Neuer Wirkstoff bei überaktiver Blase |
Brigitte M. Gensthaler |
06.11.2024 08:00 Uhr |
Der Effekt trat innerhalb von zwei Wochen ein und blieb über zwölf Wochen erhalten. Im Vibegron-Arm brachen 1,7 Prozent der Patienten die Therapie wegen Nebenwirkungen ab, unter Tolterodin waren es 3,3 Prozent und unter Placebo 1,1 Prozent. 1,7 Prozent der Patienten entwickelten unter Vibegron einen Bluthochdruck – genauso viele wie unter Placebo
Eine anhaltende Wirksamkeit wurde auch in der Verlängerungsstudie mit rund 500 Patienten gezeigt. Alle Patienten hatten an der zwölfwöchigen Studie teilgenommen, sodass sie insgesamt 52 Wochen überwacht worden waren. 41 Prozent der Patienten im Vibegron-Arm gegenüber 34 Prozent unter Tolterodin hatten zu Woche 52 gar keine Dranginkontinenz mehr; bei 61 versus 54 Prozent waren diese Episoden um mindestens 75 Prozent reduziert.
Die Studie URO-901-1001 mit 214 Patienten mit überaktiver Blase zeigte, dass sich Vibegron nicht signifikant oder klinisch bedeutsam auf den Blutdruck oder die Herzfrequenz auswirkt.
Die häufigsten Nebenwirkungen sind Harnwegsinfektion (6,6 Prozent), Kopfschmerzen (5,0 Prozent), Diarrhö und Übelkeit. Am häufigsten zum Absetzen der Behandlung führten Kopfschmerzen (0,5 Prozent), Obstipation, Diarrhö, Übelkeit und Ausschlag (jeweils 0,2 Prozent).
Bei Anwendung von Vibegron mit CYP3A- oder P-gp-Induktoren oder -Inhibitoren ist keine Dosisanpassung erforderlich. Dennoch empfiehlt die Fachinformation, bei der Kombination mit empfindlichen P-gp-Substraten mit enger therapeutischer Breite, zum Beispiel Dabigatran, Apixaban oder Rivaroxaban, auf mögliche Wechselwirkungen zu achten.
Die Anwendung von Vibegron in der Schwangerschaft wird nicht empfohlen. Stillende Frauen sollen es nicht einnehmen.
Vibegron ist nicht der erste β3-Adrenorezeptor-Agonist zur symptomatischen Therapie bei überaktiver Blase. Mit Mirabegron kam vor einigen Jahren bereits ein sehr ähnlicher Arzneistoff mit identischem Wirkmechanismus für diese Indikation in den Handel. Einen direkten Studienvergleich mit Mirabegron gibt es nicht, sodass der Therapiefortschritt zunächst einmal überschaubar ist.
Doch es gibt auch Gründe, die für eine höhere Einstufung als als Analogpräparat sprechen. Denn der neue Wirkstoff ist anders als Mirabegron nicht bei schwerer, nicht ausreichend eingestellter Hypertonie kontraindiziert. Auch fehlt in der Fachinformation von Vibegron der allgemeine Warnhinweis zur Hypertonie. Damit kann der neue Wirkstoff bei einer breiteren Patientengruppe zum Einsatz kommen. Hinzu kommt, dass Vibegron hinsichtlich dieses Therapiemanagements vorteilhaft sein kann, etwa bei Patienten mit Nieren- oder Leberfunktionseinschränkungen. Bei Mirabegron sind hier dagegen unter Umständen Dosismodifikationen notwendig. Auch das Wechselwirkungspotenzial von Vibegron ist geringer als jenes von Mirabegron. Insgesamt lässt sich damit die vorläufige Einstufung als Schrittinnovation rechtfertigen.
Sven Siebenand, Chefredakteur