Neue Hoffnung bei Colitis ulcerosa |
Brigitte M. Gensthaler |
02.08.2023 07:00 Uhr |
Die Zulassung beruht auf den Ergebnissen der beiden randomisierten, placebokontrollierten Studien LUCENT-1 und -2. Die Ergebnisse wurden Ende Juni 2023 in der Fachzeitschrift »New England Journal of Medicine« veröffentlicht.
An der Induktionsstudie LUCENT-1 nahmen 1281 Patienten mit mittelschwerer bis schwerer aktiver Colitis ulcerosa teil, die unter Corticosteroiden, Immunmodulatoren oder einem Biologikum (TNFα-Antagonist und/oder Vedolizumab) oder Tofacitinib keine ausreichende Krankheitskontrolle erzielt hatten. Sie wurden im Verhältnis 3 zu 1 auf eine Behandlung mit Mirikizumab (300 mg intravenös im Abstand von je vier Wochen) oder Placebo randomisiert. 544 Patienten, die auf den Antikörper angesprochen hatten, erhielten in der Erhaltungsstudie über 40 Wochen (randomisiert im Verhältnis 2 zu 1) alle vier Wochen subkutan entweder Mirikizumab (200 mg) oder Placebo.
Das primäre Ziel war in beiden Studien eine klinische Remission, also in Woche 12 und Woche 40 (das sind 52 Wochen nach Therapiestart), mit einem Stopp der Blutungen sowie einer weitgehenden Normalisierung von Stuhlfrequenz und endoskopischen Befunden. Sekundäre Endpunkte umfassten klinisches Ansprechen, endoskopische Remission und Verminderung des Stuhldrangs.
Nach der Induktionsphase erreichten 24,2 Prozent der Patienten in der Mirikizumab-Gruppe eine klinische Remission gegenüber 13,3 Prozent in der Placebogruppe. 63,5 Prozent der Patienten sprachen auf die Antikörpertherapie an (versus 42,2 Prozent auf Placebo). Ebenfalls signifikant besser war das Ergebnis nach der 40-wöchigen Erhaltungsphase: 49,9 versus 25,1 Prozent waren in Remission. Alle sekundären Endpunkte wurden in beiden Studien erreicht.
Besonders wichtig für die Patienten: Unter Mirikizumab nahmen bereits nach zwei bis vier Wochen der imperative Stuhldrang und die Bauchschmerzen ab und die Fatigue besserte sich.
Patienten, die in Woche 12 (in LUCENT-1) nicht auf den Antikörper angesprochen hatten, konnten unverblindet drei zusätzliche Dosen von 300 mg Mirikizumab intravenös alle vier Wochen bekommen (erweiterte Induktionstherapie). Mehr als die Hälfte (53,7 Prozent) erreichte in Woche 12 von LUCENT-2 ein klinisches Ansprechen und konnte die Erhaltungstherapie mit 200 mg Mirikizumab subkutan fortsetzen. Von diesen Patienten erreichten nahezu drei Viertel (72,2 Prozent) ein klinisches Ansprechen und rund ein Drittel (36,1 Prozent) eine klinische Remission in Woche 40.
Die häufigsten Nebenwirkungen sind Infektionen der oberen Atemwege (7,9 Prozent), am häufigsten eine Nasopharyngitis, sowie Arthralgien, Kopfschmerzen, Hautausschlag und in der Erhaltungsphase Reaktionen an der Injektionsstelle (8,7 Prozent) wie Schmerzen und Erythem an der Injektionsstelle. Laut Studienpublikation erlitten 15 der insgesamt 1217 mit Mirikizumab behandelten Patienten eine opportunistische Infektion (einschließlich Herpes zoster) und acht hatten Krebs, darunter drei Patienten mit Darmkrebs. Unter Placebo trat eine Zoster-Infektion und kein Krebs auf.
Frauen im gebärfähigen Alter sollten während und für mindestens zehn Wochen nach der Behandlung eine Schwangerschaft zuverlässig verhüten. Aus Vorsichtsgründen soll eine Anwendung während der Schwangerschaft vermieden werden.
Die Therapie der Colitis ulcerosa folgt der S3-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten, die laufend fortgeschrieben wird (zuletzt im Februar 2023). Fortschritte bei der CU-Behandlung haben zu einem Paradigmenwechsel bei den Behandlungszielen geführt: Nicht nur der beschwerdefreie Alltag, sondern auch die mukosale Heilung werden heute als therapeutisches Ziel erfasst.
Verschiedene Arzneistoffe befinden sich in klinischen Studien für die Behandlung der Colitis ulcerosa (CU). Darunter auch die selektiven Interleukin-23-Antikörper Guselkumab und Risankizumab, die bei Plaque-Psoriasis schon zugelassen sind. Der Neuling Mirikizumab ist ebenfalls ein IL-23-Antikörper und besitzt damit kein grundsätzlich neues Target für einen Arzneistoff. Allerdings ist es der erste selektive IL-23-Antikörper bei CU. Denn der Antikörper Ustekinumab, der schon seit Längerem bei CU zugelassen ist, blockiert neben Il-23 auch IL-12. Möglicherweise könnte Ustekinumab damit ein höheres Risiko für eine Immunsuppression bringen, was aber nur ein direkter Vergleich mit Mirikizumab eindeutig beantworten kann.
Hinsichtlich des zugelassenen Anwendungsgebiets bei CU geben sich Ustekinumab und Mirikizumab nichts. Auch die Therapie mit intravenöser Gabe zu Beginn und Wechsel auf subkutane Applikation später bringt keine relevanten Unterschiede. Vorläufig ist kein relevanter Therapiefortschritt durch Mirikizumab erkennbar und damit zunächst die Einstufung als Analogpräparat vorzunehmen.
Sven Siebenand, Chefredakteur