Neue Immuntherapie bei Lungenkrebs |
Kerstin A. Gräfe |
06.06.2025 09:00 Uhr |
Lungenkarzinome werden anhand ihrer Histologie in kleinzellig und nicht kleinzellig unterschieden. Das kleinzellige Lungenkarzinom ist mit 15 Prozent deutlich seltener das nicht kleinzelllige Lungenkarzinom. / © Adobe Stock/Dr_Microbe
Kleinzelliger Lungenkrebs (SCLC) ist neben dem nicht kleinzelligen Lungenkrebs (NSCLC) die seltenere Form eines Tumors der Lunge. Er macht etwa 15 bis 20 Prozent aller Lungenkrebsfälle aus. Häufig wird ein SCLC erst in einem fortgeschrittenen Stadium (ES-SCLC) diagnostiziert und ist durch ein schnelles Fortschreiten und eine schlechte Prognose gekennzeichnet.
Serplulimab (Hetronifly® 10 mg/ml Konzentrat zur Herstellung einer Infusionslösung, Accord Healthcare) ist in Kombination mit Carboplatin und Etoposid für die Erstlinienbehandlung erwachsener Patienten mit ES-SCLC indiziert. Der IgG4-Antikörper ist wie die Checkpoint-Inhibitoren Nivolumab und Pembrolizumab ein gegen den Programmed Death-(PD-)1-Rezeptor gerichteter Antikörper. Der PD-1-Rezeptor ist ein inhibitorischer Immuncheckpoint und nachweislich an der Steuerung der T-Zell-Immunreaktion beteiligt. Durch die Bindung von PD-1 an dessen Liganden PD-L1 und PD-L2 werden aktivierte T-Zellen herunterreguliert.
Tumorzellen können PD-L1 und PD-L2 exprimieren und sich dadurch dem Angriff des Immunsystems entziehen. Durch die Bindung von Serplulimab an den PD-1-Rezeptor auf T-Zellen wird die Interaktion von PD-1 mit dessen Liganden blockiert. Dies ermöglicht eine Aufrechterhaltung der T-Zell-Proliferation und Zytokinsekretion in der Mikroumgebung des Tumors und damit eine aktive Antitumorreaktion.
Serplulimab wird als intravenöse Infusion verabreicht. Die empfohlene Dosis beträgt 4,5 mg pro kg Körpergewicht alle drei Wochen bis zum Fortschreiten der Erkrankung oder bis zu einer inakzeptablen Toxizität. Anfangs sollte die Infusionsrate auf 100 ml pro Stunde eingestellt werden. Wenn die erste Infusion gut vertragen wird, können alle nachfolgenden Infusionen auf etwa 30 Minuten verkürzt werden. Bei der Kombinationstherapie mit Carboplatin und Etoposid sollte Serplulimab zuerst verabreicht werden, gefolgt von der Chemotherapie am selben Tag.
Unter der Behandlung mit Serplulimab können immunbedingte Nebenwirkungen auftreten, die mehrere Organe gleichzeitig betreffen und teils schwer oder tödlich verlaufen können. Dies sind unter anderem Haut, Magen-Darm-Trakt, Lunge, Leber, Nieren und endokrine Organe. Die unerwünschten Wirkungen können noch Monate nach der letzten Dosis auftreten. Die meisten davon waren reversibel und durch Aussetzen der Behandlung, Verabreichung von Corticosteroiden und/oder unterstützende Maßnahmen beherrschbar. Anleitungen zum Vorgehen bei immunvermittelten Nebenwirkungen finden sich in der Fachinformation.
Die Anwendung systemischer Corticosteroide oder Immunsuppressiva vor Therapiebeginn sollte vermieden werden, da dies die Wirksamkeit von Serplulimab beeinträchtigen kann. Jedoch können systemische Corticosteroide oder andere Immunsuppressiva zur Behandlung immunbedingter unerwünschter Reaktionen nach Beginn der Behandlung mit Serplulimab eingesetzt werden.
Frauen im gebärfähigen Alter sollten während der Behandlung und mindestens sechs Monate nach der letzten Dosis wirksam verhüten. Es wird nicht empfohlen, den Antikörper während der Schwangerschaft und bei Frauen im gebärfähigen Alter anzuwenden, die keine wirksamen Verhütungsmittel anwenden.
Humane IgG gehen in den ersten Tagen nach der Geburt in die Muttermilch über, wobei die Konzentrationen bald auf ein niedriges Niveau absinken. In diesem kurzen Zeitraum kann ein Risiko für den gestillten Säugling nicht ausgeschlossen werden. Danach kann Serplulimab während der Stillzeit angewendet werden, wenn dies klinisch erforderlich ist.
Die Zulassung basiert auf der doppelblinden placebokontrollierten Phase-III-Studie ASTRUM-005 an 585 erwachsenen Patienten mit ES-SCLC ohne vorherige systemische Behandlung. Die Teilnehmenden erhielten randomisiert im Verhältnis 2:1 entweder Serplulimab plus Chemotherapie oder Placebo plus Chemotherapie. Die Behandlung wurde in beiden Gruppen bis zum Fortschreiten der Erkrankung oder dem Auftreten nicht tolerierbarer Nebenwirkungen fortgeführt. Als primärer Endpunkt war das Gesamtüberleben definiert.
Eine erste Interimsanalyse nach durchschnittlich 12,3 Monaten ergab unter Serplulimab plus Chemotherapie ein signifikant verlängertes medianes Gesamtüberleben von 15,4 Monaten gegenüber 10,9 Monaten unter Placebo plus Chemotherapie. Der Vorteil im Gesamtüberleben blieb auch über eine durchschnittliche Nachbeobachtungszeit von 31,6 Monaten bestehen (15,8 Monate versus 11,1 Monate).
Die häufigsten Nebenwirkungen waren Neutropenie, Leukopenie, Anämie, Thrombozytopenie, Alopezie, Übelkeit, Hyperlipidämie, verminderter Appetit, Hypoproteinämie und Hyponatriämie.
Mit Serplulimab gibt es einen weiteren Checkpoint-Inhibitor für die Krebsimmuntherapie. Der Antikörper ist vorläufig allerdings als ein Analogpräparat anzusehen. Zum einen ist das Wirkprinzip mittlerweile schon fast ein »alter Hut«. Antikörper wie Nivolumab und Pembrolizumab adressieren wie Serplulimab den PD-1-Rezeptor und kamen schon vor rund zehn Jahren auf den deutschen Markt. Sie sind mittlerweile bei vielen verschiedenen Krebsarten zugelassen.
Zwar ist das kleinzellige Lungenkarzinom nicht dabei, dennoch bringt Serplulimab keinen Fortschritt. Denn die sehr ähnlich wirkenden Antikörper gegen den PD1-Liganden Atezolizumab und Durvalumab sind – neben anderen Einsatzgebieten – auch eine Therapieoption beim kleinzelligen Bronchialkarzinom im fortgeschrittenen Stadium (ES‑SCLC). Auch wenn Serplulimab seine Wirksamkeit und Verträglichkeit im Rahmen der Phase-III-Studie ASTRUM-005 unter Beweis stellen konnte, bringt der neue Antikörper somit keinen Therapiefortschritt.
Sven Siebenand, Chefredakteur