Neues Target bei Colitis ulcerosa |
Annette Rößler |
23.10.2024 09:00 Uhr |
Patienten mit Colitis ulcerosa leiden häufig unter Durchfall und Bauchschmerzen. / © Adobe Stock/Roman
Tulisokibart – das klingt für pharmazeutische Ohren zunächst einmal nicht nach einem Antikörper. Wo ist die Endung -mab geblieben, die für monoclonal antibody steht? Tatsächlich wird man sich daran gewöhnen müssen, dass dieses Suffix bei neuen Antikörpern nun nach und nach seltener wird, denn die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat schon vor einer Weile angekündigt, keine weiteren Freinamen auf -mab mehr zu vergeben. Es gibt einfach mittlerweile schon zu viele, als dass für neue Namen noch genügend Spielraum geblieben wäre.
Die Endung -bart wird nun für monospezifische, vollständige, Fc-modifizierte Immunglobuline verwendet. Tulisokibart (PRA023) ist ein solches, das sich gegen das Tumornekrosefaktor-ähnliche Zytokin 1A (TL1A) richtet. Dieses scheint an der Pathogenese von chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen (CED) beteiligt zu sein: TL1A und sein Rezeptor Death Domain Receptor 3 (DR3) werden in Immunzellen des Darms bei einer Entzündung hochreguliert. Beide Gene, die für TL1A und DR3 codieren, konnten in verschiedenen Populationen als Risikogene für CED identifiziert werden.
Tulisokibart bindet mit hoher Affinität und Spezifität an sowohl membranständiges als auch lösliches TL1A und verhindert die Interaktion zwischen dem Zytokin und DR3. Dadurch werden die T-Zell-Antwort modifiziert und profibrotische Signalwege gehemmt. In der Phase-II-Studie ARTEMIS-UC wurde der Antikörper nun bei Patienten mit moderat bis stark aktiver Colitis ulcerosa getestet. Sponsor der Studie war der Hersteller Prometheus Biosciences, eine Tochterfirma von MSD. Die Ergebnisse sind im »New England Journal of Medicine« veröffentlicht.
Die 135 Probanden waren auf Glucocorticoide angewiesen oder hatten unter konventionellen/modernen Wirkstoffen ein Therapieversagen gezeigt. Sie erhielten randomisiert und doppelblind entweder Tulisokibart (1000 mg an Tag 1 sowie 500 mg in den Wochen 2, 6 und 10) oder Placebo-Infusionen. Nach zwölf Wochen waren signifikant mehr Patienten in der Tulisokibart-Gruppe in klinischer Remission, nämlich 26 Prozent versus 1 Prozent in der Placebogruppe (primärer Endpunkt).
Vorab war bei den Teilnehmenden per Gentest ermittelt worden, ob sie wahrscheinlich auf Tulisokibart ansprechen würden oder eher nicht. Eine Auswertung der 75 Patienten mit hoher Wahrscheinlichkeit eines Ansprechens ergab eine noch höhere Ansprechrate, allerdings sowohl in der Verum- als auch in der Placebogruppe: Unter Tulisokibart befanden sich in dieser Subgruppe nach zwölf Wochen 32 Prozent der Patienten in klinischer Remission, unter Placebo 11 Prozent.
Nebenwirkungen waren überwiegend leicht bis moderat und in der Tulisokibart- und Placebogruppe annähernd gleich häufig (46 versus 43 Prozent). Das galt auch für Infektionen, wie die Autoren betonen. Insgesamt zeigten die Ergebnisse, dass die TL1A-Blockade mit Tulisokibart einen neuen Ansatz bei Colitis ulcerosa darstellen könne, auch bei Patienten mit therapierefraktärer Erkrankung, fassen sie zusammen. Mit der Rekrutierung für eine Phase-III-Studie (NCT06430801) hat der Hersteller bereits begonnen.