| Brigitte M. Gensthaler |
| 09.12.2025 07:00 Uhr |
Eine Amyloidose kann sich als Polyneuropathie manifestieren. Unbehandelt schreitet die Erkrankung kontinuierlich fort. / © Adobe Stock/KOLY
Das nicht steroidale Antirheumatikum (NSAR) Diflunisal ist kein neuer Arzneistoff. In Europa war es vor einiger Zeit mehrere Jahre lang als Antirheumatikum auf dem Markt, bevor es aus wirtschaftlichen Gründen zurückgezogen wurde. Seit Mitte November steht Diflunisal in Deutschland nun zur Behandlung von Erwachsenen mit hereditärer Transthyretin-vermittelter Amyloidose mit Polyneuropathie (ATTR-PN) im Stadium 1 oder 2 zur Verfügung. In dieser Krankheitsphase können die Patienten noch gehen. Das Krankheitskürzel hATTR stand Pate für den Fertigarzneimittelnamen Attrogy® (Purpose Pharma International).
Die empfohlene Dosis beträgt zweimal täglich 250 mg, wobei die Tabletten vorzugsweise zu den Mahlzeiten eingenommen werden. Sie sind aufgrund des bitteren Geschmacks im Ganzen zu schlucken. Zwischen der Einnahme von Diflunisal und Antazida sollen mindestens zwei Stunden liegen.
Diflunisal ist ein starker Stabilisator des Transthyretin-Tetramers und verhindert so den Zerfall in die Monomere, die für die Pathologie der Amyloidose verantwortlich sind.
Dass dies den Patienten nützt, zeigte eine bereits Ende 2013 publizierte randomisierte, doppelblinde, placebokontrollierte Phase-III-Studie. Eingeschlossen waren 130 ATTR-PN-Patienten. Die Behandlung mit zweimal täglich 250 mg Diflunisal über zwei Jahre verzögerte das Fortschreiten der Erkrankung signifikant, gemessen mit dem Neuropathy Impairment Score + 7 (mittlerer NIS+7-Anstieg um 8,7 Punkte) im Vergleich zu Placebo (Anstieg um 25 Punkte). In der Responder-Gruppe blieben fast 30 Prozent der Patienten unter Diflunisal neurologisch stabil gegenüber rund 9 Prozent unter Placebo.
Allerdings beendeten nur 63 Patienten die komplette Studienzeit; die anderen brachen meist wegen Krankheitsprogression oder Lebertransplantation ab.
Die Liste der Nebenwirkungen ist lang, wobei gastrointestinale Probleme am häufigsten sind. Aufgrund des Risikos gastrointestinaler, renaler und kardiovaskulärer Nebenwirkungen sollten Patienten, vor allem ältere Menschen, unter einer Langzeiteinnahme von NSAR ärztlich überwacht werden.
Diflunisal darf nicht eingesetzt werden bei akuten Asthmaanfällen in der Anamnese, Urtikaria, Rhinitis oder Angioödem, die durch Acetylsalicylsäure oder andere NSAR ausgelöst wurden (Risiko einer Kreuzreaktion), bei gastrointestinalen Blutungen, schweren Herzerkrankungen sowie bei schwerer Leber- und Nierenfunktionsstörung. Ebenso ist es im dritten Trimester der Schwangerschaft und bei stillenden Frauen kontraindiziert.
Wegen pharmakokinetischer und -dynamischer Wechselwirkungen sind diverse Arzneimittelkombinationen zu vermeiden: mit anderen NSAR und Acetylsalicylsäure, Corticosteroiden, Thrombozytenaggregationshemmern und Antikoagulanzien, selektiven Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmern, Acetazolamid, Methotrexat und Tacrolimus.
Die Transthyretin-assoziierte Amyloidose geht auf eine Fehlfaltung von Transthyretin (TTR) zurück; dies ist ein Transportprotein des Schilddrüsenhormons Thyroxin und wird vorwiegend in der Leber produziert. Fehlgefaltete verklumpte Proteinanteile sammeln sich als Amyloidfibrillen in Geweben an und stören deren Funktion. Die Systemerkrankung manifestiert sich häufig am Herzen und im peripheren Nervensystem. Man unterscheidet zwei Formen:
Die Erkrankung belastet die Lebensqualität der Patienten erheblich und kann tödlich verlaufen. Inzwischen gibt es mehrere Therapieoptionen für Erwachsene mit hATTR-PN. Erst Mitte 2025 kam das Antisense-Oligonukleotid Eplontersen auf den Markt. Ebenso wie Patisiran, Vutrisiran und Inotersen wird es gespritzt.