Neue positive Daten zu Lenacapavir |
Annette Rößler |
19.09.2024 16:20 Uhr |
Lediglich eine Injektion alle sechs Monate – der neue Kapsid-Inhibitor Lenacapavir von Gilead setzt in der Präexpositionsprophylaxe (PrEP) von HIV neue Maßstäbe. / Foto: Adobe Stock/Shooter
Lenacapavir (Sunlenca®, Gilead) ist der erste marktreife Kapsid-Inhibitor und damit ein First-in-Class-Wirkstoff. In der EU besitzt Lenacapavir bereits eine Zulassung zur Behandlung von Patienten mit HIV-Infektion, ist aber noch nicht auf dem Markt. Vermutlich möchte Hersteller Gilead mit der Markteinführung warten, bis auch der Einsatz zur HIV-PrEP von den Behörden genehmigt ist. Hierfür ist Lenacapavir geradezu prädestiniert, denn die große Stärke des Wirkstoffs ist seine lange Wirkdauer: Es bedarf lediglich einer subkutanen Injektion von 1,5 ml Injektionslösung alle 26 Wochen für einen ausreichend hohen Wirkspiegel.
Beim Welt-Aids-Kongress in München im Juli war die Präsentation der Ergebnisse der Phase-III-Studie PURPOSE 1 eines der Highlights. In dieser Studie war die Lenacapavir-PrEP bei sexuell aktiven Cisgender-Frauen in Subsahara-Afrika 100 Prozent wirksam: Keine einzige Studienteilnehmerin steckte sich unter Lenacapavir mit HIV an. Dagegen kam es in den Vergleichsgruppen mit oraler HIV-PrEP mit Emtricitabin/Tenofoviralafenamid (F/TAF, Descovy®) beziehungsweise Emtricitabin/Tenofovirdisoproxilfumarat (F/TDF, Truvada®) zu 2,02 beziehungsweise 1,69 Infektionen pro 100 Personenjahre bei einer Hintergrund-Inzidenz (bHIV) von 2,41 Infektionen pro 100 Personenjahre
Um für Lenacapavir die Zulassungserweiterung zur HIV-PrEP zu beantragen, fehlten nur noch die Ergebnisse der zweiten Phase-III-Studie PURPOSE 2, hieß es in München. Diese liegen nun vor und wurden von Hersteller Gilead per Pressemitteilung kommuniziert, noch bevor sie bei einer Konferenz präsentiert oder in einem wissenschaftlichen Fachjournal veröffentlicht wurden.
PURPOSE 2 (NCT04925752) schließt 3267 Cisgender- und Transgender-Männer, Transgender-Frauen sowie Gender-nicht-binäre Personen ab 16 Jahren ein, die Sex mit männlichen Partnern haben. 2180 Teilnehmende erhielten eine Lenacapavir-PrEP (subkutane Injektionen alle sechs Monate plus tägliche Placebo-Tabletten) und 1087 eine Truvada-PrEP (tägliche Tabletten plus Placebo-Injektionen alle sechs Monate). Bei einer Interimsanalyse hatten sich zwei Personen in der Lenacapavir-Gruppe und neun in der Truvada-Gruppe mit HIV infiziert. Hieraus ließ sich für Lenacapavir eine Inzidenz von 0,10 pro 100 Personenjahre errechnen und für Truvada von 0,93 pro 100 Personenjahre, während die bHIV bei 2,37 pro 100 Personenjahre lag.
Damit war die Lenacapavir-PrEP zu 99,9 Prozent wirksam, führte gegenüber der bHIV zu einer 96-prozentigen Risikoreduktion und war 89 Prozent wirksamer als Truvada. Beide Prophylaktika wurden gut vertragen. Nach der Interimsanalyse wurde der verblindete Teil der Studie auf Anraten eines unabhängigen Datenüberwachungskomitees gestoppt und allen Teilnehmenden open Label Lenacapavir angeboten.
Daniel O’Day, der CEO von Gilead, sprach in der Mitteilung von »bemerkenswerten« Ergebnissen der beiden Phase-III-Studien und kündigte an, dass sein Unternehmen nun »vordringlich« mit Zulassungsbehörden, Regierungen und weiteren Partnern aus dem Gesundheitswesen und der Gesellschaft zusammenarbeiten wolle, um Lenacapavir im Fall einer Zulassung als PrEP weltweit allen denjenigen zur Verfügung zu stellen, die es wollen oder brauchen.