Netzhaut-Untersuchung zeigt Schlaganfallrisiko |
Christina Hohmann-Jeddi |
23.01.2025 08:00 Uhr |
Mithilfe der Fundusfotografie lassen sich die Blutgefäße in der Netzhaut erkennen. / © Getty Images/Edward Shaw
Schlaganfälle betreffen jedes Jahr weltweit etwa 100 Millionen Menschen, von denen 6,7 Millionen daran sterben. Die meisten Fälle sind auf vermeidbare Risikofaktoren wie Bluthochdruck, erhöhte Cholesterolwerte, Rauchen oder ungesunde Ernährung zurückzuführen. Doch um diese Risiken zu bewerten, sind oft mehrere Tests nötig.
Einen neuen Weg wollen Forschende um Mayinuer Yusufu von der Universität Melbourne beschreiten: Das Schlaganfallrisiko mithilfe der Augenhintergrund-Bildgebung bestimmen. Die Gefäßstruktur im Auge ähnelt der des Gehirns in Aufbau und Funktion, weshalb sie Schäden durch Krankheiten wie Diabetes erkennbar machen kann. Für die Schlaganfallvorhersage wurde dieses Potenzial bisher kaum genutzt. Mithilfe künstlicher Intelligenz (KI) soll sich das nun ändern.
Für die Studie nutzte das internationale Team das Retina-based Microvascular Health Assessment System (RMHAS), um Netzhautbilder von 68.753 Personen aus der UK-Biobank zu analysieren. Dabei erfassten die Forschenden Parameter der Gefäßarchitektur aus fünf Kategorien: Durchmesser, Dichte, Verdrehung, Verzweigungswinkel und Komplexität der Blutgefäße.
In der finalen Analyse wurden die Daten von 45.161 Personen (Durchschnittsalter 55 Jahre) ausgewertet. Während einer Beobachtungszeit von 12,5 Jahren erlitten 749 von ihnen einen Schlaganfall. Diese Personen waren tendenziell älter, männlich, rauchten häufiger, litten häufiger an Diabetes und hatten höhere Blutdruck- sowie Cholesterolwerte – wiesen also die bekannten Risikofaktoren für Schlaganfall auf.
Von den 118 untersuchten Gefäßparametern zeigten sich 29 als besonders aussagekräftig, berichtet das Team im Fachjournal »Heart«. Veränderungen in der Gefäßdichte erhöhten das Schlaganfallrisiko um bis zu 19 Prozent, ein Rückgang in der Komplexität oder Verdrehung der Gefäße um bis zu 19,5 Prozent. »Dieser Netzhaut-Fingerabdruck, kombiniert mit den leicht verfügbaren Daten zu Alter und Geschlecht, ist genauso zuverlässig wie traditionelle Risikofaktoren allein«, schreiben die Forschenden.
Die Methode ist den Autoren zufolge gut geeignet, in der Primärversorgung oder in Regionen mit geringer medizinischer Infrastruktur eingesetzt zu werden. »Da Alter und Geschlecht leicht zugänglich sind und Netzhautparameter durch routinemäßige Fundusfotografie erhoben werden können, ist dies ein praktischer und einfach umsetzbarer Ansatz«, so ihr Fazit.
Dennoch bleiben Fragen offen. Die Studie ist rein beobachtend, sodass keine Rückschlüsse auf Kausalität möglich sind. Außerdem basiert sie fast ausschließlich auf Daten einer Ethnie, was die Übertragbarkeit auf andere ethnische Gruppen einschränken könnte. Weitere Evaluierungen der Methode sind also nötig.