Neuer Zahlungstrend verursacht höhere Kosten in Apotheken |
In Deutschland wird die Zahlung mit Debit-Kreditkarten immer beliebter. Die Händler müssen dafür allerdings höhere Gebühren abführen als für EC-Karten. Das trifft auch Apotheken. / Foto: imago/Westend61
In Deutschland zahlen Kunden zunehmend lieber mit Karte statt mit Bargeld. Infolge der Corona-Pandemie ist der Anteil der Barzahlungen von 2017 bis 2021 gemessen an der Zahl der Transaktionen um 16 Prozentpunkte auf 58 Prozent gesunken. Das zeigt eine Studie der Deutschen Bundesbank. Im Gegenzug nahmen im gleichen Zeitraum die Transaktionen mit EC- und Kreditkarten um 4 beziehungsweise 5 Prozentpunkte zu.
Diese Entwicklung spiegelt sich auch in den Apotheken wider. Der Bundesbank-Analyse zufolge sank dort der Anteil der Barzahlungen gemessen am Umsatz von 71 Prozent im Jahr 2017 auf 45 Prozent im Jahr 2021. Dafür verdoppelte sich in diesem Zeitraum der Anteil der Zahlungen mit EC-Karte von 22 auf 42 Prozent. 2021 beglichen die Kunden zudem 7 Prozent der Zahlungen in Apotheken per Kreditkarte.
Doch nicht nur Barzahlungen gehen zurück. »Auch EC-Karten, heute offiziell Girocard genannt, sind als Zahlungsmittel auf dem Rückzug«, konstatiert Guido Michels, stellvertretender Leiter der betriebswirtschaftlichen Abteilung der Treuhand Hannover. Zwar ist die Girocard mit 100 Millionen ausgegebenen Karten in Deutschland – davon allein 46 Millionen von den Sparkassen – immer noch Marktführerin. Nach einer Erhebung des EHI Retail Institutes lag die Girocard 2021 beim Bezahlen im stationären Einzelhandel mit einem Umsatzanteil von 42,4 Prozent an erster Position unter allen Zahlungsarten. Doch zunehmend bringen Banken sogenannte Debitkarten der Anbieter Visa und Mastercard in Umlauf. Nach Auskunft von Visa Deutschland gaben hierzulande mehr als 20 Finanzinstitute bis Oktober 2022 mehr als zwölf Millionen Visa Debitkarten aus. Die 2019 in Deutschland eingeführte Visa Debitkarte erfülle das Bedürfnis der Konsumenten nach einer digitalen, multikanalfähigen und weltweit akzeptierten Zahlungsmethode, nannte das Unternehmen die Vorzüge des Zahlungsmittels.
Doch was versteht man eigentlich unter einer Debitkarte? Laut Stiftung Warentest wird der Begriff »Debit« international für Karten verwendet, bei denen die Bank die Umsätze ohne Zeitverzögerung direkt und in voller Höhe vom Girokonto abbucht. Auch die Girocard ist daher technisch und rechtlich eine Debitkarte, was zu Verwirrung führen kann. Im Gegensatz dazu werden die Umsätze bei Standard-Kreditkarten nur einmal im Monat gesammelt per Lastschrift vom Girokonto eingezogen. Die Debitkarten von Visa und Mastercard, die Banken mittlerweile vermehrt ausgeben, positionieren sich dazwischen. Der Umsatz wird direkt vom Girokonto abgebucht, der Herausgeber ist aber eine Kreditkartengesellschaft. Die neuen Debitkarten vereinen laut Stiftung Warentest die Vorteile von Girocard und Kreditkarte: die Kontrolle über die Ausgaben, weil der Umsatz sofort vom Girokonto abgebucht wird, die Möglichkeit, online zu zahlen, und die Akzeptanz weltweit.
Das sind genau die Gründe, warum beispielsweise die Deutsche Kreditbank AG (DKB) die Visa Debitkarte kostenfrei zum Girokonto anbietet. Das gilt für alle unter 28 Jahren oder bei 700 Euro monatlichem Geldeingang. Auf Wunsch können DKB-Kunden für 0,99 Euro im Monat eine Girokarte plus Co-Badge sowie eine Visa Kreditkarte für 2,49 Euro monatlich hinzubuchen, informiert Pressesprecher Hauke Kramm. Kunden der Targobank müssen sich hingegen entscheiden, ob sie die Girocard oder die Visa Debitkarte kostenfrei als Zahlungsmittel nutzen möchten. Beides gleichzeitig ist nicht möglich. »Die Visa Debitkarte bietet gegenüber der Girocard zusätzliche Mehrwerte, zum Beispiel weltweite Kartenakzeptanz, sicheres Bezahlen im Online-Handel sowie die Hinterlegung bei Hotel- und Mietwagen-Reservierungen«, erläutert Pressesprecherin Sonja Glock. Des Weiteren biete die Karte die Möglichkeit, per Apple Pay zu zahlen, so Glock.
Die Sparkassen wollen ab dem Sommer ebenfalls die neuen Debit-Kreditkarten anbieten, allerdings nur in Kombination mit einer Girocard. Auf der Sparkassen-Card ist und bleibt sie das Kernstück, informiert Thomas Rienecker, Pressesprecher des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes (DSGV). Zusätzlich zur Girocard gebe es auf nahezu jeder Sparkassen-Card noch ein zweites Zahlverfahren, ein sogenanntes Co-Badge, mit dem auch im Ausland bezahlt werden könne. Derzeit sei das entweder Maestro von Mastercard oder V-Pay von Visa. Da Mastercard entschieden habe, Maestro ab dem Sommer nicht mehr anzubieten, könnten die Kunden auf den neuen Sparkassen-Cards zusätzlich zur Girocard die Debitkarten von Mastercard oder Visa nutzen. Die Deutschen Volks- und Raiffeisenbanken bieten ihren Kunden zum Girokonto in der Regel eine Karte mit Girocard sowie einer zweiten Debitkartenfunktion an, beispielsweise Maestro, V-Pay, Debit Mastercard oder Visa Debit.
