Nächste politische Fehlentscheidung in Sicht |
Alexander Müller |
13.08.2024 12:30 Uhr |
Den engsten Bezug zum Apothekenmarkt unter den Vertretern der Politik hatte Christiana Bauer, CDU-Kreisvorsitzende Bielefeld. Sie hat 2019 unter anderem über die Frage promoviert, ob ein Rx-Versandverbot verfassungs- und europarechtlich möglich wäre. Fazit der Doktorarbeit: Ja, das wäre es. Rechtlich möglich, aber politisch nicht gewollt, zitierte Bauer aus einem Gespräch mit dem damaligen Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU). Die aktuell diskutierte Abschaffung der Präsenzpflicht wäre aus Bauers Sicht die nächste politische Fehlentscheidung. »Und da nehme ich auch die eigene Partei nicht aus.«
Für den aktuellen Minister Karl Lauterbach (SPD) wollte die SPD-Landtagsabgeordnete Christina Weng zwar nicht den »Bodyguard« spielen. Aber auch ihrem vielleicht manchmal etwas »sperrigem« Parteifreund unterstellt sie keine bösen Absichten: »Keiner von uns hat Interesse daran, dass wir die Bevölkerung in die Tonne treten«, so Weng, die selbst im Gesundheitswesen tätig ist. Für die Diskussionsrunde war sie extra aus dem Urlaub angereist – und ein bisschen freute sie sich über den Streit. »Jetzt ist das Buch offen.« Es sei gut, jetzt einen Entwurf zu haben, an dem man sich abarbeiten kann.
Einen etwas leichteren Stand hatte der CDU-Landtagsabgeordnete Tom Brüntrup. Seine Partei habe sich im Bundestag schon klar gegen das ApoRG positioniert. Das Land habe zwar keine gesetzliche Kompetenz, aber er könne und werde auf die Kollegen im Bund zugehen, auch aus den Ampelfraktionen. Im Land ist sein Thema die Stärkung der Ausbildung. »Es ist mein Wunsch, dass eine pharmazeutische Fakultät nach Ostwestfalen kommt.« Doch angesichts der nötigen Millioneninvestitionen sei das noch ein weiter Weg, gab er zu.
Benjamin Rauer ist für die Grünen im Sozialausschuss des Landtags. Versorgungssicherheit sei das Thema im ländlichen Raum, betonte er. »Ich werde den Bielefelder MdB klar machen, wie sehr Sie den Druck verspüren«, versprach er.
Wie groß der Druck an der Basis ist, wurde in der zweistündigen Diskussion immer wieder deutlich. Von viel zu großer Arbeitslast berichteten die Apthekenteams, von einer wackelnden Finanzierung des eigenen Betriebs und von abwandernden PTA, denen man gerne mehr zahlen würde, aber nicht könne. Ein angestellter Apotheker wird im Freundeskreis gefragt, warum er sich so wenig leisten kann. »Es ist so, mein Chef, kann mir nicht mehr bezahlen.«
Es sei heute wie damals bei der großen Apothekenreform der damaligen Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD), sagte ein anderer Teilnehmer. »Wir haben alle vorhergesagt, dass die Pharmaindustrie hier Arbeitsplätze verliert. Die Lieferengpässe von heute sind die Folgen der Politik von damals. Und wenn jetzt die Reform von Lauterbach kommt, wird das System an die Wand gefahren.«
In Bielefeld fand die fünfte von sechs Regionalkonferenzen von AKWL und AVWL statt. Die letzte sollte nach dem 21. August terminiert werden, wenn klar ist, ob es einen Kabinettsbeschluss ApoRG gibt. Apothekerverband und -kammer Nordrhein setzen ebenfalls auf das Modell der Regionalkonferenzen.