Neue Blutungsprophylaxe bei Hämophilie |
Kerstin A. Gräfe |
16.06.2025 18:00 Uhr |
Die Zulassung basiert auf der vierarmigen Phase-III-Studie EXPLORER 7, die Wirksamkeit und Sicherheit einer Blutungsprophylaxe mit Concizumab im Vergleich zu keiner Prophylaxe (On-Demand-Behandlung mit Bypass-Präparaten) bei Hemmkörper-Hämophilie untersuchte. Die 113 Teilnehmer erhielten 1 : 2 randomisiert für mindestens 24 Wochen entweder keine Prophylaxe (Arm 1) oder eine Prophylaxe mit Concizumab für mindestens 32 Wochen (Arm 2) oder wurden nicht randomisiert einer Concizumab-Prophylaxe für mindestens 24 Wochen zugewiesen (Arme 3 und 4). Primärer Endpunkt war die annualisierte Gesamtblutungsrate (ABR).
Die Prophylaxe mit Concizumab konnte die ABR signifikant von im Schnitt 11,8 im Kontrollarm auf 1,7 senken. Bei knapp zwei Drittel der aktiv behandelten Patienten (64 Prozent) trat in den ersten 24 Studienwochen gar kein Blutungsereignis auf (Arm 2: 11 Prozent).
Die häufigsten beobachteten Nebenwirkungen waren Reaktionen an der Injektionsstelle und Überempfindlichkeitsreaktionen.
Nach Marstacimab im Februar 2025 ist nun mit Concizumab der zweite Antikörper gegen den Tissue Factor Pathway Inhibitor (TFPI) auf den deutschen Markt gekommen. Marstacimab hatte im jahrelangen Zulassungsrennen also am Ende knapp die Nase vorn. Dennoch darf auch Concizumab als Sprunginnovation bezeichnet werden.
Beide Antikörper bremsen die gerinnungshemmende Funktion von TFPI aus, stützen den extrinsischen Weg der Blutgerinnung und gleichen so Defizite aus, die bei Hämophilie A und B im intrinsischen Weg vorliegen. Das gab es vorher noch nicht und es ist innovativ.
Während der Wirkmechanismus identisch ist, unterscheiden sich die beiden Wirkstoffe im Zulassungsgebiet. Marstacimab ist nur bei Abwesenheit von Inhibitoren gegen Faktor VIII beziehungsweise IX zur routinemäßigen Prophylaxe von Blutungsepisoden bei Patienten mit schwerer Hämophilie A oder B zugelassen. Concizumab dagegen nur bei Anwesenheit dieser Hemmkörper. Wie Marstacimab konnte auch der Neuling seine Wirksamkeit unter Beweis stellen. Bei beiden Antikörpern ist das möglicherweise gesteigerte Thromboserisiko zu bedenken.
Ob weitere Indikationen für den einen und/oder anderen Antikörper hinzukommen, bleibt abzuwarten. Auch der Einsatz bei anderen Gerinnungsstörungen wäre angesichts des Wirkprinzips denkbar.
Sven Siebenand, Chefredakteur