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Diagnostik

Nicht alle Selbsttests sind sinnvoll

Mit In-vitro-Diagnostika zur Eigenanwendung kann jeder seinen Gesundheitszustand überprüfen. Doch die Qualität variiert stark und manche Tests verwirren mehr, als dass sie Klarheit schaffen.
Nicole Schuster
04.01.2023  09:00 Uhr

Während der Covid-19-Pandemie haben sich Selbsttests bewährt. Diese diagnostischen Untersuchungen, die außerhalb eines Labors stattfinden, werden mit dem nicht genau definierten Begriff Point-of-Care-Testing (PoC-Testing) beschrieben. Dazu zählen Tests, die direkt in der Arztpraxis oder in der Apotheke durchgeführt werden, aber auch solche zur Eigenanwendung zu Hause.

Mit den In-vitro-Diagnostika für daheim kann Probenmaterial wie Blut, Speichel oder Urin untersucht werden. Alle Verbrauchsmaterialen und Reagenzien sind im Testkit enthalten. Die Handhabung erklärt die beiliegende Gebrauchsanweisung. Nach einer kurzen Wartezeit erhält der Anwender ein Ergebnis.

Tests mit CE-Kennzeichen erfüllen die in Europa festgelegten Anforderungen an die Sicherheit und Leistungsfähigkeit. Auf den Medizinprodukten ist unter dem CE-Kennzeichen eine vierstellige Nummer zu sehen. Diese verweist auf die Benannte Stelle, die an der Zertifizierung des Tests beteiligt war. Der Hersteller muss eine technische Dokumentation erstellen, in der er Aussagen zur analytischen Sensitivität an der deklarierten Nachweisgrenze sowie zur diagnostischen Sensitivität/Spezifität macht.

Ein Test ist sehr sensitiv, wenn er zuverlässig eine Person als positiv identifiziert, die auch tatsächlich den fraglichen Marker in der Probe aufweist. Wenn der Test eine Person ohne die Markersubstanz in der Probe zuverlässig als negativ einstuft, ist er sehr spezifisch.

»Die Qualität von PoC-Tests ist sehr unterschiedlich«, sagt Labormediziner Professor Dr. Peter Luppa vom Institut für Klinische Chemie und Pathobiochemie am Klinikum rechts der Isar der TU München im Gespräch mit der PZ. »Bis auf wenige Ausnahmen sind professionell durchgeführte Labortests den Tests zur Eigenanwendung qualitativ immer noch überlegen.«

Voraussetzung dafür, dass ein valides Ergebnis erscheint, ist nicht nur die Qualität des Tests, sondern auch die richtige Durchführung. Fachpersonal weiß, wie man richtig Blut abnimmt und wie die Probe aufzubringen ist, Laien können dabei aber eine Reihe von Fehlern machen. Fehlerhafte Messwerte, falsch-positive oder falsch-negative Ergebnisse können die Folge sein.

Tests mit Urin als Probe

Nicht viel falsch machen können Frauen mit einem Schwangerschaftstest. Sie müssen nur einen Teststreifen in den Urin halten. Die Tests weisen das Schwangerschaftshormon humanes Choriongonadotropin (hCG) nach und sind sehr genau. Sie liefern zwei Wochen nach der Befruchtung einer Eizelle ein zuverlässiges Ergebnis. 2023 soll ein neuartiger Schwangerschaftstest in Europa auf den Markt kommen, der hCG im Speichel nachweist. Er soll ab dem ersten Tag einer ausgebliebenen Periode verwendet werden können.

Menopause-Schnelltests weisen das humane follikelstimulierende Hormon (FSH) im Urin nach. Ist dieses in der Probe vorhanden, bindet es an Anti-FSH-Antikörper auf der Testlinie. Erhöhte FSH-Spiegel können auf beginnende Wechseljahre hinweisen, aber auch andere Ursachen haben. Sicherheit kann nur ein Arztbesuch verschaffen.

Ähnlich sieht es mit Selbsttests auf eine Harnwegsinfektion aus. Farbfelder auf dem Teststreifen zeigen an, ob Werte wie Nitrit und die Leukozytenzahl im Urin erhöht sind, was auf eine Harnwegsinfektion hindeutet. Anwender sollten in diesem Fall umgehend einen Arzt aufsuchen, um den Harnwegsinfekt bestätigen zu lassen und falls indiziert ein Antibiotikum zur Behandlung zu erhalten.

Zu beachten ist, dass selbst bei einem simplen Urintest die Interpretation des Ergebnisses schwierig sein kann. So stehen für Diabetes-Patienten Tests auf Eiweiß im Urin zur Früherkennung von Nierenschäden zur Verfügung, die an sich sinnvoll sind. Sie können aber weitere Werte anzeigen, die den Anwender verunsichern können. Um erhöhte oder erniedrigte Messwerte im Kontext richtig zu interpretieren, braucht es ärztliche Hilfe.

