Münch: »Für nachhaltige Problemlösung ist kein Geld da« |
| Jennifer Evans |
| 13.11.2025 09:06 Uhr |
Neben der Honorierung ist für AKSA-Präsident Jens-Andreas Münch der »schwerste Brocken« der BMG-Pläne die Vertretungsbefugnis für PTA. / © AKSA/Pohl
Die Apotheker in Sachsen-Anhalt haben die Nase voll – von der Politik. Für Unmut bei der gestrigen Kammerversammlung in Magdeburg haben vor allem zwei Aspekte aus der geplanten Apothekenreform gesorgt. Zum einen: PTAs zeitweise die Vertretung eines Apothekers oder einer Apothekerin zu gestatten. Und zum anderen die vertagte – aber bereits im Koalitionsvertrag angekündigte – Erhöhung des Fixums auf 9,50 Euro.
Kein Wunder, dass auch Kammerpräsident Jens-Andreas Münch seinen berufspolitischen Lagebericht auf genau diese beiden Punkte konzentrierte. Und damit nicht genug: Auch eine Resolution, in der die Apothekerschaft in Sachsen-Anhalt auf die Schieflage und Probleme des derzeitigen Gesetzentwurfs hinweist, haben die anwesenden Apothekerinnen und Apotheker gestern einstimmig beschlossen. Darin heißt es unter anderem: »Wenn die Politik nicht umgehend handelt, droht ganzen Regionen der Verlust einer wohnortnahen Arzneimittelversorgung. Teile der vorliegenden Referentenentwürfe sind nicht geeignet, Apotheken zu stärken, sondern bergen im Gegenteil massive Gefahren für eine weitere nachhaltige Schädigung des Systems.«
Die Resolution wollen sie Münch zufolge dem Magdeburger Abgeordneten und Parlamentarischen Staatssekretär bei der Bundesgesundheitsministerin, Tino Sorge, vorlegen. Mit dem CDU-Politiker ist laut Münch für die nächste Woche ein Gesprächstermin vereinbart. Thematisieren will er neben der Honorierung auch nochmal den ordnungspolitischen Hintergrund der PTA-Vertretung. »Sorge ist bekanntlich Jurist und sollte verstehen, dass hier ein totaler Systembruch droht«, gibt sich Münch zuversichtlich.
Bis jetzt ist in der geplanten Reform in seinen Augen »keinerlei Verbesserung« der wirtschaftlichen Situation der Apotheken zu erkennen. Daher bleibt es bei der zentralen Forderung – auch aus Sachsen-Anhalt: Die als Soforthilfe versprochene Honoraranpassung muss umgehend kommen.
Wie ernst die Lage ist, zeigte Münch anhand einiger Zahlen: Die Ärzte bekamen von Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU) eine Honorarerhöhung von 2,8 Prozent. Das entspreche nach Angaben des GKV-Spitzenverbands 1,45 Milliarden Euro. »Dass für unsere Honorarerhöhung, für die gerade mal rund 950 Millionen Euro nötig wären, kein Geld da sei, ist schon ein Schlag ins Gesicht.« Schließlich betrage der Anteil der Apothekenhonorierung an den Ausgaben der GKV gerade einmal 1,8 Prozent. Und wäre das Packungs-Fixum seit 2013 jedes Jahr um nur 2,8 Prozent erhöht worden, läge es heute bei 11,48 Euro, ergänzt Münch.
Die steigenden Arzneimittelausgaben seien, so Münch, »ein reines Preisproblem« – verursacht durch teure neue Medikamente, nicht durch die Offizinen. Die Apothekenvergütung für Rx-Arzneimittel sei seit 2013 lediglich um knapp 13 Prozent gestiegen – bei einer Inflationsrate von 30 Prozent. Die Sachkosten der Apotheken kletterten in diesem Zeitraum um rund 47 Prozent, die Personalkosten um 79 Prozent. Zum Vergleich führt Münch das Bruttoinlandsprodukt an, das parallel um 54 Prozent zulegte, und beziffert die GKV-Einnahmen mit einem Plus von 72 Prozent.
Münch ist traurig über die Entwicklung und auch unsicher, wo die Reise wohl hingeht. Alles ähnele stark dem Entwurf, den im vergangenen Jahr der damalige Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) vorgelegt hatte und den man »mit großem Aufwand« verhindern konnte. Seiner Ansicht nach trägt der aktuelle Entwurf nicht die Handschrift von Nina Warken. Besorgt ist der Kammerpräsident auch, dass hierzulande jedes Jahr rund 500 Apotheken schließen. Das entspreche fast der Gesamtzahl der Apotheken in Sachsen-Anhalt. »Wen soll ich mit solchen Aussichten dazu bewegen, Kredite aufzunehmen und sich auf das Risiko einer Selbstständigkeit einzulassen?«, fragt sich Münch.
Eine rote Linie überschreitet für ihn die Vorstellung einer Apotheke ohne Apotheker und ist »absolut inakzeptabel«. Eine rechtssichere Lösung hält er für die PTA-Vertretungsbefugnis für nicht möglich. »Es kann kein Mensch stichhaltig begründen, warum eine PTA in einer Woche oder einem Monat etwas können soll, was sie nicht auch ein ganzes Jahr oder immer können soll.« Der einzig gangbare Weg ist seiner Auffassung nach, PTAs ein erleichtertes Pharmaziestudium zu ermöglichen, Ausbildungsinhalte anzuerkennen oder das Praktikum zu verkürzen.
Wo es um die Gesundheit der Menschen im Land geht, würde die Politik sicherheitsrelevante Qualitätsanforderungen zurückschrauben, die Versorgungsdichte ausdünnen und letztlich Leistungen für die Patientinnen und Patienten kürzen. Für »nachhaltige Problemlösung« sei kein Geld da, bemängelte er.
Die ABDA-Gastreferentin Nina Griese-Mammen, Abteilungsleiterin im Geschäftsbereich Arzneimittel, hatte es schwer, die Berufskolleginnen und-kollegen für die pharmazeutischen Dienstleistungen (pDL) zu begeistern. Obwohl die anwesenden Apothekerinnen und Apotheker grundsätzlich Lust hatten, die zusätzlichen Leistungen anzubieten und auch das Potenzial darin sehen. Der Hauptkritikpunkt bleibt – ohne Personal fehlt die Zeit – und ohne Zeit lassen sich die pDL nicht in den Apothekenalltag integrieren. Auch als große Einnahmequelle sehen sie dieses Angebot nicht, wie die anschließende Diskussion zeigte. Griese-Mammen betonte, dass es sich bei den pDL um eine Zutat im Gesamtpaket der Vor-Ort-Apotheke handele – nicht mehr, aber eben auch nicht weniger.
Die Gesundheitskompetenz in der Bevölkerung nehme ab, gleichzeitig seien angesichts des demografischen Wandels immer mehr Menschen auf Medikamente angewiesen. Angesichts dieser Entwicklung sei es wichtig, »Chroniker stärker an die Offizinen zu binden«, betonte Griese-Mammen. Insbesondere diese Zielgruppe finde schnell günstigere Alternativen im Online-Handel, warnte sie.
Nina Griese-Mammen ist bei der ABDA für das Thema pharmazeutische Dienstleistungen zuständig. / © AKSA/Klauck