Nachhaltige Diversifizierung der Lieferketten nötig |
Für Arzneimittel mit Versorgungsengpass forderte Stephan Eder, Leiter des Deutschland- und Europageschäfts der Stada Group, ein fünfjähriges Aussetzen von Rabattverträgen. / Foto: IMAGO/Design Pics
Die Produktion der Wirkstoffe von Arzneimitteln ganz nach Europa zurückzuholen, wird nach den Worten von Stephan Eder, Leiter des Deutschland- und Europageschäfts der Stada Group, niemals gelingen. Die pharmazeutische Industrie könne die Globalisierung kaum isoliert zurückdrehen – und die Zahlungsbereitschaft der Gesellschaft würde da auch nicht mitgehen. Vielmehr komme es darauf an, eine Anbietervielfalt für versorgungskritische Wirkstoffe und eine Redundanz von Lieferketten sicherzustellen, um die Abhängigkeit von fernöstlichen Monopolanbietern zu verringern und Versorgungsengpässe künftig unwahrscheinlicher zu machen.
Eder sprach bei einem Perspektivengepräch des House of Pharma & Healthcare zum Thema »Lieferengpässe – was ist für eine sichere und stabile Arzneimittelversorgung in Deutschland nötig?«, bei dem er alle Akteure des Gesundheitssystems dazu aufforderte, dafür in einer konzertierten Anstrengung schnell langfristig wirksame Maßnahmen vorzubereiten.
Eder fokussierte seinen Vortrag auf die Versorgung mit Generika. Für diese geben die gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV) in Deutschland nach Abzug von Rabatten und Abschlägen jährlich rund zwei Milliarden Euro aus. Das sind knapp sieben Prozent ihrer Gesamtausgaben für Medikamente, obwohl Generika mit rund 79 Prozent der Verordnungen den Löwenanteil der Arzneimittelversorgung ausmachen. »Generische Medikamente sind versorgungskritisch, aber unterfinanziert«, so Eder.
Der Omeprazol-Jahresbedarf eines Patienten zum Beispiel werde den Herstellern mit dem Gegenwert eines Big Mac vergütet. Der heftige Wettbewerb um den Zuschlag bei Rabattverträgen habe dazu geführt, dass die durchschnittlichen Tagestherapiekosten über alle Medikamente hinweg 2021 bei nur noch bei sechs Eurocent lagen, zehn Cent unter dem Listenpreis.
»Ich möchte anerkennen, dass die Politik das Problem erkannt hat«, sagte Eder. Das Vorhaben des Bundesgesundheitsministers Professor Karl Lauterbach (SPD) mit dem sperrigen Namen Arzneimittel-Lieferengpassbekämpfungs- und Versorgungsverbesserungsgesetz (ALBVVG) sei ein »sinnvoller erster Schritt, aber nicht der große Wurf«. Es beziehe mit Kinderarzneimitteln und heute schon versorgungskritischen Wirkstoffen jedoch nur etwa ein Prozent aller Generika ein. Nach Auffassung seines Unternehmens sollte es dagegen Preisanpassungen und Inflationsausgleiche für alle Generika geben, sagte Eder. Für Arzneimittel mit Versorgungsengpass forderte er ein fünfjähriges Aussetzen von Rabattverträgen. »Es sollte zudem verpflichtend Mehrfachausschreibungen geben, bei denen nicht allein der Preis das Kriterium ist, sondern auch die Diversität der Lieferketten«, sagte er. Wenig hält Eder dagegen von der vom Gesetzgeber vorgesehenen Bevorratungspflicht. »Jeder Hersteller hat typischerweise für drei Monate Vorrat. Ihn mit einer Pönalzahlung zu belegen, wenn sich dieser Bestand plötzlich reduziert, weil es irgendwo in der eigenen oder fremden Lieferkette knirscht, würde die generische Industrie unattraktiver machen und nicht zu einer Anbieterausweitung führen.«
Für jeden Hersteller versorgungskritischer generischer Wirkstoffe kommt es letzten Endes darauf an, im ständigen Zielkonflikt zwischen wettbewerbsfähiger Preisgestaltung und sicherer Arzneimittelversorgung ein Gleichgewicht zu finden. Je stärker die deutsche Gesundheitspolitik ihre bisherige Geringschätzung des Wertes von Generika für das Gesundheitssystem revidiert, desto leichter ließe sich dieser Konflikt in Zukunft lösen.