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Dringend gesucht

Neue Antibiotika gegen gramnegative Bakterien

Die Lipid-A-Biosynthese ist für die Bildung der äußeren Membran der meisten gramnegativen Bakterien essenziell. Daher bietet sie sich als Ziel für die Entwicklung neuer Antibiotika an. Diese Strategie nutzt ein neues Antibiotikum mit dem Entwicklungsnamen LPC-233.
Theo Dingermann
14.08.2023  09:00 Uhr

Auf der Suche nach dringend benötigten neuen Antibiotika haben Forschende von der Duke University School of Medicine in Durham, USA, ein neues Ziel vor Augen: ein bakterielles Enzym namens UDP-3-O-(R-3-Hydroxyacyl)-N-Acetylglucosamin-Deacetylase (oder abgekürzt LpxC). Einer Gruppe um Dr. Jinshi Zhao vom Department of Biochemistry und Dr. C. Skyler Cochrane vom Department of Chemistry gelang es, einen Inhibitor (LPC-233) zu synthetisieren und charakterisieren, der das Enzym  gezielt hemmt. Die Daten wurden im Fachmagazin »Science Translational Medicine« veröffentlicht.

LpxC ist ein essenzielles, Zink-abhängiges Enzym für die Biosynthese von Lipid-A, dem hydrophoben Anker von Lipopolysaccharid (LPS) und Lipooligosaccharid (LOS). Zudem gilt Lipid-A als wichtigste Lipidkomponente der äußeren Membran der gramnegativen Bakterien. 

Frühere Versuche, Antibiotika gegen LpxC als Zielstruktur herzustellen, wurden dadurch erschwert, dass sich viele der Entwicklungskandidaten als kardiotoxisch erwiesen. Demgegenüber zeigten präklinische Untersuchungen, dass sich LPC-233 durch ein vielversprechendes In-vitro- und In-vivo-Sicherheitsprofile auszeichnet. Es bindet mit picomolarer Affinität an LpxC, ist oral bioverfügbar und besitzt eine bakterizide Aktivität gegen ein breites Spektrum gramnegativer Krankheitserreger.

In einem im Nachrichtenportal »Genetic Engineering & Biotechnology News« veröffentlichten Bericht sagt der Seniorautor der Studie, Professor Dr. Pei Zhou: »All diese Studien wurden an Tieren durchgeführt. Letztlich muss die kardiovaskuläre Sicherheit am Menschen getestet werden.« Allerdings zeigten die Ergebnisse, dass sich mit LPC-233 eine mögliche Strategie zur Bekämpfung arzneimittelresistenter Superbugs andeutet, so Zhou.

Gute minimale Hemmkonzentrationen

Die minimalen Hemmkonzentrationen (MIC90) von LPC-233 liegen im Allgemeinen unter 1,0 μg/ml. Die Spezifität gegenüber gramnegativen Bakterien wird dadurch unterstrichen, dass LPC-233 auch bei einer Konzentration von 128 μg/ml keine nachweisbare antibiotische Aktivität gegenüber grampositiven Bakterien wie Staphylococcus aureus zeigt.

Gegenüber 151 getesteten Carbapenemase-negativen Enterobacteriaceae-Isolaten mit erweitertem β-Lactamase-Spektrum (ESBL) lag der MIC50-Wert von LPC-233 liegt bei 0,064 μg/ml und der MIC90-Wert bei 0,125 μg/ml.

Im Komplex mit der LpxC aus Pseudomonas aeruginosa bindet der Inhibitor mit seiner β-Difluormethyl-Alo-Threonylhydroxamat-Kopfgruppe im aktiven Zentrum und die Phenyl-Diacetylen-Cyclopropan-Gruppe besetzt die Acylketten-Bindungsstelle.

Toxikologisches Profil unauffällig

Da LPC-233 eine metallchelatbildende Hydroxamatgruppe enthält, die möglicherweise menschliche Metalloenzyme hemmen könnte, untersuchten Forschenden die hemmende Wirkung von LPC-233 gegen verschiedene humane Matrix-Metalloproteinasen (MMP). Es zeigte sich, dass LPC-233 bei einer Konzentration von 30 μM die getesteten menschlichen MMP nicht signifikant hemmt.

In-vitro-Toxizitätstests an humanen embryonalen Nierenzellen (HEK) ergaben, dass eine Behandlung mit LPC-233 nur begrenzte Auswirkungen auf die Zelllebensfähigkeit hatte, wobei der LD50-Wert über 128 μg/ml lag.

Auch in Toxikologie-Studien an Ratten wurde LPC-233 im Allgemeinen klinisch gut vertragen, wobei bei 250 mg/kg pro Tag nur ein leichter Rückgang der Nahrungsaufnahme und ein leichter, vorübergehender Verlust an Körpergewicht beobachtet wurde. Es wurden keine mit LPC-233 zusammenhängenden unerwünschten Wirkungen auf Organgewichte oder auf die Histopathologie untersuchter Organe beobachtet.

Resistenzentwicklung möglich

Die Forschenden untersuchten auch, wie schnell sich eine Resistenz gegen LPC-233 entwickeln kann und verwendeten Ciprofloxacin als Vergleichssubstanz. Dazu ließ man E. coli- und K. pneumoniae- über 35 Passagen in Gegenwart subletaler Konzentrationen (0,5 × MHK) von LPC-233 wachsen.

Es zeigte sich, dass sich eine Resistenz gegen LPC-233 bei den verwendeten Bakterienstämmen (E. coli W3110 und K. pneumoniae 10031) ähnlich schnell oder geringfügig langsamer entwickelte als gegen Ciprofloxacin.

Wirksamkeit im Tierversuch

In Wirksamkeitsstudien an Mäusen zeigte sich, dass LPC-233 in einer Dosierung von nur 1 mg/kg alle 12 Stunden die bakterielle Belastung im Vergleich zur Vehikel-Kontrollgruppe deutlich reduzierte. Die Behandlung mit LPC-233 in Dosen von ≥10 mg/kg alle 12 Stunden senkte die bakterielle Belastung unter die der Polymyxin B (10 mg/kg, alle 12 Stunden)-positiven Kontrollgruppe, was die hervorragende Wirksamkeit von LPC-233 bei Mäusen belegt.

Schließlich untersuchten die Forschenden noch, ob Mäuse durch Behandlung mit LPC-233 vor einer tödlichen Infektion durch den multiresistenten E. coli-Stamm NDM-1 (ATCC:BAA-2471) gerettet werden können. Dabei zeigte sich, dass alle mit dem Vehikel behandelten Mäuse innerhalb von 72 Stunden starben, während die mit LPC-233 behandelten Gruppen ein dosisabhängiges Überleben zeigten, mit einem angepassten medianen effektiven Dosiswert (ED50) von 3,6 mg/kg alle 12 Stunden, entsprechend 7,2 mg/kg pro Tag.

90 Prozent der mit LPC-233 (10 mg/kg alle 12 Stunden) behandelten Mäuse und alle Mäuse, die mit 30 mg/kg alle 12 Stunden LPC-233 behandelt wurden, überlebten während der Behandlungs- und Nachbeobachtungszeit.

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