Nebenwirkungen von Antidepressiva im Vergleich |
| Theo Dingermann |
| 23.10.2025 18:00 Uhr |
Besonders unter noradrenerg wirksamen Substanzen treten Interferenzen mit der Herzfunktion auf, sowohl hinsichtlich der Herzfrequenz als auch des Blutdrucks. So nahm die Herzfrequenz mit 13,77 Schlägen pro Minute (bpm) am stärksten unter Nortriptylin zu, gefolgt von Clomipramin, Imipramin, Amitriptylin, Doxepin sowie den SNRI Levomilnacipran (+ 7,67 bpm), Desvenlafaxin (+ 3,51 bpm), Venlafaxin (+ 2,38 bpm) und Duloxetin (+ 2,09 bpm). Demgegenüber senkten Fluvoxamin (– 8,18 bpm) und Moclobemid (– 4,49 bpm) die Herzfrequenz.
Der systolische Blutdruck stieg unter der Therapie mit folgenden Antidepressiva an: Amitriptylin (+ 4,86 mmHg), Levomilnacipran (+ 3,36 mmHg), Venlafaxin (+ 2,78 mmHg), Imipramin (+ 2,57 mmHg), Desvenlafaxin (+ 1,93 mmHg), Duloxetin (+ 1,59 mmHg) und Fluoxetin (+ 2,94 mmHg). Demgegenüber senkte Nortriptylin den Blutdruck um etwa 6,68 mmHg. Bezüglich der Änderung der diastolischen Werte fiel Maprotilin auf, das ein deutliches Plus von 7,18 mmHg verursachte. Auch tendieren die Antidepressiva Levomilnacipran, Venlafaxin, Imipramin, Desvenlafaxin und Duloxetin zu einem Anstieg der diastolischen Blutdruckwerte.
Bei folgenden Arzneistoffen stiegen die Werte der Leberenzyme AST und ALT an: Duloxetin (AST + 2,08 IU/L, ALT + 2,20 IU/L), Levomilnacipran (AST + 1,78, ALT + 1,97) und Desvenlafaxin (ALT + 1,43). Die Aktivität der ALP stieg bei vielen Substanzen, am stärksten unter Reboxetin (+ 13,19 IU/L), Desvenlafaxin (+ 7,25 IU/L), Sertralin (+ 6,53 IU/L) und Levomilnacipran (+ 4,55 IU/L). Allerdings sind diese Steigerungen, vor allem mit Blick auf die absoluten Größenordnungen, eher moderat und meist klinisch nicht relevant.
Die Forschenden betonen ausdrücklich, dass Verbesserungen der depressiven Symptomatik nicht mit metabolischen Veränderungen korrelieren, das heißt eine wirksame Behandlung führt nicht zwingend zu einer Verschlechterung des Stoffwechsels.
Alles, was in dieser Metaanalyse systematisch zusammengetragen wurde, ergibt pharmakologisch betrachtet Sinn: So treten Gewichtszunahmen besonders bei H1- und 5-HT2C-Antagonisten wie Mirtazapin oder mehreren Trizyklika auf, während eine noradrenerge Wiederaufnahmehemmung (SNRI, Reboxetin, teils trizyklische Antidepressiva) mit einem Anstieg der Herzfrequenz und des Blutdrucks einhergeht.
Die Muster der Leberwerte unter einzelnen SNRI ähneln einer milden Cholestase. Die Forschenden betonen allerdings, dass die Kurzzeitdaten der Studie, das mittlere Alter der Teilnehmenden von 44,7 Jahren sowie die Beschränkung der Analyse auf Monotherapien die realen Risiken für ältere, multimorbide und/oder polypharmazeutisch behandelte Patienten unterschätzen können.
Insgesamt sprechen die Befunde für eine differenzierte, patientenzentrierte Wirkstoffwahl und ein zielgerichtetes Monitoring. Mit Blick auf das Risiko für Hypertonie oder Tachykardie ist eher Vorsicht bei SNRI und trizyklischen Antidepressiva angeraten. Bezüglich des Adipositasrisikos ist von Maprotilin, Amitriptylin und Mirtazapin abzuraten – stattdessen sollten hier gewichtsneutrale oder -senkende Optionen wie Agomelatin, Bupropion oder Fluoxetin in Erwägung gezogen werden. Beim Einsatz von SNRI ist es wichtig, Cholesterol-, Glucose- und Leberwerte zu überprüfen.
In einem kommentierenden Beitrag auf der Plattform »The Conversation« verweisen die Forschenden auf eine frühere Analyse, in der sie ein frei verfügbares Tool beschreiben, das Ärzte und Patienten gemeinsam nutzen können, um sich für das richtige Antidepressivum zu entscheiden.
Auch meinen die Autoren, dass mit Blick auf die Resultate ihrer Analyse die Leitlinien überprüft werden sollten. Sie weisen jedoch darauf hin, dass Effekte, die sich jenseits der Akutphase einstellen, ähnlich systematisch erfasst werden sollten.