Neue zielgerichte Option bei Lungenkrebs |
Brigitte M. Gensthaler |
11.06.2025 07:00 Uhr |
Die Wirksamkeit von Repotrectinib wurde in der multizentrischen, einarmigen, offenen Multikohortenstudie der Phase I/II TRIDENT-1 an erwachsenen Patienten mit unterschiedlichen soliden Tumoren mit ROS1- oder NTRK1-3-Translokationen untersucht. Insgesamt 519 Patienten erhielten Repotrectinib; 103 wurden in Phase I behandelt und 416 in Phase II. Rund 90 Prozent erhielten das nun zugelassene Dosierungsschema. Der primäre Endpunkt in Phase II war das objektive Gesamtansprechen. Zu den sekundären Endpunkten gehörten die Dauer des Ansprechens, das progressionsfreie Überleben (PFS) und das Gesamtüberleben.
In der Subgruppe der therapienaiven ROS1-positiven NSCLC-Patienten mit keiner vorherigen ROS1-TKI-Therapie zeigten 77 Prozent ein Ansprechen (93 von 121 Patienten). Die mediane Ansprechdauer betrug 33,6 Monate. Von denjenigen Patienten, die bereits einen ROS1-TKI erhalten hatten, sprachen 49 Prozent an (52 von 107). Die mediane Ansprechdauer lag hier bei 14,8 Monaten. Von 51 TKI-naiven Patienten sprachen 59 Prozent an; bei den Vorbehandelten (zum Beispiel mit Larotrectinib oder Entrectinib) waren es 48 Prozent.
Die häufigsten Nebenwirkungen waren Benommenheit, Dysgeusie, Obstipation, Parästhesie, Anämie und Dyspnoe.
Repotrectinib ist interaktionsfreudig. So sollte die gleichzeitige Anwendung mit einem starken oder moderaten CYP3A-/P-gp-Inhibitor vermieden werden, weil darunter die Plasmakonzentration von Repotrectinib deutlich ansteigt. Bei gleichzeitiger Gabe mit einem starken oder moderaten CYP3A-/P-gp-Induktor sinkt die Plasmakonzentration von Repotrectinib und seine Wirksamkeit lässt nach.
Zugleich induziert Repotrectinib selbst CYP3A4- und CYP2B6-Enzyme. Daher können die Plasmaspiegel von CYP3A4-Substraten sowie von CYP2B6-Substraten sinken.
Repotrectinib kann bei Verabreichung an schwangere Frauen den Fetus schädigen. Vor Therapiestart müssen Frauen im gebärfähigen Alter daher unter ärztlicher Überwachung einen Schwangerschaftstest machen. Ebenso müssen sie während der Behandlung und für zwei Monate nach der letzten Dosis eine hochwirksame Verhütungsmethode anwenden. Der TKI kann die Wirksamkeit systemischer, auch oraler hormoneller Kontrazeptiva herabsetzen. Männer müssen während der Behandlung und für vier Monate nach der letzten Dosis Kondome verwenden.
Augtyro hat einen mäßigen Einfluss auf die Verkehrstüchtigkeit und die Fähigkeit zum Bedienen von Maschinen, kann jedoch auf das zentrale Nervensystem einwirken und zu Schwindel, Benommenheit sowie kognitiven Störungen führen. Auch Sehstörungen wie verschwommenes, behindertes Sehen und trockene Augen sind möglich. Patienten sollen kein Fahrzeug führen und keine Maschinen bedienen, wenn solche Nebenwirkungen auftreten.
Den Innovationswert von Repotrectinib einzuordnen, fällt nicht leicht. Er liegt irgendwo zwischen Analogpräparat und Schrittinnovation. Der Wirkmechanismus ist nicht neu. Repotrectinib hemmt unter anderem NTRK und wird wie die seit Jahren verfügbaren NTRK-Hemmer Larotrectinib und Entrectinib gewebeunspezifisch zur Behandlung von NTRK-positiven soliden Tumoren verwendet. Wie Entrectinib hemmt Repotrectinib auch ROS1 und darf beim ROS1-positiven NSCLC zum Einsatz kommen. Dies spricht dafür, den Neuling als Analogpräparat zu bezeichnen.
Doch es gibt auch Argumente für eine Einordnung als Schrittinnovation. So darf Repotrectinib basierend auf den Ergebnissen der TRIDENT-1-Studie auch bei NSCLC-Patienten zum Einsatz kommen, die bereits mit einem ROS1-Hemmer vorbehandelt sind. Das ist ein Unterschied zu Entrectinib.
Ähnlich ist es im anderen Einsatzgebiet: Grundsätzlich sind für Patienten mit fortgeschrittenen soliden Tumoren mit einer NTRK-Genfusion die gezielten Behandlungsmöglichkeiten begrenzt. Auch in dieser Indikation ist hervorzuheben, dass Repotrectinib die Tumorgröße verringert, unabhängig davon, ob die Patienten zuvor eine Behandlung mit NTRK-Inhibitoren erhalten hatten.
Last, but not least gibt es Hinweise darauf, dass Repotrectinib das bessere ZNS-Ansprechen erzielt und damit zwar keinen Arzneistoff mit neuem Wirkmechanismus, aber einer der nächsten Generation darstellt – hinsichtlich ROS1- und NTRK-Hemmung.
Die EU-Zulassung erfolgte bislang unter »besonderen Bedingungen« und ist somit geknüpft an weitere Daten aus Studien. Genauso kann man bei der Einordnung vorgehen und vorläufig von einer Schrittinnovation sprechen, die die Vorschusslorbeeren aber zukünftig bestätigen muss.
Sven Siebenand, Chefredakteur