Tests mit Blut als Probe

Bei manchen Selbsttests ist der Nutzen so anerkannt, dass sie einen festen Teil des Therapieregimes darstellen und die Kosten von den Krankenkassen getragen werden. Ein Beispiel ist die Kontrolle des Blutzuckers bei Diabetes mellitus. Andere Tests zur Eigenanwendung sind medizinisch weder sinnvoll noch notwendig, zum Beispiel Blutgruppen-Tests. Sie prüfen daheim die Blutgruppe aus dem AB0-System, manche zusätzlich den Rhesusfaktor. »Anwender bekommen eine Blutgruppe angezeigt. Sie haben aber keine Garantie dafür, ob diese korrekt ist«, sagt Luppa.

Menschen können ihr Blut mit frei verkäuflichen Tests auch auf Vitaminmängel, Unverträglichkeiten oder Allergien prüfen. Meist erfolgt bei diesen Tests nur die Probenahme daheim und die Probe wird dann zur Untersuchung in ein Labor geschickt. Neben dem Ergebnis bieten einige Firmen Behandlungsempfehlungen an. Darauf sollten Anwender aber nur bedingt vertrauen. Bei unspezifischen Beschwerden wie anhaltender Müdigkeit, Kopfschmerzen oder Magen-Darm-Beschwerden ist es sinnvoller, einen Arzt aufzusuchen. Die Diagnose ist in der Regel komplexer und nicht mit einem einfachen Selbsttest abzudecken. Beim Arzt erhalten Patienten eine fachkundige Beurteilung ihrer Messergebnisse und eine Behandlung, die tatsächlich zur Ursache ihrer Beschwerden passt.

Sinnvolle Selbstkontrolle und ihre Grenzen

Mit einigen Anliegen gehen Betroffene allerdings nicht gerne zum Arzt, etwa wenn sie befürchten, sich mit einer sexuell übertragbaren Krankheit infiziert zu haben. »HIV-Selbsttests waren erst umstritten. Bluttests zur Eigenanwendung sind aber mittlerweile qualitativ so gut, dass sie Patienten zu einer schnelleren Diagnose und frühen Behandlung verhelfen können«, sagt Luppa. Die Selbsttests weisen spezifische Antikörper nach, die der Körper gegen das humane Immundefizienz-Virus (HIV) bildet. Allerdings ist erst zwölf Wochen nach einer vermuteten Infektion die Antikörperkonzentration so hoch, dass der Test aussagekräftig ist.

Auch für andere sexuell übertragbare Erkrankungen gibt es frei verkäufliche Tests. Ihre Aussagekraft kann jedoch begrenzt sein. Tests auf Syphilis reagieren ebenfalls auf Antikörper gegen den Erreger. Ein positives Ergebnis kann aber nicht nur eine akute Infektion, sondern auch eine mittlerweile abgeklungene Infektion anzeigen.

Für Schnelltests auf Gonorrhö oder Chlamydien-Infektion wird eine Urinprobe benötigt. Zur Auswertung müssen die Tests oft in ein Labor eingeschickt werden. Wie sicher das Ergebnis ist, hängt von Faktoren wie dem Testverfahren, der Probenahme und dem Infektionszeitpunkt ab.

Tests mit Speichel als Probe

Verschiedene Erreger wie SARS-CoV-2 und A-Streptokokken, die Scharlach auslösen, lassen sich im Speichel nachweisen. Zudem können Speichel-Selbsttests zur Vorsorge und Früherkennung von Entzündungen im Mund dienen. Mit einem aMMP-8-Test (zum Beispiel von Perio-Safe) lässt sich feststellen, wie aktiv das Kollagen-abbauende Enzym aMMP-8 (aktivierte Matrix-Metalloproteinase-8) ist. Eine hohe Aktivität deutet auf einen Gewebezerfall und ein erhöhtes Risiko für Krankheiten wie Parodontitis hin.

Den aMMP-8-Test bieten Zahnärzte an, man kann ihn aber auch in der Apotheke erwerben und selbst zu Hause durchführen. Er zeigt zwar zuverlässig an, ob das Enzym im Überschuss vorhanden ist. Die klinischen Rückschlüsse daraus kann allerdings nur ein Zahnarzt ziehen.

Selbsttest-No-Gos

Abzuraten ist insgesamt von sämtlichen Tests ohne CE-Kennzeichen, die im Internet angeboten werden. Fragwürdig ist zum Beispiel der Nutzen von Tests, mit denen Anwender Informationen über die Zusammensetzung ihrer Darmmikrobiota erhalten, eine Schwermetallbelastung feststellen oder das Risiko auf verschiedene Krebserkrankungen prüfen können. Ihre Aussagekraft kann gering sein und mit dem Ergebnis sind Anwender alleingelassen.

Wer über einen solchen Test eine falsch-positive Krebs-»Diagnose« erhält, lebt in Angst, bis vom Arzt Entwarnung kommt. Liefert der Test hingegen ein falsch-negatives Ergebnis, wiegt sich der Betroffene in falscher Sicherheit und vernachlässigt möglicherweise empfohlene Früherkennungsuntersuchungen.

Für die meisten Menschen ist es besser, nicht zu viel in Eigenregie zu messen. Die wichtigsten Vorsorgeuntersuchungen sind Kassenleistung.

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