Mut zur Mutterschaft |
Das Dilemma: Bei Valproat handele es sich um ein sehr wirksames Mittel, das lange alternativlos gewesen sei, sagt Professor Dr. Bettina Schmitz, Chefärztin der Klinik für Neurologie am Vivantes Humboldt-Klinikum in Berlin. «Inzwischen gibt es einige weitere sichere Substanzen. Und das Risiko beim Valproat ist wie so oft auch dosisabhängig.»
Schmitz leitet das deutsche Register für Schwangerschaften unter Antiepileptika. Dorthin melden Kliniken, Ambulanzen und Praxen freiwillig Angaben zu Schwangeren mit Epilepsie und deren Medikation. Fast 4300 Fälle aus Deutschland sind erfasst, europaweit mehr als 28.000. All das mit dem Ziel, Empfehlungen zu verbessern. Schmitz zufolge ist das bereits gelungen, die Fehlbildungsraten seien stark gesunken. «Bei Kindern von Frauen, die Valproat-Alternativen einnehmen, unterscheiden sich die Raten kaum mehr von denen gesunder Frauen», sagt Schmitz.
Bei Jule Reuter, die von 2013 an bei Schmitz in Behandlung war, blieb die Suche nach einem wirksamen und verträglichen Alternativmedikament erfolglos. «Ich landete also doch wieder bei Valproat.» Als sie und ihr Mann sich dann für Kinder entschieden, fand sich in enger Absprache mit Ärzten aber trotz der Einnahme des Wirkstoffs ein Weg. Es gibt in solchen Fällen viel zu beachten, und zwar schon vor der Schwangerschaft. Geraten wird dann zur Einnahme einer erhöhten Folsäure-Dosis. Diese Prophylaxe werde aber noch bei zu wenigen Frauen eingesetzt, stellte ein Team um die Medizinerin Dr. Birgitt Müffelmann in einer Auswertung im Fachblatt «Der Nervenarzt» fest.
Bei Patientin Reuter wurde zudem die morgendliche und abendliche Valproat-Dosis verringert. «Es ging um die niedrigste mögliche Dosis, damit ich sicher vor Anfällen geschützt bin», sagt die 38-Jährige. Das habe genaues Austarieren erfordert. Ziel sei gewesen, dass der Wirkstoffgehalt im Blut immer unter einer bestimmten, noch als sicher geltenden Schwelle bleibt.
Trotz aller Risiken seien ihr Ängste während der ersten Schwangerschaft fremd gewesen, sagt Reuter. «Ich war sehr unbeschwert und überzeugt, dass es schon gut gehen wird.» Reuter nahm zudem Frühdiagnostik-Untersuchungen wahr, damit mögliche körperliche Fehlbildungen des Kindes hätten erkannt werden können. «Die Ärzte haben meinem Mann und mir von Beginn an gesagt, dass wir uns vorab überlegen müssen, wie wir mit der Nachricht einer Behinderung umgehen würden. Dadurch haben wir uns gut vorbereitet gefühlt.» Schwere Entscheidungen blieben dem Paar erspart, das mittlerweile zwei Kinder hat, vier und acht Jahre alt. Und kerngesund, wie die Mutter sagt.