Nicht immer klinisch relevant |
Laura Rudolph |
28.03.2024 18:00 Uhr |
Ob der behandelnde Arzt oder die behandelnde Ärztin die Ergebnisse einer Medikationsanalyse für klinisch relevant erachtet und folglich umsetzt, hängt von einer ganzen Reihe patientenindividueller Faktoren ab. / Foto: Getty Images/Sanja Radin
Eine Apothekerin präsentierte den Fall: Es ging es um einen 76-jährigen Patienten mit Typ-2-Diabetes und Adipositas. Mit einem BMI von 40,6 kämpfte er mit massivem Übergewicht und wollte unbedingt abnehmen. Zusätzlich litt er unter Bluthochdruck (141/78 mm Hg), Niereninsuffizienz, einem Lymphödem und dem diabetischen Fußsyndrom. Ein Blick in die Laborwerte bestätigte zudem erhöhte Blutfettwerte.
Der Patient erhielt bereits seit 15 Jahren schnell wirksames Insulin und bestand darauf, diese Therapie beizubehalten. Zusätzlich nahm er abends 25 mg Empagliflozin ein. Der Bluthochdruck wurde mit Torasemid (morgens und abends je 10 mg) und Metoprolol (morgens 47,5 mg) therapiert.
Über die Jahre hatte der Patient stetig zugenommen. Parallel erhöhte sich sein HbA1c-Wert stetig auf einen Maximalwert von 8 Prozent, woraufhin die behandelnde Diabetologin zusätzlich Liraglutid verordnete. Der HbA1c-Wert sank infolge dessen wieder auf 7,3 Prozent ab.
Aufgrund anhaltender Lieferengpässe musste die Diabetestherapie jedoch mehrmals umgestellt werden; erst von Liraglutid auf Semaglutid, dann von Semaglutid auf Tirzepatid. Zum Zeitpunkt der Medikationsanalyse befand sich der Patient in der Aufdosierungsphase und injizierte einmal wöchentlich 2,5 mg Tirzepatid subkutan.
Den Teilnehmenden des Webinars fiel auf, dass der Patient gemäß der aktuellen Diabetes-Leitlinie Metformin erhalten müsste. Die Insulintherapie stellten sie infrage, womöglich ließe sich die Dosis reduzieren. Alternativ könne versucht werden, den in diesem Gesichtspunkt bisher wenig adhärenten Patienten zu überzeugen, von seinem schnell wirksamen auf ein Basalinsulin umzusteigen. Zudem hinterfragten sie den Einsatz des β-Blockers Metoprolol, da dieser die Sympathikus-vermittelten Symptome einer Hypoglykämie wie Zittern, Schwitzen oder Tachykardie verschleiern kann.
Dass mit Torasemid und Empagliflozin abends gleich zwei diuretisch wirksame Arzneimittel auf dem Plan standen, erachteten sie als ungünstig. Um dem Patienten eine ruhige Nacht ohne ständigen Harndrang zu ermöglichen, schlugen sie vor, die Einnahme auf den Morgen zu verschieben. Nicht zuletzt empfanden sie es als sinnvoll, gemeinsam mit dem Patienten eine Strategie zum Abnehmen auszuarbeiten.