Neuer Wirkstoff bei chronischer Anämie |
Kerstin A. Gräfe |
07.09.2020 07:00 Uhr |
Die Zulassung basiert auf den Phase-III-Studien MEDALIST (MDS) und BELIEVE (β-Thalassämie). MEDALIST untersuchte bei 229 transfusionspflichtigen MDS-Patienten die Sicherheit und Wirksamkeit von Luspatercept in Kombination mit Best Supportive Care (BSC) im Vergleich zu Placebo plus BSC. Primärer Endpunkt war eine Transfusionsfreiheit ≥ 8 Wochen. Diese wurde in den Wochen 1 bis 24 von 37,9 Prozent der Patienten mit Luspatercept und von 13,2 Prozent der Patienten mit Placebo erreicht (p < 0,0001). Die am häufigsten berichteten Nebenwirkungen waren Müdigkeit, Durchfall, Schwächegefühl, Schwindelgefühl, Rückenschmerzen und Kopfschmerzen.
Die Studie BELIEVE verglich an 336 erwachsenen β-Thalassämie-Patienten Luspatercept in Kombination mit BSC versus Placebo plus BSC. Als primärer Endpunkt war das erythroide Ansprechen definiert. Dieses war definiert als ≥ 33-prozentige Verringerung der EK-Transfusionslast während der Wochen 13 bis 24 im Vergleich zum 12-Wochen-Ausgangswert vor der Randomisierung. Unter Luspatercept erreichten mit 21,4 Prozent signifikant mehr Patienten den primären Endpunkt als unter Placebo mit 4,5 Prozent. Als häufigste Nebenwirkungen traten Kopf-, Knochen- und Gelenkschmerzen auf.
Reblozyl ist im Kühlschrank bei 2 bis 8 °C zu lagern. Vor der Verabreichung muss es vorsichtig rekonstituiert werden, wobei aggressives Schütteln zu vermeiden ist. Bei Aufbewahrung in der Originalverpackung wurde die chemische und physikalische Stabilität des rekonstituierten Arzneimittels für bis zu acht Stunden bei Raumtemperatur (≤ 25 °C) oder für bis zu 24 Stunden bei 2 bis 8 °C belegt.
Luspatercept ist bei den Sprunginnovationen einzugruppieren. Es handelt sich um den ersten Vertreter einer neuen Wirkstoffklasse. Die Substanz wirkt als Erythrozyten-Reifungs-Aktivator. Der Wirkstoff fördert die Ausreifung der Erythrozyten im Spätstadium der Erythropoese. Luspatercept besitzt damit das Potenzial, die mit myelodysplastischen Syndromen (MDS) und β-Thalassämie verbundene ineffektive Erythropoese zu behandeln.
Beide Patientengruppen profitieren, wie die Zulassungsstudien zeigen. Für die Gabe von Luspatercept konnte gezeigt werden, dass sie die Anzahl notwendiger Erythrozytenkonzentrat-(EK-)Transfusionen bei MDS-Patienten signifikant reduzieren und sogar zu einer Transfusionsunabhängigkeit führen kann. Ebenso bietet der neue Wirkstoff geeigneten erwachsenen Patienten mit β-Thalassämie eine neue Behandlungsoption zur Behandlung ihrer Anämie und damit die Möglichkeit, in geringerem Maße auf regelmäßige EK-Transfusionen angewiesen zu sein.
Die geringere Transfusionslast bedeutet in beiden Patientengruppen einen Gewinn an Lebensqualität. Zudem sind häufige Transfusionen oft mit einer Eisenüberladung und sekundären Organschäden verbunden. Dank Luspatercept dürfte das Risiko hierfür geringer sein, weil eine gesenkte Transfusionslast gleichzeitig auch die mit den Transfusionen assoziierte Morbidität reduziert.
Sven Siebenand, Chefredakteur