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Schmerzmittel-Missbrauch

Neue Leitlinie zu Kopfschmerz durch Medikamenten-Übergebrauch

Auf europäischer Ebene ist erstmals eine Leitlinie zum Management des Kopfschmerzes durch Medikamenten-Übergebrauch erschienen. Es geht darum, den Teufelskreis zwischen Schmerzmitteleinnahme und Kopfschmerz zu vermeiden oder zu durchbrechen.
PZ
19.06.2020  14:52 Uhr

»Medikamenten-Übergebrauchs-Kopfschmerz (Medication-Overuse Headache/MOH) ist ein häufiges Problem im klinischen Alltag«, betont die Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN), die in einer Pressemitteilung auf die neue Leitlinie der European Academy of Neurology aufmerksam macht. Schätzungsweise leidet 1 Prozent der Bevölkerung unter MOH. Bei Patienten mit chronischen Kopfschmerzen gehen Experten davon aus, dass bei 70 Prozent der Betroffenen die Schmerzen durch einen Übergebrauch von Analgetika und Migränemitteln getriggert werden. Das ist allein in Deutschland eine halbe Million Menschen – zum Großteil Migränepatienten .

Mediziner sprechen von MOH, wenn die Kopfschmerzen an mehr als 15 Tagen pro Monat auftreten und diese über einen Zeitraum von mehr als drei Monaten mit einem oder mehreren Schmerzmitteln behandelt werden. Für Triptane sei die Einnahme an mehr als zehn Tagen im Monat Voraussetzung für die Diagnose.  »Besonders gefährdet, einen MOH zu entwickeln, sind Patienten, die an einer weiteren Schmerzerkrankung leiden, zum Beispiel chronischen Rückenschmerzen, oder Menschen mit schwerer Migräne«, informiert die DGN. Häufige Begleiterkrankungen seien Angsterkrankungen und Depressionen. Die Bedeutung der neuen Leitlinie liege darin, dass sie auf das Problem des MOH aufmerksam macht und auch Ärzte für das Phänomen sensibilisiert, kommentiert Professor Dr. Peter Berlit, Generalsekretär der DGN. Die Leitlinie wurde vergangenen Monat im »European Journal of Neurology« veröffentlicht.

Kopfschmerzpatient früh und regelmäßig aufklären

Grundlegende und wichtigste Präventionsmaßnahme ist laut Leitlinie eine umfassende Aufklärung des Patienten. Patienten mit einem erhöhten Risiko für einen MOH sollte der Allgemeinmediziner oder Neurologe alle drei bis sechs Monate einbestellen. Diese Empfehlung sei zwar streng genommen nicht evidenzbasiert, laut Professor Dr. Hans-Christoph Diener, DGN-Pressesprecher und Erstautor der Leitlinie, aber eine »Common Sense«-Empfehlung.

»Wir wissen, dass Patienten seltener einen MOH entwickeln, die umfassend über den Zusammenhang von Schmerzmitteln und Schmerzmittel-Übergebrauchs-Kopfschmerz informiert wurden, und es gibt Studien, die zeigen, dass ein Beratungsgespräch plus Print-Informationsmaterial um einiges effektiver ist als das Informationsmaterial allein.« Es liege auf der Hand, dass regelmäßige Gespräche die Sensibilität für die Thematik erhöhen und die Bereitschaft stärken, trotz Schmerzen gelegentlich auf Medikamente zu verzichten oder die Dosis zu reduzieren.

In der Behandlung eines bestehenden MOH hat die reine Aufklärung aber ihre Grenzen. »Die alleinige Beratung kann zwar bei Übergebrauch von Triptanen oder einfachen Analgetika zielführend sein, wenn keine größeren psychiatrischen Komorbiditäten vorliegen«, schreibt die DGN. Bei Übergebrauch von Opioiden, Barbituraten oder Tranquilizern rät die Leitlinie aber zur Überweisung an einen Kopfschmerzexperten oder ein spezialisiertes Schmerzzentrum.

Oft hilft nur ein Entzug

»Grundsätzlich muss immer ein Entzug oder zumindest eine sanfte Reduzierung der Übergebrauchsmedikamente erfolgen, um den MOH langfristig zu therapieren«, betont die Fachgesellschaft. Ein erfolgreiches Ausschleichen oder Absetzen der Schmerzmedikation gelinge fast nur in sehr enger Betreuung, die je nach Komplexität und Zustand des Patienten stationär, teilstationär oder ambulant erfolgen kann. Wichtig sei eine multidisziplinäre Betreuung, inklusive verhaltenstherapeutischer Maßnahmen.

Unklar sei noch, zu welchem Zeitpunkt bei Migränepatienten mit MOH eine gezielte Migränetherapie, zum Beispiel mit Onabotulinumtoxin Typ A oder CGRP-Antikörpern, erfolgen sollte. »Im Prinzip ist es ratsam, die Patienten zunächst vom Schmerzmittel-Übergebrauch zu entwöhnen, bevor man diese spezifischen Migränemittel einsetzt, auch um beurteilen zu können, wie stark und häufig die Kopfschmerzen sind, wenn der MOH wegfällt«, erklärt Diener. »Auf der anderen Seite darf man nicht vergessen, dass gerade Patienten mit chronischer Migräne stark leidgeprüft sind und wir ihnen eine wirksame Medikation nicht über längere Zeit vorenthalten sollten.« Die Entscheidung, wann die Migränetherapie initiiert wird, sei also immer individuell zu treffen.

»Bei einer Prävalenz von 70 Prozent bei Patienten mit chronischen Kopfschmerzen, das sind geschätzt über eine halbe Million Menschen, ist die MOH ein relevantes Gesundheitsproblem, das eine gesamtgesellschaftliche Aufmerksamkeit erfahren sollte«, betont DGN-Generalsekretär Berlit. Die europäische Leitlinie trage dazu bei. »Sie wird hoffentlich vielen Betroffenen zur Schmerzfreiheit oder zumindest einer deutlichen Verbesserung der Kopfschmerzen verhelfen.«

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