| Sven Siebenand |
| 31.05.2024 16:00 Uhr |
Professor Dr. Daniel Merk von der Ludwig-Maximilians-Universität München stellte mögliche zukünftige Wirkstoffklassen für die Behandlung neurodegenerativer Erkrankungen vor. / Foto: PZ/Alois Müller
»Trotz diverser initialer Faktoren weisen viele neurodegenerative Erkrankungen Gemeinsamkeiten und überlappende Mechanismen auf«, betonte Merk. Er verwies darauf, dass Störungen in der Proteostase, der mitochondrialen Funktion, der synaptischen Funktion sowie das Immunsystem nach aktuellen Erkenntnissen bei vielen dieser Erkrankungen eine wichtige Rolle spielen und damit auch Angriffspunkte für neue Arzneistoffe darstellen. »Einige neue Erkenntnisse haben bereits zu neuen therapeutischen Hypothesen und experimentellen Wirkstoffen geführt.«
Dazu zählen zum Beispiel Sigma-1-Rezeptor-Modulatoren. Wie Merk informierte, ist dieser Rezeptor offenbar an Autophagie-Prozessen beteiligt, kann also dazu beitragen, fehlgefaltete Proteine, die bei vielen neurodegenerativen Erkrankungen ein Problem darstellen, abzubauen. Einige Sigma-1-Rezeptor-Agonisten befinden sich in der Pipeline. Am besten beschrieben sei Blarcamesin, das zum Beispiel bei Morbus Alzheimer und bei Morbus Parkinson bereits klinisch untersucht wird.
Während es bei neurodegenerativen Erkrankungen offenbar gut ist, den Sigma-1-Rezeptor zu aktivieren, sollte der Sigma-2-Rezeptor eher gehemmt werden. Denn er kann Merk zufolge für synaptotoxische Effekte verantwortlich sein. Die klinische Entwicklung von Sigma-2-Rezeptor-Antagonisten ist jedoch noch nicht sehr weit vorangeschritten.
Merk präsentierte erste Ergebnisse einer kleinen Phase-I/II-Studie mit einer Prüfsubstanz namens CT1812. Die Studienautoren kamen zu dem Schluss, dass das Molekül hinsichtlich kognitiver Effekte keinen Erfolg gezeigt hat, aber es gibt Hinweise darauf, dass der Rückgang von Hirngewebe gebremst werden kann.
Andere Arzneistoffkandidaten in der Pipeline sind Liganden des synaptischen Vesikelproteins 2A (SV2A), einer integralen Komponente synaptischer Vesikelmembranen. »Die SV2A-Dichte ist bei neurodegenerativen Erkrankungen reduziert«, so Merk. Die Antiepileptika Levetiracetam und Brivaracetam binden hier. Beide werden bei Morbus Alzheimer schon klinisch getestet.
Gleiches gilt für Fosgonimeton (ATH-1017), dessen aktiver Metabolit ZNS-gängig ist und den Hepatozyten-Wachstumsfaktor-Rezeptor aktiviert. Dies wird mit neuroprotektiven Effekten in Zusammenhang gebracht. Merk informierte, dass Fosgonimeton momentan in einer Phase-II/III-Studie bei mildem bis moderatem Morbus Alzheimer geprüft wird.