Neues Immunsuppressivum auf dem Markt |
Annette Rößler |
12.10.2022 07:00 Uhr |
Infolge der vorübergehenden Verringerung der IgG-Spiegel kann sich das Infektionsrisiko der Patienten erhöhen. Sie sollten entsprechend überwacht werden. Kommt es zu einer schwerwiegenden Infektion, sollte in Betracht gezogen werden, die Behandlung mit Efgartigimod alfa zu verschieben, bis die Infektion abgeklungen ist. Impfungen mit (attenuierten) Lebendimpfstoffen werden unter der Therapie nicht empfohlen. Andere Impfstoffe können gegeben werden, wenn die letzte Infusion eines Behandlungszyklus mindestens zwei Wochen zurückliegt und der nächste Zyklus frühestens vier Wochen später beginnt.
Der Einsatz von Efgartigimod alfa in Schwangerschaft und Stillzeit sollte nur in Erwägung gezogen werden, wenn der klinische Nutzen die Risiken überwiegt. Wenn eine Frau während der Schwangerschaft mit dem Medikament behandelt wurde, ist beim Neugeborenen ein verringerter Nestschutz zu erwarten.
Die Sicherheit des neuen Arzneimittels wurde in einer 26-wöchigen, doppelblinden, randomisierten Phase-III-Studie mit 167 Patienten mit gMG untersucht. Von den Probanden waren 129 Anti-AChR-Antikörper-positiv; nur sie wurden bei der Beurteilung der Wirksamkeit berücksichtigt. Die Patienten erhielten zusätzlich zu ihrer bestehenden Therapie entweder Efgartigimod alfa in dem empfohlenen Dosierungsschema mit maximal drei Behandlungszyklen oder Placebo.
Für die Bewertung der Wirksamkeit wurden verschiedene validierte Fragebögen herangezogen, darunter »Myasthenia Gravis Activities of Daily Living« (MG-ADL). Dieser Score umfasst Werte von 0 bis 24, wobei höhere Werte eine stärkere Beeinträchtigung bedeuten. In der Studie war ein MG-ADL-Responder definiert als ein Patient mit einer Verringerung des MG-ADL- Scores um mindestens zwei Punkte gegenüber dem Ausgangswert vor dem Behandlungszyklus. Die Verbesserung durfte dabei nicht später als eine Woche nach der letzten Infusion des Zyklus einsetzen und musste über mindestens vier Wochen bestehen bleiben.
Als primärer Wirksamkeitsendpunkt wurde der Prozentsatz der MG-ADL-Responder während des ersten Behandlungszyklus erfasst. Er betrug in der Efgartigimod-alfa-Gruppe 67,7 Prozent (44 von 65 Patienten) und in der Placebogruppe 29,7 Prozent (19 von 64 Patienten). Die überlegene Wirksamkeit von Efgartigimod alfa blieb nach dem zweiten Behandlungszyklus bestehen und bestätigte sich auch unter Verwendung eines anderen Fragebogens (»Quantitative Myasthenia Gravis«, QMG).
Häufigste Nebenwirkungen waren Infektionen der oberen Atemwege (10,7 Prozent der Behandelten) und Harnwegsinfektionen (9,5 Prozent). Häufig kam es darüber hinaus zu Bronchitis, Myalgie und Kopfschmerzen. Die Infektionen waren leicht bis mittelschwer; sie führten bei weniger als 2 Prozent der Patienten zu einem Therapieabbruch oder erforderten eine Unterbrechung der Therapie.
Vyvgart wird im Kühlschrank bei 2 bis 8 °C originalverpackt gelagert. Vor der Anwendung wird das Arzneimittel mit isotoner Kochsalzlösung verdünnt. Dabei ist zu beachten, dass das Gesamtvolumen der fertigen Lösung 125 ml betragen muss. Dem Infusionsbeutel muss also im Zuge der Zubereitung vor dem Zusatz des Konzentrats ein entsprechendes Volumen Kochsalzlösung entnommen werden.
Experten sind sich einig, dass die aktuellen Therapieoptionen bei Myasthenia gravis nicht ausreichend sind. Oft kommen als immunsuppressive Therapie zum Beispiel Corticoide zum Einsatz, die nicht spezifisch sind und die bekannten Nebenwirkungen verursachen. Das Immunsuppressivum Efgartigimod alfa weist ein neuen Wirkmechanismus auf. Es ist der erste und einzige zugelassene FcRn-Blocker und allein deswegen eine Sprunginnovation. Andere Vertreter dieser Klasse könnten in der Zukunft folgen.
Nicht nur wegen des Wirkprinzips, sondern auch wegen der bisherigen Studienergebnisse erfolgt die Eingruppierung als Sprunginnovation. Die Betroffenen tragen eine schwere Krankheits- und Behandlungslast, die die Lebensqualität deutlich einschränkt. Die Hinzunahme von Efgartigimod alfa brachte in der Zulassungsstudie bei vielen Patienten einen Nutzen. Wünschenswert wären direkte Vergleiche mit anderen Immunsuppressiva. Zudem gilt es, die erhöhte Infektionsneigung bei den mit Vyvgart behandelten Patienten gut zu beobachten.
Gut möglich, dass man von Efgartigimod alfa in Zukunft noch mehr hören wird. Denn das Wirkprinzip funktioniert auch bei anderen Autoimmunerkrankungen. Es ist daher wenig erstaunlich, dass der Wirkstoff gleich bei verschiedenen Autoimmunerkrankungen untersucht wird, die bekanntermaßen durch krankheitsverursachende IgG-Antikörper vermittelt werden.
Sven Siebenand, Chefredakteur