Neues Antibiotikum in Sicht – Lol! |
Annette Rößler |
04.06.2024 18:00 Uhr |
Absolut nicht witzig, sondern seriös ist die Forschung mit Lolamicin. Die Abkürzung »Lol« hat in diesem Kontext eine andere Bedeutung als in Chats. / Foto: Adobe Stock/ink drop (KI-generiert)
Menschen jenseits der 50 wird man vielleicht erklären müssen, was »Lol« bedeutet. Es steht für »Laughing out loud« und wird in Chats als Abkürzung verwendet, um große Heiterkeit auszudrücken. Im wissenschaftlichen Kontext kann Lol aber auch ein Transportsystem in gramnegativen Bakterien bezeichnen (Localization of Lipoprotein). Dieses besteht aus fünf Komponenten, ist im Periplasma zwischen der äußeren und inneren Membran der Bakterien vorzufinden und sorgt für den Transport von Lipoproteinen.
Die Lol-Systeme von gramnegativen Bakterien, die Teil der natürlichen Darmflora des Menschen sind (Kommensale), unterscheiden sich von denen gramnegativer pathogener Erreger; sie haben eine geringe Homologie. Grampositive Bakterien haben überhaupt kein Lol-System, weil bei ihnen die Lipoproteine fest in der Zytoplasma-Membran verankert sind. Aus diesem Grund identifizierte ein Team um Dr. Kristen A. Muñoz von der University of Illinois at Urbana-Champaign in Urbana, USA, das Lol-System als geeignetes Target für ein Antibiotikum, das gezielt pathogene gramnegative Bakterien abtötet.
Mit Lolamicin haben die Forschenden eine solche Substanz entwickelt, die sie nun im Fachjournal »Nature« vorstellen. Der Arzneistoffkandidat sei in vitro gegen mehr als 130 klinische Isolate mit Mehrfachresistenzen wirksam gewesen, heißt es da. Zudem sei Lolamicin bei Mäusen mit akuter Pneumonie und Sepsis erfolgreich getestet worden, wobei das Darmmikrobiom der Tiere nicht in Mitleidenschaft gezogen worden sei und Sekundärinfektionen mit Clostridioides difficile verhindert worden seien. »Diese doppelt selektive Strategie kann eine Blaupause für die Entwicklung von weiteren Antibiotika sein, die das Mikrobiom schonen«, schreiben die Autoren.
Unabhängige Forschende loben gegenüber der Nachrichtenseite von »Nature« zwar den Ansatz als vielversprechend, geben aber zu bedenken, dass vor einer potenziellen Zulassung noch viel Forschungsarbeit geleistet werden müsse. Diese sei kostspielig und langwierig – viel Geld könne man mit einem neuen Antibiotikum jedoch nicht verdienen. Angesichts des hohen Bedarfs insbesondere an neuen Antibiotika mit Wirkung auf gramnegative Erreger ist Lolamicin aber zu wünschen, dass es sich in weiteren Tests bewährt und schließlich auch die Klinik erreicht.