Neues zum Zusammenhang zwischen Krebs und Ernährung |
Theo Dingermann |
22.10.2021 07:00 Uhr |
Was sollte auf den Teller kommen, wenn man an Krebs erkrankt ist? Auf diese Frage liefert auch die aktuelle Studie keine zufriedenstellende Antwort. / Foto: Adobe Stock/Pixel-Shot
Diätetische Maßnahmen können das Wachstum von Tumoren beeinflussen. Allerdings existieren Unmengen verschiedener Diäten, deren Wirksamkeit kaum durch eine seriöse Evidenz belegt ist. Eine Gruppe von Wissenschaftlern um Evan C. Lien vom Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Cambridge, USA, berichtet nun im Fachjournal »Nature«, dass sich zwei verschiedene Diäten erstaunlich unterschiedlich auf das Tumorwachstum bei Mäusen auswirkten. Dabei handelt es sich um eine kalorierenreduzierte Diät (KRD) und eine ketogene Diät (KD), also eine Ernährungsweise mit extrem niedrigem Kohlenhydratanteil. In beiden Fällen wurde zudem auf einen niedrigen glykämischen Index (Glyx) geachtet.
Die Wissenschaftler bestimmten den Metabolitengehalt im Plasma und in der interstitiellen Tumorflüssigkeit (TIF) bei Modellmäusen mit Bauchspeicheldrüsenkrebs, die entweder mit einer Kontrolldiät, einer KRD oder einer KD gefüttert wurden. Dabei stellten sie fest, dass die KD den Glucosespiegel in der TIF nicht senkte, obwohl der Blutzuckerspiegel deutlich gesenkt wurde. Das war anders bei der KRD, die den TIF-Glucosespiegel um 50 Prozent senkte. Dies legt nahe, dass sich die immer wieder beobachteten Auswirkungen einer kalorierenreduzierten Diät auf das Tumorwachstum möglicherweise nicht ausschließlich durch die Verringerung des Blutzuckers und des Insulinspiegel erklären lassen.
Aus früheren Studien weiß man, dass sich Diäten auch auf andere Hormonsignalwege auswirken, die beispielsweise durch Glukagon, durch den Fibroblast Wachstumsfaktor 21 (FGF21) oder durch Corticosteroide gesteuert werden. Auch hier bestehen Unterschiede zwischen kalorierenreduzierten und ketogenen Diäten.
In ihrer aktuellen Studie fanden die Wissenschaftler einen auffälligen Unterschied der beiden Diäten: Während viele Fettsäuren im Plasma und in der TIF durch eine KD erhöht wurden, sanken die Spiegel fast aller Fettsäuren durch eine KRD. Diese Beobachtungen stimmen mit der Tatsache überein, dass Mäuse, die eine KRD erhalten, keine Muskelmasse, wohl aber weißes Fettgewebe verlieren. Dagegen behalten Mäuse, die mit einer KD gefüttert werden, sowohl ihre Muskel- als auch ihre weiße Fettgewebemasse. Daraus kann man schließen, dass eine verringerte Verfügbarkeit von Lipiden und Fettsäuren für den Tumor spezifisch für eine KRD ist; dies könnte der Grund dafür sein, dass das Tumorwachstum durch eine solche Diät gehemmt wird.
Um sich in einer lipidarmen Umgebung vermehren zu können, müssen Krebszellen das Enzym Stearoyl-CoA-Desaturase (SCD) hochregulieren. Dieses Enzym ist erforderlich, um einfach ungesättigte Fettsäuren zu synthetisieren. Interessanterweise beeinträchtigt eine KRD die Aktivität der SCD in Tumoren, sodass ein Ungleichgewicht zwischen ungesättigten und gesättigten Fettsäuren entsteht, das das Tumorwachstum verlangsamt. Eine ketogene Diät zeigt diese Effekte nicht. Sie beeinträchtigt zwar auch die SCD-Aktivität in den Tumoren, ist andererseits aber fettreicher, sodass letztlich in den Tumoren ein konstantes Verhältnis von ungesättigten zu gesättigten Fettsäuren resultiert.
Zusätzlich zu den Mausexperimenten untersuchten die Autoren retrospektiv den Zusammenhang zwischen den Ernährungsgewohnheiten und der Überlebenszeit bei 1165 Patienten mit Bauchspeicheldrüsenkrebs. Die vorläufigen Ergebnisse weisen darauf hin, dass bei ihnen eine fett- und proteinreiche, aber kohlenhydratarme Ernährung mit einer längeren Überlebenszeit verbunden sein könnte. Dieser Zusammenhang war bei kohlenhydratarmen Ernährungsmustern, bei denen die Fett- und Proteinkomponenten auf pflanzlicher statt auf tierischer Basis beruhten, etwas stärker ausgeprägt.
Da dies vordergründig ja im Widerspruch zu den Ergebnissen der Tierexperimente steht, sind aus Sicht der Autoren weitere Untersuchungen erforderlich, um den Einfluss der Ernährung auf Stoffwechselveränderungen, die sich auf das Tumorwachstum auswirken, besser zu verstehen. Sie merken zudem an, dass niedrig glykämische Diäten nicht für alle Krebspatienten geeignet sind. Sie sind schwer einzuhalten und werden nicht immer toleriert. Zudem kann ein durch die Diät bedingter Gewichtsverlust die Behandlungsmöglichkeiten beeinträchtigen.