Pharmazeutische Zeitung online Avoxa
whatsApp instagram facebook bluesky linkedin xign

Corona-Pandemie
-
Neue Regeln auch beim Baden

Eine Ansteckung mit dem Coronavirus über das Wasser in Badeseen und Schwimmbädern gilt als unwahrscheinlich. Zentrale Bedeutung hat aber das Einhalten der Abstandsregeln am Ufer und auch beim Schwimmen.
AutorKontaktPZ
AutorKontaktdpa
Datum 18.06.2020  08:00 Uhr

Mit dem schönem Wetter und dem Sommeranfang an diesem Wochenende sowie dem Start der Ferien in vielen Bundesländern nimmt die Badesaison an Fahrt auf.  Vermutlich sind viele, die baden wollen, unsicher, wie groß das Ansteckungsrisiko für SARS-CoV-2 im Wasser ist. Und: Gibt es Unterschiede zwischen gechlortem Wasser in Badeanstalten und Pools, Süß- und Salzwasser, stehenden oder fließenden, flachen oder tiefen Gewässern?

«Im Wasser selbst gilt das Übertragungsrisiko nach den bisherigen wissenschaftlichen Erkenntnissen als äußerst gering wegen der starken Verdünnung oder wegen der Chlorierung», sagt der Kieler Infektionsmediziner Professor Dr. Helmut Fickenscher. Dies sei aber nur ein Aspekt. «Von großer Bedeutung ist die Situation am Strand und die Dichte der Menschen im Wasser.» Fickenscher ist Direktor des Instituts für Infektionsmedizin des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein (UKSH) und Präsident der Deutschen Vereinigung zur Bekämpfung der Viruskrankheiten.

Das Umweltbundesamt (UBA) unterstreicht ebenfalls die zentrale Bedeutung, die Abstands- und Hygieneregeln auch am Strand, auf den Wiesen von Badeanstalten und natürlich auch im Wasser einzuhalten: «Da das Tragen von Mund/Nasenschutz beim Baden nicht praktikabel ist, kommt der Einhaltung der Sicherheitsabstände im Wasser und an Land eine maßgebliche Bedeutung für den Schutz von Infektionen zu.»

Eine Übertragung von SARS-CoV-2 über das Wasser beim Baden hält das UBA für äußerst unwahrscheinlich. «Bisher gibt es nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) keine Hinweise darauf, dass dieses Virus über den Wasserweg übertragen wird. Grundsätzlich sollten aber Personen, die an einem akuten Infekt der Atemwege oder an einer Durchfallerkrankung leiden, nicht baden gehen, um andere Badende nicht zu gefährden.» Dies gelte unabhängig davon, um welche potenziellen Krankheitserreger es sich im Einzelnen handle. Der Eintrag von Coronaviren in Badegewässer ist laut UBA durch infizierte Menschen zwar möglich. «Ob auf diesem Weg eine Ansteckung möglich ist, ist nicht geklärt», erläuterte die Behörde.

Verdünnungseffekte

Wie Fickenscher resümiert auch das UBA: «Die Wahrscheinlichkeit einer Ansteckung ist unter anderem wegen der Verdünnung im Wasser äußerst gering.» Hauptübertragungswege dieser Infektionen seien direkte Mensch zu Mensch Übertragungen über virushaltige Tröpfchen, die beim Husten und Niesen freigesetzt werden sowie Schmierinfektionen durch Übertragung dieser Tröpfchen aus dem direkten Umfeld infizierter Personen über die Hände auf die Schleimhäute.

«Steigende Wassertemperaturen und erhöhte Sonneneinstrahlung im Sommer werden zu einer noch stärkeren Inaktivierung möglicherweise in das Wasser eingetragener Viren führen», prognostizierte das UBA bereits im März. Fickenscher ergänzte, auch über Kläranlagen dürften kaum Coronaviren in Badegewässer gelangen. Denn SARS-CoV-2 könne als ein behülltes Virus nicht lange in Wasser überleben – im Gegensatz zu den im Abwasser existierenden unbehüllten Viren, vor allem den Noroviren.

