Nachteile für Opfer des Bottroper Zytoskandals belegt |
Annette Rößler |
14.04.2021 12:00 Uhr |
Insgesamt erhielten die von dem Bottroper Apotheker versorgten Patienten im Median etwa ein Drittel mehr Infusionen als die Kontrollen. Das lässt sich aus Sicht der Autoren möglicherweise damit erklären, dass die Therapie bei ihnen häufiger nicht den gewünschten Effekt zeigte und deshalb länger fortgesetzt werden musste. Andererseits könnte sich durch die häufigeren Behandlungen im Einzelfall die Chance erhöht haben, dass der Patient eine richtig dosierte Zubereitung bekam.
Brustkrebs-Rezidive traten in beiden Gruppen bei etwa einem Viertel der Patientinnen auf (26 Prozent), hier bestand also kein Unterschied. Allerdings war die Zeit bis zum Auftreten eines Rezidivs bei den von dem Bottroper Apotheker versorgten Patientinnen mit median 565 Tagen deutlich kürzer als bei den Kontrollen mit 638 Tagen. Hieraus könnten sich laut den Autoren mittel- bis langfristig auch Unterschiede beim Überleben ergeben, die jedoch in der Studie noch nicht erfasst werden konnten.
Keinen Unterschied beim Endpunkt Überleben gab es bei den Patienten mit nicht soliden Tumoren: Sowohl in der Bottrop-Gruppe als auch in der Kontrollgruppe starb etwa ein Drittel der Patienten während des Beobachtungszeitraums. Auch die Zeit bis zum Versterben war in beiden Gruppen ähnlich.
Die Autoren betonen, dass anhand der Studie keine Aussagen über Einzelfälle getroffen werden könne. Es lässt sich somit nicht sagen, ob ein bestimmter Patient aufgrund der unterdosierten Krebstherapie früher verstarb oder früher ein Rezidiv erlitt, als es bei korrekter Dosierung der Fall gewesen wäre. Die Studie gibt jedoch einen deutlichen Hinweis darauf, dass Unterschiede vorhanden sind, die sich höchstwahrscheinlich auch negativ ausgewirkt haben. Oder wie es Studienleiterin Haug bei der Vorstellung der Ergebnisse laut Nachrichtenagentur dpa formulierte: »Es kann daraus nicht geschlossen werden, dass die unterdosierten Zubereitungen aus der Apotheke Bottrop bei keinem der betroffenen Patienten zu einem ungünstigeren Krankheitsverlauf geführt haben.«
Jeder Mensch, der die beängstigende Diagnose Krebs erhält, wünscht sich, dass er die bestmögliche Therapie erhält. Nimmt die Erkrankung einen ungünstigen Verlauf, stellt sich automatisch die Frage, was man hätte besser machen können. Für die Opfer des Bottroper Betrügers und ihre Angehörigen wird daher trotz der jetzt vorgestellten Ergebnisse eine große, sehr belastende Unsicherheit bleiben.