Neuer Ansatz zur Hemmung des Komplementsystems |
Annette Rößler |
04.05.2022 07:00 Uhr |
Zulassungsrelevante Daten zur Wirksamkeit und Sicherheit des neuen Arzneistoffs stammen aus der offenen Phase-III-Studie APL2-302, an der 80 Patienten mit PNH teilnahmen, die trotz einer Therapie mit Eculizumab Hämoglobinspiegel von <10,5 mg/dl aufwiesen. Alle Probanden erhielten während einer vierwöchigen Vorlaufphase zusätzlich zu ihrer aktuellen Eculizumab-Dosis zweimal wöchentlich 1080 mg Pegcetacoplan. In der anschließenden randomisierten, kontrollierten Phase (RCP) wurden 41 Patienten über 16 Wochen mit Pegcetacoplan weiterbehandelt und 39 mit Eculizumab. In der Pegcetacoplan-Gruppe schlossen 38 Patienten die RCP ab und in der Eculizumab-Gruppe alle 39.
Primärer Wirksamkeitsendpunkt war die Veränderung des Hämoglobinspiegels vom Ausgangswert bis Woche 16. Diese betrug in der Pegcetacoplan-Gruppe +2,4 mg/dl und in der Eculizumab-Gruppe -1,5 mg/dl – ein statistisch signifikanter Vorteil für das neue Präparat. Von den mit Aspaveli behandelten Patienten erreichte jeder dritte (34 Prozent) eine Normalisierung des Hämoglobinwerts, von den Patienten unter fortgesetzter Eculizumab-Therapie keiner. In den sekundären Endpunkten Transfusionsvermeidung und Veränderung der absoluten Retikulozytenzahl konnte die Nichtunterlegenheit von Pegcetacoplan gezeigt werden. Dagegen wurde bei der Veränderung des LDH-Werts die Nichtunterlegenheit verfehlt.
Die häufigsten Nebenwirkungen von Pegcetacoplan waren Reaktionen an der Injektionsstelle, Infektionen der oberen Atemwege, Bauchschmerzen, Durchfall, Kopfschmerzen, Müdigkeit und Fieber. Als schwerwiegende Nebenwirkungen traten am häufigsten Hämolyse und Thrombozytopenie auf.
Aspaveli ist in der Orginalverpackung bei 2 bis 8 °C im Kühlschrank zu lagern.
PNH ist eine seltene, aber schwere hämatologische Erkrankung, bei der eine unkontrollierte Komplementaktivierung zur Zerstörung der Erythrozyten durch intravasale und extravasale Hämolyse führt. Mit Eculizumab und Ravulizumab gibt es bereits seit einiger Zeit Antikörper, die sich gegen den Komplementfaktor C5 richten und mit Erfolg eingesetzt werden. Es ist aber leider keine Seltenheit, dass Patienten trotz dieser Antikörper Erythrozyten-transfusionsbedürftig bleiben, zum Beispiel wegen residueller intravasaler Hämolyse und der Verschiebung hin zu verstärkter extravasaler Hämolyse. Daher kann Pegcetacoplan – auch wenn es bisher nicht in der Erstlinie zugelassen ist – als relevanter Therapiefortschritt gesehen werden, der die Lebensqualität vieler Betroffener verbessern kann.
Die Einstufung als Sprunginnovation ist bei Pegcetacoplan auch deswegen gerechtfertigt, weil es sich – unabhängig von der Indikation – um den ersten zugelassenen zielgerichteten C3-Komplementinhibitor handelt. Die Daten der Hauptstudie bei PNH untermauern diese Einstufung. Dank Pegcetacoplan stieg der Hämoglobinspiegel bei mit Eculizumab vorbehandelten Patienten, die noch immer anämisch waren. Auch Transfusionen waren seltener notwendig.
Ein Blick in die Pipeline zeigt, dass eine Vielzahl weiterer Komplementinhibitoren mit teils unterschiedlichen Angriffspunkten klinisch geprüft werden, auch bei PNH. Gut möglich, dass es daher in den kommenden Jahren weitere positive Nachrichten bezüglich der Versorgung von Patienten mit PNH geben wird.
Sven Siebenand, Chefredakteur