Neuer Antikörper bei seltener Hauterkrankung |
Kerstin A. Gräfe |
01.03.2023 08:15 Uhr |
Der Antikörper Spesolimab blockiert den Interleukin-36-Rezeptor, dessen Aktivierung in der Pathogenese der generalisierten pustulösen Psoriasis eine entscheidende Rolle spielt. / Foto: Getty Images/Kateryna Kon/Science Photo Library
GPP ist eine heterogene und potenziell lebensbedrohliche Hauterkrankung, die sich klinisch von der Psoriasis vulgaris unterscheidet. Sie entsteht durch Ansammlungen von neutrophilen Granulozyten in der Haut, wodurch sich am ganzen Körper schmerzhafte, sterile Pusteln bilden. Bei einigen Patienten verläuft die Krankheit rezidivierend mit unregelmäßig wiederkehrenden Schüben, bei anderen tritt sie in einer persistierenden Form auf. Der Schweregrad der Schübe kann variieren. Bleiben sie unbehandelt, können sie aufgrund von Komplikationen wie Sepsis und Multisystem-Organversagen lebensbedrohlich sein.
Die genaue Pathogenese der GPP ist ungeklärt, jedoch spielt nachweislich das Zytokin Interleukin-36 (IL-36) eine zentrale Rolle. Spesolimab (Spevigo® 450 mg Konzentrat zur Herstellung einer Infusionslösung, Boehringer Ingelheim) bindet an den IL-36-Rezeptor, verhindert dessen Aktivierung durch seine Liganden (Interleukin-36 α, β und γ) und somit die nachgeschaltete Aktivierung proentzündlicher Signalwege.
Spevigo wird als Monotherapie eingesetzt zur Behandlung von Schüben bei erwachsenen GPP-Patienten. Die empfohlene Dosis ist eine Einmalgabe von 900 mg, verabreicht als intravenöse Infusion. Bei persistierender Schubsymptomatik können eine Woche nach der initialen Dosis weitere 900 mg verabreicht werden.
Spesolimab kann das Risiko für Infektionen erhöhen. Bei Patienten mit einer chronischen oder rezidivierenden Infektion in der Vorgeschichte sollten vorab Risiken und Nutzen der Behandlung abgewogen werden. Sie sollte nicht eingeleitet werden bei Patienten mit einer klinisch bedeutsamen aktiven Infektion, bis diese abgeklungen oder angemessen behandelt ist.
Vor Beginn der Behandlung sind die Patienten auf eine Tuberkulose- (Tbc-)Infektion zu untersuchen. Bei aktiver Tbc ist der Antikörper kontraindiziert. Bei Patienten mit latenter Tbc, Tbc in der Vorgeschichte oder möglicher früherer Exposition gegenüber Personen mit aktiver Tbc, bei denen eine angemessene Behandlung nicht bestätigt werden kann, sollte vor Beginn der Behandlung eine Anti-Tbc-Therapie erwogen werden. Nach der Spesolimab-Behandlung sollten die Patienten auf Anzeichen und Symptome einer aktiven Tbc überwacht werden.
Wie bei anderen monoklonalen Antikörpern können unter Spesolimab Überempfindlichkeitsreaktionen und infusionsbezogene Reaktionen auftreten. Zeigt ein Patient Anzeichen einer Anaphylaxie oder anderer schwerer Überempfindlichkeiten, ist die Behandlung unverzüglich abzubrechen und eine angemessene Behandlung einzuleiten. Treten während der Infusion leichte oder mittelschwere Überempfindlichkeitsreaktionen auf, sollte die Behandlung abgebrochen und zum Beispiel die systemische Gabe von Antihistaminika und/oder Corticosteroiden in Betracht gezogen werden. Nach Abklingen der Reaktion kann die Infusion mit einer langsameren Infusionsgeschwindigkeit wiederaufgenommen werden, die bis zum Abschluss der Infusion schrittweise erhöht wird.
Die gleichzeitige Anwendung von anderen Immunsuppressiva und Spesolimab wird nicht empfohlen. Zu Beginn der Spesolimab-Behandlung sollten andere GPP-Behandlungen abgesetzt werden und andere Behandlungen (zum Beispiel mit systemischen Immunsuppressiva) nicht gleichzeitig zur
Behandlung des Krankheitsschubs eingesetzt werden.
Laut Fachinformation muss der zeitliche Abstand zwischen dem Erhalt von Lebendimpfstoffen und dem Beginn der Spesolimab-Behandlung mindestens vier Wochen betragen. Nach der Behandlung mit dem Antikörper sind für einen Zeitraum von mindestens 16 Wochen keine Lebendimpfstoffe zu verabreichen.
Als Vorsichtsmaßnahme soll eine Anwendung von Spesolimab während der Schwangerschaft vermieden werden. Das neue Medikament kann – abgesehen von den ersten Tagen nach der Geburt – während der Stillzeit angewendet werden, sofern dies klinisch indiziert ist.
Die bedingte Zulassung von Spesolimab basiert auf den Ergebnissen der Phase-II-Studie EFFISAYIL™-1. An der zwölfwöchigen Studie nahmen 53 Patienten mit einem GPP-Schub teil, die randomisiert entweder eine intravenöse Einzeldosis von 900 mg Spesolimab oder Placebo erhielten. Der primäre Endpunkt war ein Wert von 0 für den Pustulations-Subscore des GPPGA (Generalized Pustular Psoriasis Physician Global Assessment) nach einer Woche. Der wichtigste sekundäre Endpunkt war ein GPPGA-Score von 0/1 (erscheinungsfreie/nahezu erscheinungsfreie Haut) nach einer Woche.
Nach einer Woche hatten 54 Prozent der mit Spesolimab behandelten Patienten keine sichtbaren Pusteln mehr (GPPGA-Pustulationswert 0), im Vergleich zu 6 Prozent der mit Placebo behandelten Patienten. Darüber hinaus war die Haut bei 43 Prozent der mit Spesolimab behandelten Patienten nach einer Woche erscheinungsfrei oder nahezu erscheinungsfrei (GPPGA-Score 0/1), im Vergleich zu 11 Prozent der Patienten in der Placebogruppe.
Sehr häufige Nebenwirkungen sind Infektionen und Reaktionen an der Injektionsstelle. Zudem kommt es häufig zu Juckreiz und Ermüdung.
Spevigo ist im Kühlschrank bei 2 bis 8 °C zu lagern.
Spesolimab ist eine Sprunginnovation. Dafür gibt es mehrere Gründe: Erstens handelt es sich um das erste zugelassene Biologikum, das direkt auf den Interleukin-36 (IL-36)-Signalweg abzielt und diesen hemmt. Zudem ist Spesolimab die erste zielgerichtete Therapie für Schübe der generalisierten pustulösen Psoriasis (GPP) bei Erwachsenen, einer potenziell lebensbedrohlichen Erkrankung, für die es bisher nur begrenzte Behandlungsoptionen gibt. Die zulassungsrelevante Studie zeigte, dass mehr als 50 Prozent der mit Spesolimab behandelten Patienten eine Woche nach Gabe einer Einzeldosis frei von Pusteln waren. Das reduziert die Krankheitslast und erhöht die Lebensqualität der Betroffenen.
Gut möglich, dass man in der Zukunft noch mehr von dem Antikörper hören wird. So zeigen Daten der Studie Effisayil™2, dass das Biologikum auch ein Potenzial bei der Prävention von GPP-Schüben besitzt. Ferner wird Spesolimab auch für die Behandlung anderer neutrophiler Hauterkrankungen untersucht, bei denen IL-36 eine Rolle spielt.
Sven Siebenand, Chefredakteur