Neuer Covid-19-Impfstoff in Japan zugelassen |
Christina Hohmann-Jeddi |
11.12.2023 15:00 Uhr |
Ein Covid-19-Impfstoff mit neuer mRNA-Technologie wurde nun erstmals in Japan zugelassen. / Foto: Getty Images/Toshe_O
Das japanische Gesundheitsministerium hat Ende November als Erstes weltweit einen Impfstoff mit sogenannter selbstamplifizierender mRNA (sa-mRNA) zugelassen. Die US-Firma Arcturus Therapeutics mit Sitz in San Diego hatte diesen gegen SARS-CoV-2 gerichteten Impfstoff ARCT-154 zusammen mit dem Biotechnologieunternehmen CSL entwickelt. Er kann zur Grundimmunisierung oder Auffrischung bei Personen ab 18 Jahren eingesetzt werden.
Die in dem Impfstoff enthaltene mRNA kodiert wie andere mRNA in Coronaimpfstoffen für das Spike-Protein des Virus, enthält aber zusätzlich Gene für das Enzym Replikase, das – sobald es gebildet wurde – die mRNA vervielfältigen kann. Somit kann die sa-mRNA über einen längeren Zeitraum als die mRNA in den bisher zugelassenen Covid-19-Impfstoffen Antigen bilden und das Immunsystem anregen. Zudem kann die Impfdosis geringer gehalten werden, was die Verträglichkeit steigern soll.
Dass ARCT-154 diese Ansprüche weitestgehend erfüllt, zeigte sich in einer Phase-III-Studie, in der die Immunantwort auf einen ARCT-154-Booster mit einem Comirnaty®-Booster verglichen wurde. In dieser Untersuchung erhielten 828 Personen, die bereits dreimal mit einem mRNA-basierten Covid-19-Impfstoff geimpft worden waren, entweder ARCT-154 oder Comirnaty. Die Ergebnisse erschienen in einem Preprint auf dem Server »Medrxiv«.
Vier Wochen nach der Auffrischung waren die mittleren Antikörpertiter gegen die Ursprungsvariante (Wuhan) von SARS-CoV-2 in der ARCT-154-Gruppe um das 1,4-Fache höher als in der Comirnaty-Gruppe, was einer Nichtunterlegenheit entsprach. Die mittleren Antikörpertiter gegen die Omikron-Varianten BA.4/5 waren zudem um das 1,3-Fache höher, was als Überlegenheit gewertet wurde. Die Verträglichkeit der beiden Impfstoffe fiel vergleichbar aus.
Von den Geimpften berichteten 94,8 Prozent der ARCT-154-Gruppe und 96,8 Prozent der Comirnaty-Gruppe von lokalen Reaktionen an der Injektionsstelle. Systemische unerwünschte Wirkungen wurden bei 65,7 Prozent unter ARCT-154 und 62,5 Prozent unter Comirnaty festgestellt.
Die Zulassung basiere auf den Ergebnissen dieser Booster-Studie sowie weiterer ARCT-154-Studien, darunter eine laufende Wirksamkeitsstudie mit 16.000 Probanden in Vietnam, heißt es in einer Mitteilung von Arcturus vom 28. November. »Die selbstamplifizierende mRNA-Technologie hat das Potenzial, eine dauerhafte Impfstoffoption zu sein«, wird darin der Nobelpreisträger Professor Dr. Drew Weissman zitiert. »Ich freue mich darauf, dass diese mRNA-Technologie der nächsten Generation viele Menschen vor Covid-19 und möglicherweise anderen gefährlichen Infektionskrankheiten schützen wird.« In der Pressemitteilung steht, dass die Technologie das Potenzial habe, stärkere Immunantworten und langanhaltenderen Schutz zu induzieren. Letzteres kann aus den bisher veröffentlichten Daten aber nicht abgelesen werden.
Selbstamplifizierende mRNA kann also Kopien von sich selbst herstellen lassen. Hierfür enthält sie die Bauanleitung für Replikasen. Bei ARCT-154 stammt die Replikationsmaschinerie aus dem Venezolanischen Pferdeenzephalitis-Virus, einem durch Mücken übertragenen Erreger, der bei Pferden und Menschen tödliche Hirnschwellungen verursachen kann. Es fehlen aber Schlüsselgene des Virus, sodass das System nicht infektiös und sicher für den Einsatz beim Menschen ist.
An sa-mRNA werde schon seit 20 Jahren geforscht, berichten Expertinnen und Experten in einem Beitrag auf dem Nachrichtenportal des Journals »Nature«. Die erste Zulassung sei eine Bestätigung, dass solche Impfstoffe realisiert werden können. Derzeit befänden sich insgesamt zwölf sa-mRNA-Impfstoffkandidaten gegen verschiedene Pathogene in klinischen Studien. Die meisten auf Basis eines Alphavirus, bei dem die Gene für die Replikationsmaschinerie erhalten bleiben und die Gene für die Strukturproteine durch das Gen für das gewünschte Zielantigen ersetzt wurden. Theoretisch seien auch Präparate denkbar, die die Produktion von therapeutischen Proteinen anregen.
Die Experten betonen, dass sa-mRNA keine Variation von mRNA-Impfstoffen sei, sondern ein eigenes Konstrukt. Aufgrund ihres virusähnlichen Charakters interagiere sa-mRNA mit dem Immunsystem auf besondere Weise. So könnten etwa Replikationszwischenprodukte das Immunsystem zusätzlich stimulieren, wodurch sich die Impfdosis senken lasse, was aber auch bei zu starker Reaktion zu einer Blockade der RNA-Replikation führen kann. Es sei daher ein Balanceakt, die korrekte Dosis zu finden.
Das Virus SARS-CoV-2 hat unsere Welt verändert. Seit Ende 2019 verbreitet sich der Erreger von Covid-19 und stellt die Wissenschaft vor enorme Herausforderungen. Sie hat sie angenommen und rasch Tests und Impfungen, auch für Kinder, entwickelt. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronavirus.