Nachsorge muss optimiert werden |
Schlaganfall gehört unverändert zu den häufigsten Todesursachen und ist der wichtigste Grund dauerhafter Behinderung in der westlichen Welt. / Foto: Adobe Stock/Photographee.eu
»Im Grunde ist es ziemlich ernüchternd: Trotz erheblicher Therapiefortschritte bleiben nach wie vor bei rund einem Drittel der Schlaganfall-Patienten erhebliche Einschränkungen in der Teilhabe am Leben und enorme familiäre und soziale Belastungen bestehen«, sagte Professor Dr. Andreas Meisel von der Charité Berlin vergangenes Wochenende bei der Zentralen Fortbildung der LAK Hessen in Gießen.
In der Akutversorgung habe man in den vergangenen dreißig Jahren lediglich ein um 14 Prozent verbessertes Outcome erzielt, stellte der Neurologe Studiendaten einer JAMA-Veröffentlichung vor, und das trotz evidenzbasierter Akut-Behandlungskonzepte wie frühe Acetylsalicylsäure, Thrombolyse, Stroke-Unit-Versorgung, Thrombektomie und Hemikraniektomie.
Nach wie vor gelte der viel zitierte Satz »Time is Brain«. Um Schäden gering zu halten, muss die Durchblutung der Gehirnzellen so schnell es geht wiederhergestellt werden. »Die Zeit bis zur Reperfusion korreliert mit dem Outcome und erfolgt optimalerweise innerhalb einer Stunde«, sagte Meisel. Die Art der Behandlung hängt davon ab, ob ursächlich ein Gefäßverschluss oder eine Blutung im Gehirn vorliegt.
Zur frühen Sekundärprävention erhalten Patienten mit ischämischem Schlaganfall laut Leitlinie innerhalb von 24 bis 48 Stunden nach dem Hirninsult eine Dosis von 100 bis 300 mg Acetylsalicylsäure (ASS). Zur Langzeittherapie stehen prinzipiell niedrig dosierte ASS (100 mg), die direkten oralen Antikoagulanzien (DOAK) Apixaban, Edoxaban, Rivaroxaban oder Dabigatran oder auch die klassischen Vitamin-K-Antagonisten wie Phenprocoumon zur Verfügung.
»Durch die Einführung der DOAK hat es einen enormen Fortschritt in der Sekundärprophylaxe gegeben. Die DOAK werden sich durchsetzen. Dabei ist Apixaban vermutlich am kosteneffektivsten zur Schlaganfallprävention bei Vorhofflimmern. Vitamin-K-Antagonisten halte ich für verzichtbar«, ist Meisel überzeugt.
Es sind nicht nur die Hirnfunktionsausfälle, die es nach einem Schlaganfall zu kompensieren gilt. »Es ist vor allem die massive Ausschüttung von Botenstoffen, allen voran von Glutamat, die über die Zeit Neuroinflammationen und Nekrosen induzieren und im Anschluss komplexe systemische Veränderungen vor allem des Immunsystems mit sich bringen«, informierte der Referent.
So erkläre sich vermutlich die erhöhte Infektionsrate nach dem Apoplex. »Diese Immundepression und eine Dysphagie sind unabhängige Risikofaktoren der Schlaganfall-assoziierten Pneumonie. Über den Weg der Neuroinflammation erhöht eine Infektion das Risiko eines erneuten Insults. Zudem sind Schlaganfall-assoziierte Infektionen mit dem Auftreten von vaskulären Demenzen verbunden«, stellte der Neurologe die Bedeutung eines funktionierenden Immunsystems dar.
Zwar hätten sich die Akutversorgung, die medikamentöse Prävention und das Risikomanagement in den vergangenen Jahren signifikant verbessert, aber die Umsetzung in der Praxis sei unbefriedigend. »Im Prinzip hängt die Nachsorge am Tropf«, beklagte der Mediziner. »Das Fehlen einer strukturierten Nachsorge von Schlaganfallpatienten bei gleichzeitig hochfragmentierter Versorgungslandschaft macht die bedarfsgerechte Versorgung vor dem Hintergrund der komplexen und heterogenen Muster der klinischen Schlaganfallfolgen und der Multimorbidität der Betroffenen zur Ausnahme.«