Im Chlorwasser sehen die Experten die geringste Ansteckungsgefahr, sie betonen aber die Bedeutung der Abstandsregeln auch im Schwimmbecken oder Pool. Fickenscher sind keine Studien bekannt, ob das neuartige Coronavirus im Süß- oder im Salzwasser länger überleben kann. «Je größer die Verdünnung ist, desto geringer sind Ansteckungsrisiken im Wasser», betonte Fickenscher. Insofern sei bei vielen Badenden in einem sehr flachen Uferbereich auch das theoretische Risiko, sich im Wasser anzustecken etwas höher. Entscheidend sei aber am Wassersaum oder in flachen Gewässern, ob die Abstandsregeln eingehalten werden. «Denn im Grunde ist die Situation dort ja wie an Land», sagte Fickenscher.

Auch Flüsse lässt sich laut Fickenscher keine eindeutige Aussage machen. «Aber natürlich ist bei fließenden Gewässern davon auszugehen, dass die Verdünnung schneller passiert als in stillen Gewässern wie Seen oder Badeteiche – und damit das Ansteckungsrisiko im Wasser selbst geringer ist.» «

«Es ist auch weniger riskant, im Freien zu schwimmen als in Hallen, da Aerosole als Übertragungswege im Freien praktisch keine Rolle spielen», so der Infektiologe. Das größte theoretische Ansteckungsrisiko lauere wegen der Feuchte und den Aerosolen dort, wo Duschen in Sanitärräumen zu eng nebeneinander stehen.

DLRG warnt vor unbewachten Badestellen

Abgelegene Badestellen sollten sich aber nur erfahrene Schwimmer suchen, meint die Deutsche Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG). Sie warnte vorige Woche vor der Benutzung von unbewachten Badestellen. Die Organisation befürchtet, dass die Schwimmfertigkeit durch die wochenlang geschlossenen Schwimmbäder und die ausgefallenen Schwimmkurse gesunken ist.

Da Freibäder nicht wie gewohnt zugänglich seien und Menschen wegen Corona Abstand suchten, ziehe es viele Menschen an offene Badestellen, sagte Frank Villmow aus dem DLRG-Präsidium. Die Gefahr zu ertrinken, sei dort höher als in Gewässern, die von Rettungsschwimmern überwacht werden. Im vergangenen Jahr bewahrten die Rettungsschwimmerinnen und -schwimmer 950 Menschen vor dem Tod – oft in letzter Minute.

Die DLRG überwacht bundesweit rund 1230 Badestellen an Küsten und Seen sowie rund 1350 Schwimmbäder. Bei Notlagen im Wasser spiele oft Leichtsinn, Selbstüberschätzung und Unkenntnis über das Gewässer eine Rolle, so Haag. Vor allem junge Männer sollten beim Schwimmen vorsichtiger werden. «Ertrinken ist und bleibt ein männliches Problem», sagte der Präsident. Im vergangenen Jahr ertranken bundesweit mindestens 417 Menschen – mehr als 80 Prozent davon waren männlichen Geschlechts. Einen eindringlichen Appell richteten die Retter an alle Eltern. Kinder, die nicht mindestens das Freischwimmer-Abzeichen haben, sollten nie alleine im oder am Wasser sein.

Die Pandemie hat auch direkte Auswirkungen auf die Arbeit der Rettungsschwimmer, denn sie müssen Abstands- und Hygieneregeln einhalten. «Das ist auf kleinen Stationen und auf kleinen Rettungsbooten oft nicht einfach», sagte Villmow. Es könnte auch sein, dass dadurch im Sommer weniger Retter im Einsatz sind, weil Gemeinschaftsunterkünfte nicht wie gewohnt benutzt werden dürfen und weitere Unterkünfte fehlen. Für den Fall eines Corona-Falls am Einsatzort haben die Retter eine spezielle Schutzausrüstung.

Mehr von Avoxa