Neue Strategien für eine krisenfeste Versorgung |
Melanie Höhn |
24.06.2025 17:00 Uhr |
Wie passen wir uns an die Folgen des Klimawandels an? Darüber diskutierten v.l.: Walter Leal von der HAW Hamburg/Manchester Metropolitan University; der Bundestagsabgeordnete Jan-Niclas Gesenhues (Grüne), Britta Stöver von der Gesellschaft für Wirtschaftliche Strukturforschung; die Bundestagsabgeordnete Dunja Kreiser (SPD), Professor Hans von Storch von der Universität Hamburg sowie Moderatorin Katharina Menne (Spektrum der Wissenschaft). / © PZ/Melanie Höhn
»In Deutschland erfahren wir den bisher trockensten Frühling seit Beginn der Wetteraufzeichnungen, weltweit gilt bereits bis zu 40 Prozent der Landflächen als degradiert und die Zahl der Hitzetote steigt immer mehr an«, führte Beatrice John, Head of Programme »Adaptation« von »adelphi«, in das Thema Klimawandel ein. Der Thinktank war neben der wissenschaftlichen Fachverlagsgruppe »Springer Nature« einer der Veranstalter der Diskussionsrunde.
Für John ist klar: Es braucht Räume, in denen ein kontinuierlicher Fortschritt zur Bekämpfung des Klimawandels möglich wird. »Ein solcher handlungsmotivierender Raum wird auch maßgeblich politisch gestaltet, deshalb ist das neue Bundesklimaanpassungsgesetz ein Meilenstein«, sagte sie. Dieses gebe sehr wichtige Impulse in Richtung der Länder und Kommunen in Sachen Vorsorge. »Die Frage, ob Klimaanpassung zur Gemeinschaftsaufgabe wird, ist noch offen, aber sie muss gut und breit diskutiert werden«, so John.
Gleichzeitig gebe es aber sehr starke weitere Grundlagen: Die deutsche Anpassungsstrategie (DAS) an den Klimawandel mit 180 Maßnahmen, die Wasserstrategie, das Aktionsprogramm ›Natürlicher Klimaschutz‹ – dennoch müssten jetzt Umsetzungsmaßnahmen anschließen, forderte John. Folgerichtig sei die Frage nach den Kosten. »Die Summen, die hier bewegt werden müssen, sind schwindelerregend hoch. Genauso wie die prognostizierten Schäden für Menschen, Wirtschaft und Gesellschaft.«
Seitens der Weltbank rechne man für Europa mit notwendigen Investitionen für den Klimawandel in Höhe von 15 bis 64 Milliarden Euro jährlich bis 2030. »Diese Mittel müssen öffentlich und privat mobilisiert und auch gerecht verteilt werden.« An das wie viel knüpfe sich die Frage an: Für wen? Ein aktueller Bericht der europäischen Umweltagentur zeige, dass Klimaanpassung niemanden zurücklassen dürfe. Personen mit Behinderung oder vulnerable Gruppen seien in den Notfallplänen oft nicht mitgedacht.
John stellte klar, dass im Sinne der Daseinsvorsorge gemeinsam überlegt werden müsse, wie ein Umfeld geschaffen werden könne, dass Motivation und Handlungsspielräume für eine transformative Klimaanpassung eröffne. Zudem müsse ein positives und langfristiges Zielbild über Legislaturperioden hinaus kreiert werden.
Im Sinne des gesamtgesellschaftlichen Handelns müssen Politik, Wirtschaft, Wissenschaft, Zivilgesellschaft, Medien eine lebendige, ehrliche und lösungsorientierte Diskussion erschaffen, in der Fakten angesprochen und positive Bilder gezeichnet werden können. »Klimaanpassung ist keine abstrakte Zukunftsanpassung, sie beginnt hier und heute und gelingt, wenn wir sie gemeinsam gestalten.«
»Es geht um Gesundheit, Lebensqualität, keine ständigen Überflutungen, reiche Ernten. Am Ende müssen wir für den Klimaschutz politische Machtproben bestehen«, sagte der Bundestagsabgeordnete Jan-Niclas Gesenhues (Grüne). Das Thema Gesundheitsversorgung sei intensiv zu beraten. »Es ist längst an der Zeit, dass eine grundlegende Reform der Daseinsvorsorge diskutiert wird. Die entscheidende Frage ist: Garantieren wir eine Versorgung mit Apotheken flächendeckend und gerade auch im ländlichen Bereich? Das steht im Moment total in Frage.«
Der Grünen-Politker führte weiter aus, dass in der vorherigen Legislaturperiode das Hochwasserschutzgesetz auf den Weg gebracht wurde. »Die beste Verbündete für die Klimaanpassung ist die Natur. Gesunde Flussauen sind das beste Bollwerk gegen Hochwasser«, sagte er. Das Gesetz sehe unter anderem vor, dass Deichrückverlegungen vereinfacht werden. »Das Gesetz ist eigentlich fertig und mit den Ländern abgestimmt, das muss die neue Bundesregierung ganz zügig auf den Weg bringen und abschließen«, so Gesenhues. Auch betonte er, dass es sehr wichtig war, dass das erste Klimaanpassungsgesetz in der Geschichte der Bundesrepublik auf den Weg gebracht wurde. »Es muss nun zügig umgesetzt werden«, so der Grünen-Politiker. Es beinhaltet unter anderem Regularien zur Entsiegelung, weniger Versiegelung und kommunale Klimaanpassungskonzepte.
Gesenhues forderte zudem, dass das Aktionsprogramm ›Natürlicher Klimaschutz‹ um 15 Milliarden Euro bis 2030 aufgestockt wird. Es müsse darüber hinaus dafür gesorgt werden, dass die Nationale Wasserstrategie umgesetzt wird und dass aus dem Sondervermögen die Maßnahmen finanziert werden, die für die Klimaanpassung wichtig sind – »unter anderem Hochwasserschutz, ökologischer Stadtumbau oder Auenrenaturierung«, sagte er. »Das werden wir im Bundestag auch beantragen«, betonte der Politiker. Es sei außerdem wichtig, eine Dekade der Renaturierung einzuleiten. »Weil Moore, Meere und Flüsse und gesunde Natur Superhelden der Klimaanpassung und des Klimaschutzes sind und zudem total unterschätzt sind. Indem wir in Renaturierung investieren, können wir ganz viel erreichen«, sagte er.
»Da gehe ich mit, weil das Maßnahmen sind, die gleichzeitig den Klimaschutz und die Klimaanpassung verbinden«, erwiderte Britta Stöver von der Gesellschaft für Wirtschaftliche Strukturforschung. Die Bundestagsabgeordnete Dunja Kreiser (SPD) betrachtet es als essenziell, dass die bisherigen Klimaanpassungsmaßnahmen umgesetzt werden und die nötige Finanzierung bereitgestellt wird. Zudem betonte sie, dass auch in der Aufklärung der Bevölkerung viel Potenzial stecke, die Ressourcen zu schonen. Auch die Eigenverantwortung sei ein riesiges Thema. Zudem müsse sich die Infrastruktur umwandeln, dabei gehe es unter anderem um die Nutzung von wiederverwertbarem Wasser und die Speicherung von Energie.
Walter Leal von der HAW Hamburg/Manchester Metropolitan University betonte, dass der Klimawandel nicht nur Auswirkungen auf die Umwelt, sondern auch auf die Gesundheit habe. Besonders Chronikerinnen und -chroniker und Schwangere seien besonders anfällig für Hitze. Auch die Pollensaison fange immer früher an und dauert länger – »all das kostet den Krankenkassen Milliarden«, sagte er.