Nasensprays sollen vor Corona schützen |
Christina Hohmann-Jeddi |
02.11.2022 18:00 Uhr |
An Nasensprays, die vor Coronainfektionen schützen sollen, wird weltweit gearbeitet. Einzelne Präparate sind schon in der klinischen Entwicklung. / Foto: Adobe Stock/Lev Dolgachov
Coronaimpfungen schützen vor schweren Covid-19-Verläufen und antivirale Arzneimittel wie Paxlovid bekämpfen Infektionen. An prophylaktischen Produkten, die Ansteckungen mit SARS-CoV-2 verhindern, mangelt es derzeit aber noch. Einige Forschungsteams weltweit arbeiten an Nasensprays, die – regelmäßig angewendet – das Infektionsrisiko direkt am Ort des Eintritts des Virus, in der Nasenschleimhaut, reduzieren sollen. Verschiedene Wirkstoffe sollen den Zelleintritt des Virus verhindern, untersucht werden hier zum Beispiel kleine Antikörper-ähnliche Moleküle (»Nanobodies«), Peptide oder kleine Moleküle mit Protein-ähnlicher Wirkung.
Forschende um Dr. Rory D. de Vries von der Erasmus Universität in Rotterdam, Niederlande, und Kollegen von der Columbia University in New York, USA, arbeiten mit Peptiden, die die Fusion der Wirtszellmembran mit der Virushülle verhindern sollen. Ein Nasenspray mit einem solchen Fusionsinhibitor testete das Team in Untersuchungen mit Frettchen und veröffentlichte die Ergebnisse bereits im Februar 2021 im Fachjournal »Science«. Demnach schützte eine Gabe des Nasensprays zwei Stunden vor der Zusammenlegung von gesunden Tieren mit Corona-infizierten Tieren, die gesunden Frettchen vor einer Ansteckung. Die Forschenden wollen das Spray noch an anderen Tiermodellen testen, bevor sie klinische Studien starten.
Eine weitere Möglichkeit, dem Virus den Zelleintritt zu erschweren, ist die Blockade des Wirtszellrezeptors TMPRSS2. An entsprechenden TMPRSS2-Inhibitoren arbeiten etwa Forschende um Tirosh Shapira von der University of British Columbia in Vancouver, Kanada. Ein Nasenspray mit dem TMPRSS2-Inhibitor N-0385 konnte in Studien mit Mäusen eine Infektion mit SARS-CoV-2 nach bewusster Applikation des Virus verhindern, wenn es an einmal täglich von Tag -1 bis Tag 6 vor beziehungsweise nach der Virusapplikation verabreicht wurde. Das berichteten die Forschenden um Shapira im März 2022 im Fachjournal »Nature«.
Die Teams um Shapira und de Vries arbeiten beide mit pharmazeutischen Unternehmen zusammen, um entsprechende prophylaktische Nasensprays auf den Markt bringen zu können, heißt es in einem Beitrag von »Nature News«. Das Interesse der Industrie, klinische Studien zu starten, sei aber bislang verhalten, sagt Anne Moscona von der Columbia University aus dem Team um de Vries gegenüber »Nature News«. Dies liege zum Teil daran, dass klinische Studien zur Bestimmung der Wirksamkeit von Prophylaktika groß sein müssen und daher entsprechend teuer sind.
Erste klinische Studien gab es bereits zu anderen Präparaten. So veröffentlichte vor Kurzem ein Team um Dr. Damian Balmforth vom St. Bartholomew's Hospital in London, Großbritannien, erste Daten zu einem möglichen Coronaschutz-Nasenspray mit »natürlichen antiviralen Substanzen«, wie es in der Publikation im »Journal of Clinical Virology« heißt. Das Präparat enthält neben Ingwer- und Eukalyptusöl auch Substanzen, die die optimale Säureumgebung verändern, die das Virus für den Zelleintritt benötigt.
In der Placebo-kontrollierten, doppelblinden Studie mit etwa 550 Teilnehmern sollte sich die Hälfte der ungeimpften und immunnaiven Probanden dreimal täglich über 45 Tage das Nasenspray selbst applizieren. Die andere Hälfte applizierte stattdessen eine Kochsalzlösung als Placebo. Die Forschenden analysierten, wie viel Prozent der Teilnehmer in beiden Gruppen an Tag 45 IgG-Antikörper gegen SARS-CoV-2 aufwiesen.
Der Publikation zufolge senkte das Nasenspray das Risiko für eine Infektion um etwa 60 Prozent – nämlich von 34,5 Prozent in der Placebogruppe auf 13,1 Prozent in der Verumgruppe. Schwere Nebenwirkungen oder Irritationen an der Nasenschleimhaut wurden keine beobachtet, schreiben die Autoren um Balmforth. Diese ersten Ergebnisse müssten in einer größeren Kohorte noch bestätigt werden. Die Forschenden sehen aber in den prophylaktischen Nasensprays eine gute Ergänzung zu Covid-19-Impfungen oder eine mögliche Schutzoption für Impfunwillige.
Auch zu Nasensprays mit Antikörpern gibt es erste klinische Tests. So veröffentlichte eine chinesische Arbeitsgruppe im Juni 2022 Daten zu einem Nasenspray mit dem neutralisierenden monoklonalen Antikörper 35B5 (»Clinical Infectious Diseases«). Demnach soll das Nasenspray eine deutliche Schutzwirkung für 24 Stunden vermitteln. Eine thailändische Arbeitsgruppe um Thanarath Imsuwansri veröffentlichte vor Kurzem ein Preprint auf dem Server »Medrxiv«, in dem sie von einem Nasenspray mit einer IgG-Antikörpermischung gegen SARS-CoV-2 berichtet. Das Spray hatte sich in der Pilotstudie mit 36 Probanden als sicher und verträglich gezeigt. Von der Nasenschleimhaut gewonnene Flüssigkeit war auch sechs Stunden nach Applikation des Sprays in der Lage, verschiedene Varianten von SARS-CoV-2 zu neutralisieren.
Auf eine andere Substanz, das Iota-Carrageen aus Rotalgen, setzt ein Team um Dr. Juan Miguel Figueroa vom Sleep and Respiratory Research Center in Buenos Aires, Argentinien. In einer Placebo-kontrollierten, doppelblinden Studie reduzierte ein entsprechendes Nasenspray das Infektionsrisiko um 79,8 Prozent (»International Journal of General Medicine«, 2021).
Entsprechende Nasensprays mit Carragelose sind in Deutschland bereits erhältlich. Diese Sprays wie Algovir® Erkältungsspray werden von der Deutschen Gesellschaft für Krankenhaushygiene zur Prävention von Covid-19 empfohlen, sie sollten morgens und abends angewendet werden.
Als weiteres Nasespray ist das Medizinprodukt Virx® Enovid seit Oktober in Deutschland verfügbar. Enthaltene Gelbildner sollen eine mechanische Barriere und NO-freisetzende Substanzen eine chemische Barriere für das Virus bilden.
Das Virus SARS-CoV-2 hat unsere Welt verändert. Seit Ende 2019 verbreitet sich der Erreger von Covid-19 und stellt die Wissenschaft vor enorme Herausforderungen. Sie hat sie angenommen und rasch Tests und Impfungen, auch für Kinder, entwickelt. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronavirus.