Neuer Antikörper schützt Frühchen vor RS-Virus |
Daniela Hüttemann |
31.07.2020 11:00 Uhr |
Zu früh geborenen Kindern können Viren, mit denen die meisten reif geborenen Babys klar kommen, gefährlich werden. / Foto: Getty Images/arrow
RSV ist ein sehr häufiges Virus, das die Atemwege befällt und vor allem Kindern unter einem Jahr gefährlich werden kann. Jährlich müssen Millionen Säuglinge weltweit aufgrund einer Bronchiolitis oder Lungenentzündung, verursacht durch RSV, im Krankenhaus behandelt werden. Die meisten gelten ansonsten als gesund. Bis zum Beginn des dritten Lebensjahrs sind Schätzungen zufolge bis zu 90 Prozent aller Kinder mit dem Virus in Berührung gekommen. Es kann besonders zu früh geborenen Kindern gefährlich werden.
An dieser vulnerablen Patientengruppe haben Sanofi-Pasteur und Astra-Zeneca nun eine passive Immunisierung gegen das Virus untersucht. Die Ergebnisse der Phase-IIb-Studie sind heute im »New England Journal of Medicine« erschienen. Eingeschlossen waren 1453 Neugeborene, die in der 29. bis 35. Schwangerschaftswoche zur Welt kamen und ansonsten als gesund galten. 969 erhielten zu Beginn der RSV-Saison eine Einmaldosis des monoklonalen Antikörpers Nirsevimab, 484 Frühchen bekamen eine intramuskuläre Placebo-Injektion.
In der Antikörper-Gruppe traten innerhalb der folgenden 150 Tage 70 Prozent weniger RSV-Infektionen auf als in der Vergleichsgruppe, berichten die Autoren. Genauer gesagt waren es 25 Kinder unter Nirsevimab (2,6 Prozent) gegenüber 46 Kindern (9,5 Prozent) unter Placebo. Der Unterschied war statistisch signifikant. Damit wurde der primäre Endpunkt der Studie erreicht.
Auch beim sekundären Endpunkt, einer Hospitalisierung aufgrund einer RSV-assoziierten Erkrankung der unteren Atemwege, konnte die passive Immunisierung punkten: Während acht Kinder der Verumgruppe (0,8 Prozent) ins Krankenhaus mussten, waren es unter Placebo 20 Babys (4,1 Prozent) – eine Risikoreduktion um 78 Prozent. »Diese Unterschiede waren konsistent über die 150 Tage nach der Applikation und über die Studienorte und RSV-Subtypen verteilt«, schreibt die Studiengruppe. Die Nebenwirkungsraten waren vergleichbar und es traten keine bemerkenswerten Hypersensibilitäts-Reaktionen auf.
Nirsevimab ist ein rekombinant hergestellter humaner monoklonaler Antikörper, der an eine hoch konservierte Region des RSV-Fusionsproteins bindet. Eine Modifikation am Fc-Fragment des Antikörpers verlängert die Halbwertzeit des Medikaments, sodass der Schutz über eine gesamte RSV-Saison anhalten soll, die normalerweise fünf Monate zwischen Herbst und Winter umfasst.
Das ist ein großer Vorteil gegenüber dem Antikörper Palivizumab (Synagis® von Abbvie), der monatlich verabreicht werden muss, also fünfmal während einer Saison. Palivizumab ist bereits seit 1999 in der EU zugelassen zur Prävention einer RSV-Infektion bei Kindern, die vor der 36. Schwangerschaftswoche geboren wurden oder unter zwei Jahren sind und aufgrund einer schweren Erkrankung zur Hochrisikogruppe gehören. In den USA bekommen nur etwa 2 Prozent aller Babys eines Jahrgangs diese passive Immunisierung.
Phase-II/III-Studien mit regulär geborenen Babys (also keine Frühchen), gesunden »späten« Frühchen sowie Säuglingen mit hohem Risiko für eine RSV-Infektion sind bereits initiiert. Es sollen Kindern an 350 Zentren in der nördlichen und südlichen Hemisphäre teilnehmen. Die Ergebnisse werden im Jahr 2023 erwartet.
Bis zu einer Zulassung dieser passiven Immunisierung wird es also noch ein paar Jahre dauern (erfolgreiche Phase-III-Studien vorausgesetzt). Sanofi-Pasteur und Astra-Zeneca streben an, dass der Antikörper allen Kindern vor Beginn ihres ersten Winters gegeben wird sowie Kindern mit Herzfehlern oder chronischen Lungenerkrankungen auch im zweiten Lebensjahr.