Neuartiger Lipidsenker auf dem Markt |
Kerstin A. Gräfe |
02.10.2023 11:00 Uhr |
Patienten mit der seltenen Erbkrankheit homozygote familiäre Hypercholesterolämie haben oft trotz maximaler verträglicher Therapie extrem hohe Gesamtcholesterol-Werte. / Foto: Getty Images/ blueshot
Die homozygote familiäre Hypercholesterolämie (HoFH) ist eine seltene, erblich bedingte Störung des Fettstoffwechsels, welche die schwerste Form der familiären Hypercholesterolämie (FH) darstellt. Ursache sind Gendefekte im LDL-Rezeptor, über den Cholesterol in Zellen aufgenommen wird. In der Folge haben Betroffene extrem hohe Gesamtcholesterol-Werte, die sich kaum mit Statinen und PCSK9-Inhibitoren senken lassen, da diese ihre Wirkung über den LDL-Rezeptor entfalten.
Der neue Antikörper Evinacumab wirkt unabhängig vom LDL-Rezeptor. Er richtet sich gegen das Protein Angiopoietin-like 3 (ANGPTL3), das überwiegend in der Leber exprimiert wird. ANGPTL3 spielt eine Rolle im Lipidstoffwechsel, indem es die Lipoproteinlipase (LPL) und die Endothellipase hemmt. Die Hemmung von ANGPTL3 bewirkt eine Erhöhung der Lipaseaktivitäten, wodurch weniger LDL-Vorstufen wie VLDL im Blut sind und letztlich weniger LDL-Cholesterol gebildet wird.
Evinacumab (Evkeeza® 150 mg/ml Konzentrat zur Herstellung einer Infusionslösung, Ultragenyx) wird angewendet als adjuvante Therapie zu Diät und anderen Lipidsenkern bei Patienten mit HoFH ab zwölf Jahren. Die empfohlene Dosis beträgt monatlich 15 mg/kg, verabreicht als intravenöse Infusion über einen Zeitraum von 60 Minuten.
Bei Anzeichen oder Symptomen schwerer Überempfindlichkeits- oder Infusionsreaktionen muss die Behandlung mit Evkeeza abgebrochen und der Patient nach dem Behandlungsstandard behandelt und überwacht werden.
Evinacumab kann fetale Schädigungen hervorrufen, wenn es einer schwangeren Frau verabreicht wird. Es wird daher während der Schwangerschaft oder für gebärfähige Frauen, die keine wirksame Verhütungsmethode anwenden, ausschließlich dann empfohlen, wenn der erwartete Nutzen für die Patientin das potenzielle Risiko für den Fetus überwiegt. Gebärfähige Frauen sollten während der Behandlung mit Evinacumab und bis mindestens fünf Monate danach wirksam verhüten.
Was das Stillen betrifft: Es ist nicht bekannt, ob Evinacumab in die Muttermilch übergeht. Laut Fachinformation gehen aber menschliche IgG-Antikörper in den ersten Tagen nach der Geburt in die Muttermilch über, allerdings sinkt deren Konzentration kurz danach auf ein niedriges Niveau. Ein Risiko für den gestillten Säugling kann deshalb während dieses kurzen Zeitraums nicht ausgeschlossen werden. Sofern klinisch erforderlich, könnte Evinacumab anschließend während der Stillzeit angewendet werden.