Ganz auf das klassische Modell setzt die Apobank. Sie bietet ihren Privatkunden die Bank-Card als Äquivalent zur Girocard an. Zusätzlich können die Kunden klassische Kreditkarten erhalten. Die neuartigen Debitkarten von Visa und Mastercard gehören hingegen nicht zum Portfolio der Apobank, informiert Christoph Moschner, Leiter des Vertriebsmanagements.
Doch welche Entgelte fallen im Handel und damit auch in Apotheken an, wenn Kunden verstärkt mit Debitkarten von Visa oder Mastercard zahlen? Dazu wollten sich die befragten Kreditinstitute beziehungsweise deren Verbände nicht äußern, sondern verwiesen auf unterschiedliche Konditionen je nach Anbieter. Denn hier liegt die Kehrseite der neuen Debitkarten. »Für die Händler hat die verstärkte Zahlung mit diesen Karten höhere Gebühren zur Folge«, sagt Guido Michels von der Treuhand Hannover. Das betreffe auch Apotheken. Während die Gebühren bei Zahlung mit einer EC-Karte zwischen 0,2 bis 0,3 Prozent vom Umsatz der Transaktion betragen, liegen sie bei Einsatz einer Debitkarte von Visa oder Mastercard meist zwischen 0,7 und 1,0 Prozent vom Umsatz der Transaktion, schätzt Michels.
Für die Händler bedeutet dies also zwei bis drei Mal so hohe Kosten. Verhandlungsmöglichkeiten für Apothekerinnen und Apotheker sieht der Treuhand-Experte nicht. Sie hätten lediglich die Möglichkeit, sich von verschiedenen Banken Angebote einzuholen.
In Apotheken fallen die höheren Gebühren besonders ins Gewicht, wenn Patienten mit den Debit-Kreditkarten hochpreisige Arzneimittel auf Privatrezept bezahlen wollen. Begleicht eine Patientin oder ein Patient beispielsweise die Kosten für ein verschreibungspflichtiges Chemotherapeutikum im Wert von 15000 Euro mit einer Debit-Kreditkarte, muss die Apotheke dafür Gebühren zwischen rund 104 und 150 Euro an das Kreditinstitut oder den Zahlungsdienstleister abführen.
Wegen der höheren Gebühren lehnen bislang viele Apotheker Zahlungen per Kreditkarte ab. Sie verweisen dann meist auf die Möglichkeit, per EC-Karte zu zahlen. Falls Patienten dies nicht möchten, riskieren Inhaber bei einer Ablehnung der Kreditkarte oder Debit-Kreditkarte allerdings, dass die Kunden verärgert sind und sich eine neue Apotheke suchen. Doch gibt es auch eine Möglichkeit, die Höhe der Gebühren in Grenzen zu halten, ohne Kunden zu verprellen? »Apotheker können Patienten bei hohen Beträgen anbieten, eine Rechnung auszustellen«, schlägt Treuhand-Experte Michels vor. Empfehlenswert sei dies allerdings nur bei Kunden, die als vertrauenswürdig bekannt seien, da bei dieser Methode das Risiko eines Zahlungsausfalls hoch sei. Im Gegensatz dazu garantieren die Kreditinstitute bei Zahlung per EC- oder Kreditkarte, dass die Händler ihr Geld erhalten. Michels nennt aber noch eine weitere Möglichkeit, wie Apotheker hohe Gebühren vermeiden und gleichzeitig ihr Risiko minimieren.
Falls es sich bei teuren Medikamenten um ein Folgerezept handelt, könnten Apothekeninhaber Kontakt mit der privaten Krankenversicherung aufnehmen und über eine Abtretungserklärung erreichen, dass die Kasse die Zahlung abwickelt. »Das ist eine elegante Lösung«, so Michels. Allerdings seien die Versicherungen dazu nicht verpflichtet, räumt der Treuhand-Experte ein.
Steht nun den Apotheken angesichts der zunehmenden Beliebtheit von Zahlungen mit Debit-Kreditkarten eine weitere massive Kostenbelastung bevor? »Für den Handel allgemein ist das ein großes Thema«, schätzt Michels ein. Grob geschätzt, fallen laut Michels derzeit für eine Apotheke pro Monat um die 200 bis 300 Euro an Gebühren für die Zahlungsabwicklung an. Künftig wären dann einige Tausend Euro pro Jahr an Mehrkosten wahrscheinlich. Allerdings werde dieser Prozess langsam vonstattengehen, denn die Debit-Kreditkarten werden erst nach und nach von den Banken angeboten. »Für die Apotheken ist dies trotzdem ärgerlich, denn sie haben wenig Möglichkeiten, die Mehrkosten durch höhere Preise an die Kunden weiterzugeben«, sagt der Treuhand-Experte und fügt hinzu: »Viele werden vermutlich in den sauren Apfel beißen und die teureren Karten akzeptieren, statt Kunden zu verprellen.«
Das Virus SARS-CoV-2 hat unsere Welt verändert. Seit Ende 2019 verbreitet sich der Erreger von Covid-19 und stellt die Wissenschaft vor enorme Herausforderungen. Sie hat sie angenommen und rasch Tests und Impfungen, auch für Kinder, entwickelt. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronavirus.