirkt an den Leptin-Rezeptoren im Gehirn nicht mehr so, wie es soll«, so der Kinder- und Jugendendokrinologe. Hier wird an ursächlichen Therapiemöglichkeiten geforscht, zum Beispiel an aktivierenden Antikörpern am Leptin-Rezeptor oder an nachgeschalteten Rezeptoren.
Noch ist die Therapie äußerst schwierig und langwierig. »Adipositas bei Kindern ist eine chronische Erkrankung. Sie erfordert gemäß wissenschaftlicher Leitlinien eine lebenslange ganzheitliche, stadiengerechte und individuell abgestimmte Behandlung mit konservativen, pharmakologischen und chirurgischen Therapieansätzen«, so Wabitsch. Bei den Medikamenten könnte mit Semaglutid mittelfristig eine neue Option hinzukommen. In den USA ist der Glucagon-Like-Peptide-1 (GLP-1)-Rezeptoragonist bereits zur Behandlung von Erwachsenen mit Adipositas zugelassen, denn er kann den Appetit reduzieren. Eine Studie mit Teenagern läuft noch.
Wichtig ist in jedem Fall, den Kindern und Eltern den Druck und die Schuldgefühle zu nehmen. »Die meisten Menschen, inklusive der Eltern adipöser Kinder, verstehen diesen hormonellen Mechanismus zur Regulation des Körpergewichts nicht – was Befragungen zufolge auch auf mehr als 50 Prozent der Mitarbeiter unseres Gesundheitssystems zutrifft«, ergänzt der Mediensprecher der Fachgesellschaft, Professor Dr. Stephan Petersenn. Daher werde die Verantwortung ungerechtfertigterweise meist den adipösen Kindern und Jugendlichen zugeschoben, die neben Diskriminierung und Stigmatisierung zusätzlich unter einem verminderten Selbstwertgefühl und Schuldgefühlen litten. »Der bisher gängige Blickwinkel zur Entstehung und Therapie von Adipositas ist falsch und erfordert unbedingt eine Korrektur«, so Petersenn.